Von Andrea Dölle
Neustadt-Mussbach. Thomas Jehle an der Gitarre, Mario Fadani, Bass, Peter Laux am Schlagzeug, Walter Sielski, Flügelhorn und Trompete, sowie Knut Rössler, Tenorsaxophon, sind fünf sehr erfahrene Jazzmusiker aus der Pfalz und Kurpfalz, die alle auch in anderen Formationen oder Bigbands unterwegs sind. Hier spielten sie in einem entspannten, unaufgeregten Stil: weit ausschwingende Melodien in eher gemächlichen Tempo, die viel Platz ließen für zahlreiche Solo-Einlagen und Improvisationen. Sie scheinen das Understatement zu lieben, machen nicht gerne groß von sich reden. Man muss schon genau zuhören, um zu merken, welche Klasse sie haben. Die Zuhörer wussten und hörten es offenbar. Die kleine Kirche war sehr gut besucht, man war schnell warm miteinander – im übertragenen Sinn, denn es war eher kalt in den gotischen Mauern –, und der Beifall gewann von Stück zu Stück an Dauer. „Sie hätten gar nicht so lange klatschen müssen“, war eine typische Ansage von Knut Rössler, der mit trocken-hintergründigem Witz moderierte.
Das Konzert war zweigeteilt: Vor der Pause gab es Stücke von Jazzmusikern, die von den Mitgliedern des Quintetts besonders geschätzt werden, und das waren nicht unbedingt solche, deren Namen in aller Munde sind. Nach der Pause gab es eigene Kompositionen zu hören – nahezu jeder der Fünf ist auch begabter Jazzkomponist oder Arrangeur. Auch über dem Umgang mit dem Kompositionen Anderer hatte Knut Rössler in seiner lakonischen Art Erhellendes zu sagen: „Sie wissen, wie das ist – man spielt den Anfang und das Ende korrekt, und dazwischen machen die Musiker, was sie wollen.“
Das waren dann zum Beispiel Stücke vom Saxophonisten Wayne Shorter. „Ana Maria“ war ein ruhiger, nahezu zärtlicher Titel, bei dem sich das Flügelhorn von Walter Sielski mit dem Saxophon von Knut Rössler abwechselte. Auch mit Echo-Effekten spielten die beiden. Es schadet nicht, zu wissen, dass Shorters Frau Ana Maria hieß und bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. „Simone“ war ein Stück des Saxophonisten Frank Foster, ein „Dreier“: drei Schläge pro Takt, „nicht, dass sie an was anderes denken“, so Knut Rössler. Gitarrist Thomas Ehle, der hier eine akustische Gitarre einsetzte, spielte mit Rössler am Saxophon ein Duo von Pat Metheney, bei dem die Gitarre die Hauptrolle spielte und das Saxophon lediglich zusätzliche Akzente setzte.
In der zweiten Hälfte des Konzerts kamen eigene Stücke. Mario Fadani begann mit einem ausgedehnten und sehr variationsreichen Bass-Solo, dann folgte Walter Sielski mit seinem Stück „Judith please me“: Flügelhorn und Bass begannen, viel später setzte das Schlagzeug ein, und noch später wechselte die Melodie zum Saxophon. Judith ist Walter Sielskis Tochter und gab so die Vorlage für das Wortspiel. Sielski beschränkte sich an diesem Abend allein auf das Flügelhorn, das mit seinem weichen, vollen Klang gut zur Akustik des Raumes passte. Weich und leise – meist mit den Besen – spielte auch das Schlagzeug von Peter Laux, der sich so dem Ort anpasste. Thomas Ehle folgte mit zwei eigenen Stücken, und das letzte Stück „Silence“ sei nur für diesen Abend gedacht, versicherte Rössler. Es waren ruhige, langsam ausklingende Töne, die den Stil bestimmten. Natürlich gab es noch eine laut eingeforderte Zugabe. Die Beschallungstechnik, die letztes Jahr noch Probleme machte, war übrigens einwandfrei.
Von Inge Kirsch
Worum ging es? Wie bei Kabarettisten üblich, um die absurden Zustände dieser Welt. Da kommt keiner um Themen wie Trump, AfD, Digitalisierung oder künstliche Intelligenz herum. Und Tretter nicht mal um Sarrazin oder Helene Fischer.Das kennt man schon, da kommt es an auf das Wie. Und da ist Tretter ein Meister seines Fachs. Er ist einmal die Person, die mit dem Publikum spricht, andererseits seine Frau, sein Freund Ansgar oder sein siebenjähriger Sohn. Es entwickeln sich Dialoge zwischen ihm und diesen Personen, die er mit leicht veränderter Stimme oder Dialektfärbung darstellt. Dazu braucht er nur einen Stuhl, auf dem er mit der Lehne nach vorne sitzt und – je nachdem, wer spricht – den Kopf dreht. Das ist sehr gekonnter Minimalismus auf der Bühne.
Zweites Requisit ist ein Stehtisch, an dem er Reden hält, als Ansgar oder als seine eigene Bühnenfigur. Ansgar will eine Partei gründen, die als atheistische Partei rechts von der AfD, aber gleichzeitig links von den Grünen sein soll. Die Tischkante umklammert er, während er eine Rede beim Gründungsparteitag hält, in wichtigtuerischer Körperhaltung. Tretter ist ein guter Schauspieler. Auch Angela Merkel hat einen kurzen Auftritt, unvermeidlich mit Raute und Mundwinkeln. Frappierend ist aber vor allem seine Sprache. Sehr schnell, sehr originell. Man muss genau zuhören. Das Publikum ist aufmerksam, er kann die Zuhörer die ganze Zeit interessieren und amüsieren.
Sein Freund Ansgar ist Doktor der Philosophie, hat eine Anstellung an der Universität, allerdings als Hausmeister. So bringt Tretter als weitere Themen die problematische Anstellungssituation an deutschen Unis und die Absurdität hochtrabend klingender englischer Ausdrücke. Ansgar ist natürlich nicht Hausmeister, sondern teils Caretaker, teils Facility Manager. Das verschwurbelte Marketing-Gerede, wie er seine Aufgabe beschreibt, die Putzfrauen zu organisieren, kann man nur staunend zur Kenntnis nehmen, aber kaum zitieren.
Lieblingsbeschäftigung von Ansgar und Mathias ist „Windowing“, wobei sie sich dem „Chilling“ hingeben: im Fenster liegen und beobachten, was auf der Straße passiert. Gegenüber ist ein „Späti“, an dem die „Sprittis“ sitzen, stehen oder liegen. Mit wenigen Gesten beschwört Tretter die früheren Gewohnheiten von Rentnern herauf, die stundenlang auf ein Sofakissen gestützt die Nachbarschaft noch analog im Blick hatten.
Kann man überhaupt noch etwas erzählen, ohne mit den Anforderungen der politischen Korrektheit ins Gehege zu kommen? Da hat er ein einfaches Rezept: Macht es wie die Schwulen! Diese Bezeichnung, früher eine Beleidigung, wurde durch häufigen Gebrauch respektabel gemacht. Darauf folgt eine Suada voller Zigeunerschnitzel und Negerküsse, für die man von der Sprachpolizei sofort verhaftet würde. Auch die tollsten Verschwörungstheorien kann er als Ansgar in Windeseile formulieren. Alle kriegen ihr Fett weg, auch die, die alles, aber bloß keine Spießer sein wollen, die „toleranten Elektromobilitäts-Inklusions-Windkraftveganer“