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Der alte weiße Mann blickt zurück

Kultur Regional

Altersmilde? Kabarettist H. G. Butzko streift im Mußbacher Herrenhof durch die Weltpolitik und ist dabei deutlich versöhnlicher als früher

Von Regina Wilhelm

Ausverkauftes Haus, viele Lacher, eine Menge Applaus – H. G. Butzko verstand es am Samstag wieder einmal, das „Kabarettissimo“-Publikum zu begeistern. „Der will nicht nur spielen“ hieß das Programm, das der gebürtige Gelsenkirchener im Mußbacher Herrenhof vorstellte.

„Er war nicht ganz so bissig und anstrengend.“ So der Kommentar einer Zuschauerin am Ende der Vorstellung. Andere teilen diese Ansicht. Woran es wohl liegen mag? Ein Grund ist vielleicht, dass Butzko – nach eigener, mehrfacher Betonung – inzwischen zu den „alten weißen Männern“ zählt. In diesem Jahr feiert er seinen 60. Geburtstag.

Bevor der Künstler loslegt, weist er ausdrücklich darauf hin, „dass nicht alles, was ich sage, meine Meinung ist“. Es gehe ihm vielmehr um Meinungsbildung. Meinung, indes, „braucht Bildung“. Butzko warnt: Wer der Meinung sei, dass jede Pointe vorher zehn Minuten erklärt werden müsse, wer keine Meinungsvielfalt mehr ertragen könne, „für den gibt es eine Tür“. Sein Standpunkt, verdeutlicht er, befinde sich zwischen allen Stühlen. Und wer sich nicht für links oder rechts entscheiden könne, der werde an diesem Abend am eigenen Leib erfahren, wie sich ein Leberkäse zwischen zwei Brötchenhälften fühle.

Der alte, weiße Mann blickt zurück: „Wer heute mit 20 Jahren kein Revolutionär ist, hat kein Herz“, wandelt er ein bekanntes Zitat ab. Einschub: „Was ist mit Philipp Amthor?“. Und wer es mit 40 immer noch sei, habe kein Hirn. Mit 20 habe er Zivildienst geleistet – „das war Pflicht für alle, die nicht zur Bundeswehr gingen. Das erzähl’ mal den heutigen 20-jährigen“. Die Forderung von Strack-Zimmermann, die Wehrpflicht wieder einzuführen, habe Lindner verständlicherweise als „Gespenster-Diskussion“ tituliert. „Passt ins Bild.“ Lacher. 

Wer früher aber weder Wehr- noch Zivildienst leisten wollte, der zog nach West-Berlin. „Die einzige Stadt übrigens, bei der alle Himmelsrichtungen nach Osten zeigten.“ Alle, die damals hingegangen seien, säßen heute in den Berliner Ämtern und verwalteten die Stadt. Butzko dagegen blieb in Gelsenkirchen – eine Stadt, wo selbst die Primark-Filiale mangels Umsatz schließen müsse, eine Ganzkörper-Thrombose, in der ohne Stütze nichts gehe. 

Klare Hinweise auf das Insektensterben

Drastisch schildert der Kabarettist seine Aufgaben als Zivi, nicht ohne ein Beispiel für Ruhrpott-Humor zu geben: Der alte Mann, den er betreute, hieß ihn den Nachttopf ausleeren mit dem Kommentar: „Wären Sie wohl doch lieber zum Bund gegangen.“ Conclusio: „So wird man Revolutionär.“ Wie andere junge Leute in den 1980er-Jahren interessierte sich Butzko für den Umweltschutz. „Ich bin mit meinem VW 100 gefahren. Und musste trotzdem immer Insektenkadaver von der Scheibe wischen.“ Heute bretterten die SUV-Fahrer mit 240 über die Autobahn – „erwischen aber nur vier Käfer, zwei Marien- und zwei VW-“, kann Butzko auch albern. Seine Generation, beschreibt der Künstler, habe „mit 20 noch in ganzen Sätzen sprechen können“. Heute rechne sie Preise noch in D-Mark um und drucke Word-Dateien grundsätzlich aus. Aha. Wer Udo und gar Curt Jürgens und die Frage nach „Pelikan oder Geha“ kenne, habe nicht nur die 19, nein, die 18 vorm Geburtsjahr stehen, hänselt er weiter.

Irgendwann ist in der rechten Ecke kein Platz mehr

Schnitt. In all den Jahren habe sich einiges verschoben, bei ihm, aber auch in der Gesellschaft, meint Butzko. So hat er erschreckt festgestellt, dass er in der Pandemiezeit bei einer Bundestagsdebatte Gysi und Kubicki zugestimmt habe. Richtig empört über sich war er, als er sah, dass die einzige Abgeordnete, die applaudierte, Beatrix von Storch war. „Ob die Impfung wohl Nebenwirkungen hatte?“ Ein entlarvendes Beispiel für die AfD lässt er nicht aus: Die Partei forderte damals, Kitas und Schulen zu schließen und flächendeckend zu testen. Als die Regierung genau diesen Schritt unternahm, sprach die AfD von „Corona-Diktatur“. Die Linksextremisten wiederum gingen gegen die Rechten auf den Anti-Impf-Demos auf die Straße, unterstützten die Kampagne und so die „Bourgeoisie, die damit Geld verdiente“. „Marx rotierte im Grab.“ Tatsächlich seien alle, die seinerzeit die Regierung kritisierten, in die rechte Ecke gestellt worden. „Das geht so lang gut, bis dort kein Platz mehr ist.“ 

Massive Spaltungen und Verschiebungen macht Butzko in der Bewertung des Ukraine-Kriegs und des Nahost-Konflikts aus. Nicht weniger klar analysiert er das Auftreten und Gebaren des „von Gott persönlich ernannten“ neuen amerikanischen Präsidenten Trump und des russischen Präsidenten Putin, die sich anscheinend daran machten, die Welt unter sich aufzuteilen. Kritische Blicke wirft er außerdem auf die Ergebnisse der Pisa-Studie und auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Nein, da steht wahrlich keiner, der nur spielen will, sondern einer, der die Welt tiefgründig in allen Facetten beleuchtet.

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 23
DatumDienstag, den 28. Januar 2025
Seite16

HG. Butzko – 25.01.2025

Harmonie und Spaltung

Kultur Regional

H. G. Butzko, ein guter alter Bekannter, macht am kommenden Samstag den Jahresauftakt bei „Kabarettissimo“, der Kleinkunstreihe im Mußbacher Herrenhof. Bis zum Sommer können sich die Besucher über eine gute Mischung aus Wort- und Musikbeiträgen freuen, und auch ein Mentalmagier gibt sich die Ehre. 

Von Regina Wilhelm 

H. G. Butzko, der „seit 2007 regelmäßig, fast immer im Abstand von nur zwei Jahren, bei uns zu Gast ist“, wie „Kabarettissimo“-Leiter Uwe Kreitmann berichtet, stellt am 25. Januar sein neues Programm „Der will nicht nur spielen“ vor, in dem er sich vor allem der vielkonstatierten Spaltung der Gesellschaft widmet. Da bekämpfen sich Alt und Jung, Land- und Stadtbewohner, West und Ost. Und mittendrin er selbst, der allen Seiten Rechnung tragen will. Kreitmann, der das Programm schon kennt, verspricht „eine gelungene One-Man-Show mit einem Feuerwerk an Spitzfindigkeiten“. In seinen Augen ist Butzko, geboren 1965 im Rheinland und aufgewachsen in Gelsenkirchen, „einer der genialsten Kabarettisten Deutschlands“. Umso mehr freut es ihn, dass längst eine „gute Freundschaft“ besteht, der vielfach ausgezeichnete Künstler komme gern und werde von „unseren Abonnenten geschätzt“. 

Magische Illusionen und spritzige Lieder

Wegen Krankheit musste der Mentalmagier Christoph Kuch seinen geplanten Auftritt im vergangenen September kurzfristig absagen. Nun wird er zum Ersatztermin am 15. März erwartet und verspricht, unter dem Titel „Ich weiß“ die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Illusion zu verwischen. Bereits erworbene Karten für September behalten ihre Gültigkeit. Es gebe aber ebenso wie für alle anderen Veranstaltungen bis zum Sommer noch freie Plätze, sagt Kreitmann.

Widmet sich H. G. Butzko im Januar der Spaltung der Gesellschaft, kapriziert sich Matthias Ningel am 22. März auf „Harmonie“, die er in der Musik wie im Leben sucht und findet. „Kabarettissimo“-Chef Kreitmann ist dem Künstler erstmals auf der Kleinkunst-Börse 2018 in Freiburg begegnet . Im folgenden Jahr schon trat Ningel in Mußbach auf – „und gefiel“. Seine selbstgeschriebenen, „spritzigen“ Lieder, die er am Flügel begleitet, „strotzen vor überraschenden Wortfindungen“ und behandelten „gesellschaftliche Phänomene, aber auch Alltäglichkeiten, wie sie jeder und jedem passieren“, so Kreitmann. 

Die in und die vor der Glotze

Die oft bemühte Bezeichnung „Urgestein“ trifft, was die Sparte Kleinkunst betrifft, mit Sicherheit auf Arnulf Rating zu. Der bekannte Wortkabarettist ist seit 2006 ein beliebter Gast in Mußbach. „Tatsächlich war er aber fünf Jahre nicht mehr hier“, sagt Kreitmann. Nun sei es zum Glück wieder gelungen, den Berliner zu engagieren. Unter dem Motto „Tagesschauer“ wirft er am 26. April einerseits einen Blick auf die, die vor der Glotze sitzen, andererseits auf die, die dort vornehmlich zu sehen sind – die Politiker. Scharf geht er mit den amtierenden ins Gericht. Gespannt sein darf man, was er über die neue Bundesregierung – so sie denn dann schon im Amt ist – sagen wird. Neben der traditionellen Bildzeitung-Schlagzeilen-Analyse wird er – ganz modern – Einspieler aus den Nachrichtensendungen bringen. 

„Drei phantastische Stimmen und ein grandios gespieltes Klavier“ – so werden die „Schönen Mannheims“ vorgestellt. Die ausgebildeten Sängerinnen und Musikerinnen schauen am 17. Mai mit Songs und Comedy im Gepäck im Herrenhof vorbei. Anna Krämer – bekannt vom Duo „Twotones“ –, Susanne Back und „Operndiva“ Smaida Platais werden begleitet von Pianistin Stefanie Titus, „der Meisterin der hochgezogenen Augenbraue“, wie es in der Ankündigung heißt. „Glanzstücke – Beschd of 2.0“ nennt sich das neue Programm, das die vier Damen mitbringen, die zwar erstmals in der Corona-Zeit bei „Kabarettissimo“ auftraten, aber sich mit ihren mal witzigen, mal einfühlsamen oder auch traurigen „Liedern aus dem Leben“, ihren Kabbeleien, Wortspitzen und comedyhaften Einlagen in Mußbach schnell zu echten Publikumslieblingen entwickelt haben.

Die Sommerpause dauert diesmal etwas länger

Den Reigen im ersten Halbjahr beschließt am 14. Juni der österreichische Wahl-Schwabe Stefan Waghubinger, der unter dem Motto „Hab ich euch das schon erzählt?“ einen Rückblick auf Höhepunkte seines 15-jährigen Wirkens auf der Bühne präsentiert, wobei er aktuelle Katastrophen nicht ausspart. Als „echte Rampensau, die voll losbrettert“, beschreibt Kreitmann den Künstler. „Es ist herrlich, seinem Gepolter zuzuhören.“ 

Nach einem „super-tollen 2024“ hofft der „Kabarettissimo“-Gründer und -Leiter, dass es 2025 so weitergeht. „Wir haben viel gelacht“, meint er rückblickend. Ohne die anderen schmälern zu wollen, erwähnt er als seine persönlichen Glanzlichter die Auftritte von Ulrich Michael Heissig alias „Irmgard Knef“ und des Kabarett-Tubisten Andreas Martin Hofmeir. Zufrieden ist er mit den aktuell 85 Abos, „die auch für uns sprechen“. Neu ist die Möglichkeit, Gutscheine zu erwerben. Die Eintrittspreise seien dabei gleichgeblieben, so Kreitmann. Ein Wermutstropfen dagegen: die zweite Jahreshälfte startet erst sehr spät, am 24. Oktober, mit Mathias Tretter und seinem Programm „Souverän“. Grund sind anstehende Bauarbeiten im Herrenhof. 

NOCH FRAGEN?
Alle Veranstaltungen finden im Festsaal im Kelterhaus des Herrenhofs in Neustadt-Mußbach statt und beginnen jeweils um 20 Uhr, Ausnahme ist der Magier-Abend am 15. März, der um 20.30 Uhr startet. Karten (27,40 oder 28,50 Euro) bei Dürninger Tabak & News (vormals Tabak Weiss) in Neustadt oder online mit Print@Home über Ticket-Regional unter www.kabarettissimo.de/tickets. Foto: Torsten Silz

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Unterhaardter Rundschau – Nr. 18
DatumMittwoch, den 22. Januar 2025
Seite15