Neustadt-Mussbach. Männerkabarett an einem Abend, an dem eine der maskulinsten Sportarten mit dem DFB-Pokalfinale einen ihrer Höhepunkte feiert? Ein Zufall, der sich aus Gründen des Zeitplans nicht ändern ließ. Aber Peter Vollmer musste weder vor leerem Haus noch ausschließlich vor Frauen spielen. Denn auch einige Männer fanden sich im Herrenhof Mußbach ein, wo der Männerversteher am Samstagabend in der Reihe „Kabarettissimo“ zu Gast war.
Das Thema Fußball lässt Peter Vollmer aus. Nach kurzer Rückfrage ins Publikum, ob einige Männer, die „lieber das Endspiel gesehen hätten, hergeschleppt worden sind“, taucht das Runde, das immer ins Eckige muss, nicht wieder auf. Es gibt Wichtigeres, das Männer und natürlich auch Frauen tangiert. Ein breites Spektrum hat der Kölner Kabarettist zusammengetragen, hat verschiedene Aspekte der Spezies Mann analysiert, alles brav strukturiert und in ein abendfüllendes Programm gepackt.Sicher, es ist nicht wirklich neu, was Vollmer vorträgt. Doch seine Sicht der Dinge ist spannend und oft urkomisch. Und dass sich der eine oder die andere in seinem Vortrag wiedererkennt ist nicht ausgeschlossen. Zunächst stellt der Künstler mal klar, dass der Titel seines Programms „Frauen verblühen, Männer verduften“ von Heinrich Zille stammt. Der habe das Motto vor 90 Jahren geprägt, „und es stimmt ja eigentlich nicht mehr“. Die Frauen dieser Tage blühten meist auf, wenn die Männer verschwänden. Und dass sie das tun – dafür hat Vollmer volles Verständnis.Früher seien die Männer wahre Kerle gewesen, die noch echte Autos fuhren, verdeutlicht der Kabarettist. Heute mache die ganze Technik aus jedem Auto „eine Windel mit Hilfsmotor“. Nein, die Männer werden kaum noch gebraucht: Frauen sind emanzipiert, können alles besser, haben tolle Berufe und für Sex einen Vibrator – „und der schnarcht nicht“. Aber Halt: Vibratoren mähen keinen Rasen. Aus diesem Grund sieht sich Vollmer mitsamt seinen Geschlechtsgenossen zu „Haussklaven“ degradiert. Da er aber nur wenig zur Zufriedenheit erledige – „selbst Wasser kochen muss ich vorher googeln“ –, werde er nur für niedrige Tätigkeiten eingesetzt wie das Wegbringen von Leergut. Herrlich witzig ist Vollmers detailgetreue Beschreibung dieser Aufgabe: die Teilnahme an der „Jürgen-Trittin-Gedächtnis-Prozession“, das geduldige Warten auf das Kleinkind, das den Automaten befüllen darf, und das vergebliche Bemühen, die letzte Flasche mit der Aufschrift „Bluna“ einzubringen.
Vollmer, Jahrgang 1962, plaudert aus dem Nähkästchen. Inmitten der Midlife-Crisis – „zwischen Ironman und Pflegefall“ – schaut er ironisch auf das, was sich in Körper und Geist abspielt. Ja, die Zeiten haben sich geändert: Früher sei er eine Nachteule gewesen, heute glaube er schon, Feuer unterm Hintern zu haben, wenn er die Sitzheizung auf „volle Pulle“ drehe. Statt Frauen jage er jetzt seiner Lesebrille hinterher, und bei einer Weinprobe „entwickle ich mehr Leidenschaft als beim Sex“. Die Bemühungen mancher Männer, sich mit engen Laufhosen, „in denen alles zu sehen ist“, Aufmerksamkeit zu erregen, kann er nur belächeln. Aber als er bemerkt, dass die flotte Nachbarin einem so behosten Typen nachguckt, ändert er flugs seine Meinung.
Aber auch sein Umfeld gehe neue Wege, stellt Vollmer fest. Ganz Köln-Nippes sei jetzt vegetarisch oder gar vegan ausgerichtet. Die Gattin schließt sich selbstredend diesem Trend an und versucht die ganze Familie umzuerziehen. „Nein, ein Hirsesteak krieg ich nicht runter“, heult der Fleischliebhaber. Und dass der Tofu-Aufstrich bröckelt, macht ihn nicht besser. Kaum ein Klischee lässt Vollmer aus: Der Besuch des Baumarkts, das Heimwerkeln an sich, das bei ihm natürlich schief geht – als er den Bohrer aus der Wand ziehen will, kommt ihm diese komplett entgegen –, die trendige Intimrasur mit all ihren Nebenwirkungen, Sex, der nur noch mit Testosteron-Pflaster funktioniert, ein Kindergeburtstag mit fatalem Ausgang und nicht zuletzt ein Elternabend in der Grundschule. Da zieht der 52-Jährige alle Register seines Könnens. Das Grimasseschneiden, das er perfekt beherrscht, setzt Vollmer wie seinen Sprachwitz intensiv ein, und so wird die Diskussion um die geplante Aufführung von „Räuber Hotzenplotz“ zu einem urkomischen Spiegelbild der Gesellschaft. Ob der Räuber am Ende tatsächlich in „Conchita, die Hotzenwurst“ umbenannt wird, bleibt leider offen.
Von Regina Wilhelm
Neustadt. Als es Nacht wurde im Festsaal vom Herrenhof, traten aus dem Dunkel der Kulisse Kleinkunstbühne „Kabarettissimo” die „Lichtgestalten” Alex Haas und Stefan Noelle am Samstagabend mit dem Programm ihrer nächtlichen Lieblingslieder „mit Eselshauteffekt”.
Die Leib- und Seele-Musiker gaben bekannten interpretierten Songs „aus dem Bett im Kornfeld” eine „wache” Nachtthematik, fern der schmachtenden Zauberkraft von Liebesliedern – getextet und komponiert im Design der „Liedermacher“ Haas und Noelle mit einem völlig anderen, charakteristischen Gesicht.
Mit Kontrabass, Trommel und Becken, ihrem kompletten Instrumentarium, kleideten sie die Stimmen der Nacht in unterschiedlichste Grooves und schmücken sie gekonnt mit den klangtypischen Accessoires der „untoten” Klassiker, wie „Strangers in The Night”.
Sie komponieren aber nicht nur Einflüsse von Jazz und Rock in ihre Arrangements, sondern vermittelten den Zuhörern im Plauderton Kenntnis über ihr augenblickliches Umfeld. Mehr noch: Der Zwischenstand beim Fußballspiel Dortmund gegen Bayern wird erfragt und von Noelle kommentiert mit: „Wir hatten so viele männliche Zuhörer nicht erwartet”. Die musikalische Nachtwanderung war gut besucht.
So war auch Willy Schneiders bekannter Schlager „Schütt die Sorgen in ein Gläschen Wein” für Noelle zwischen einem seiner virtuosen Besenspiele auf dem Schlagzeug Anlass, übers Weinbiet – gemeint ist nicht der Berg, sondern die Kellerei – und Weinköniginnen zu philosophieren: Und dabei Haas‘ alte Tonfilmschlager, wie „Heute Nacht oder nie” anzustimmen beim Noelle/Haas-Streifzug „from dusk till dawn”.
Die Nachtwanderung voller Irritationen, contra zärtlicher „Kleinen Nachtmusik” durch die vom Mondlicht transparent gemachten „beider Schatten”, ist neu geschriebene Musikgeschichte, die wie ein Verstärker der Gefühle wirkte.
Das Faszinierende war das Stimmenrepertoire ihres Instrumentariums. Noelle spielte mit seiner Stimme Trompete, Haas auf dem Kontrabass wie auf einer Gitarre, so verblüffend, dass nur der im Blickfeld sitzende nahe Zuschauer die Technik unterscheiden konnte.
Sie sind Meister der Reduktion, wenn sie „Ohrwürmern”, Popularmusik, brünstigem Glam-Rock, dem gespielten Horror des Popschauermärchens oder beim Herz-Schmerz-Volkslied alle Facetten der dunklen Seiten beleuchten, wie bei ihrer musikalischen Nachtwanderung mit Noelles versprochenem „Eselshauteffekt”, von der man träumen kann. (awk)
Der Kölner Kabarettist Heinrich Pachl ist in der Nacht von Samstag auf Sonntag gestorben.
Er zählte fraglos zu den politisch spitzzüngigsten deutschen Kabarettisten. Wen Heinrich Pachl in seinen Satireprogrammen verbal aufs Korn nahm, der hatte wahrlich wenig zu lachen. Die Zuschauer dafür umso mehr. In der Nacht zum Sonntag ist Pachl im Alter von 68 Jahren in Köln an einer schweren Krebserkrankung gestorben.
Für seine Bühnensoli ist Pachl, der im badischen Nordrach aufwuchs, mehrfach dekoriert worden – Deutscher Kleinkunstpreis, Deutscher Kabarett-Preis, Adolf-Grimme-Preis und einiges mehr. Er trat mit Richard Rogler, Matthias Beltz und Arnulf Rating auf – so wurde er einem großen Publikum bekannt. Im Fernsehen gastierte er vor einigen Jahren im Kölner „Tatort“. WDR-Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz würdigte Pachl gestern als einen „Meister der Politsatire“.
Das deutsche Kabarett verliert mit Heinrich Pachl einen seiner wortmächtigsten und unbarmherzigsten Protagonisten. Seine Stimme wird fehlen in Zeiten des medialen Komik-Overkills. Der Titel seines letzten Programms lautet: „Das überleben wir“.