„Lebende Beweise“ für die Welt im Chaos

Rheinpfalz, Kultur Regional

K.W. Timm macht Spass mit aktuellen Themen im Mussbacher Herrenhof

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Wer ist K. W. Timm? Wir wissen es nicht genau. Timmie nennt er sich selbst, für das K. W. gibt er keine Auflösung, aber nichtsdestoweniger stand er am Samstagabend pünktlich auf der Bühne des Herrenhofs. Stand da und machte dem voll besetzten Haus einfach Spaß mit seiner Berliner Schnodder-Schnauze und seiner unvergleichlichen Art, einem in der Tat zum Teil degenerierten Volke aufs Maul zu schauen: „Lebende Beweise“ ist der Titel seines aktuellen Programms, eines Programms, das aktuell genug ist, auch die Ereignisse der jüngsten Sitzung des UN-Sicherheitsrats mit einzubeziehen und so das kabarettistische Ohr direkt am Puls des Geschehens zu haben.

Und so kommt er denn als verkappter Kriminalpolizist stilecht mit Trenchcoat und Ledermappe auf die Bühne, telefoniert via Handy mit seinem Chef und erstattet Bericht über die aktuelle Lage im Herrenhof: „Ja, sind jede Menge Chaoten da, bisher ist die Lage aber friedlich“, protokolliert Timm da virtuell an die oberste Heeresleitung und gibt ganz nebenher zu bedenken, wie er zu seinem Job bei der Polizei gekommen ist: „Kein Abi, keine Perspektive, keine Angst – da haben die mich direkt genommen.

„Er nimmt dann Lauf auf den Weg durch die aktuellen Geschehnisse, galoppiert von gedopten Leichtathleten hin zu Profi-Radfahrern und den Fußballern der ersten Liga, die derzeit wohl vorwiegend Beruhigungs- statt Dopingmitteln zu sich nehmen, und landet bei den betuchten Golfern, die ihren geliebten Sport vorwiegend deswegen ausüben, weil man ihn auch in Handschellen spielen kann.

Punkte macht „Timmie“ nicht zuletzt deswegen beim (rauchenden) Rezensenten, weil er die volkswirtschaftliche Bedeutung des qualmenden Lasters auf den Punkt zu bringen vermag und die politisch-wirtschaftliche Bedeutung der Tabaksteuer mit der aktuellen ökonomischen Situation der Republik in Verbindung bringt: Wer seinerzeit noch für den dicken Helmut rauchte, konnte nach 16 Jahren doch auch nicht die neue Regierung im Regen stehen lassen – und schlussendlich gab es ja auch noch die „Ossis“, denen ja sowieso pausenlos das Wasser bis zum Hals steht; wer immer sich da vornimmt, mit dem Rauchen aufzuhören, steht da einer unübersichtlichen Gemengelage unterschiedlicher Bedürfnisse gegenüber: Hat man denn nicht schon genug geraucht, dass die Elbe ab Tschechien umgeleitet hätte werden können?

Und weiter geht der fröhliche Spaziergang durch das Deutschland im Jahre 2003, quert die Vielzahl der Öko-Frühstückseier und stellt die durchaus berechtigte Frage, wo all die vielen Öko-Hühner gehalten werden – „vielleicht ja unter jeder grünen Matratze“ – und endet bei der Rentenproblematik: Ist ja auch kein Wunder, dass die Kassen nicht mehr stimmen, wenn Tausende gut genährter Rentner zwei oder drei jungen Leuten beim Arbeiten zuschauen und sich darüber ärgern, dass sie nicht ausreichend versorgt werden.

Galliges Lachen dann bei der Bemerkung, dass die Priester in der Vergangenheit ja „viel in die Jugendarbeit „reingesteckt haben“, und beim Liebeslied, das ohne Bezugsperson geschrieben wurde: Während Timm zwischen Angela Merkel und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schwankt (Letztere bezeichnet sich als „linksliberal“, was der Kabarettist synonym gleichsetzt mit Wortschöpfungen wie „reform-konservativ“ oder einem Pfand für Kölnisch-Wasser-Flaschen), schlägt er geschickt und geschwind den Bogen zum schwarzen Peter im Leben eines jeden: „Ich bin dein fetter Pickel – also nimm dein Leben besser so, wie es ist.“ Und während Timm munter weiter sein politisches Kabarett betreibt und satirische Vielsichtigkeit beweist, kommt gegen Ende doch ein Wermutstropfen ins Programm: Am Ende singt er – reichlich vom Publikum beklatscht – zwei nachdenkliche Lieder, die so gar nicht ins lakonisch-schnoddrige Programm passen mögen und punktgenau in die zuvor so qualifiziert persiflierte Gutmenschen-Bresche schlagen: Lieder, die zum guten Mute auffordern, die die Freude am Leben postulieren.

Schade eigentlich, denn K.W. Timm hätte man sich trefflich auf den Spuren Harald Schmidts vorstellen können – aber das kann ja noch werden: Schließlich steht er erst am Anfang seiner Karriere. Und wenn die Kohle stimmt, kann er bestimmt zielgerichtet weitermachen mit seinen gekonnten Sottisen, hoffen wir jedenfalls.

Claus Jürgen Holler