Von Inge Kirsch
Worum ging es? Wie bei Kabarettisten üblich, um die absurden Zustände dieser Welt. Da kommt keiner um Themen wie Trump, AfD, Digitalisierung oder künstliche Intelligenz herum. Und Tretter nicht mal um Sarrazin oder Helene Fischer.Das kennt man schon, da kommt es an auf das Wie. Und da ist Tretter ein Meister seines Fachs. Er ist einmal die Person, die mit dem Publikum spricht, andererseits seine Frau, sein Freund Ansgar oder sein siebenjähriger Sohn. Es entwickeln sich Dialoge zwischen ihm und diesen Personen, die er mit leicht veränderter Stimme oder Dialektfärbung darstellt. Dazu braucht er nur einen Stuhl, auf dem er mit der Lehne nach vorne sitzt und – je nachdem, wer spricht – den Kopf dreht. Das ist sehr gekonnter Minimalismus auf der Bühne.
Zweites Requisit ist ein Stehtisch, an dem er Reden hält, als Ansgar oder als seine eigene Bühnenfigur. Ansgar will eine Partei gründen, die als atheistische Partei rechts von der AfD, aber gleichzeitig links von den Grünen sein soll. Die Tischkante umklammert er, während er eine Rede beim Gründungsparteitag hält, in wichtigtuerischer Körperhaltung. Tretter ist ein guter Schauspieler. Auch Angela Merkel hat einen kurzen Auftritt, unvermeidlich mit Raute und Mundwinkeln. Frappierend ist aber vor allem seine Sprache. Sehr schnell, sehr originell. Man muss genau zuhören. Das Publikum ist aufmerksam, er kann die Zuhörer die ganze Zeit interessieren und amüsieren.
Sein Freund Ansgar ist Doktor der Philosophie, hat eine Anstellung an der Universität, allerdings als Hausmeister. So bringt Tretter als weitere Themen die problematische Anstellungssituation an deutschen Unis und die Absurdität hochtrabend klingender englischer Ausdrücke. Ansgar ist natürlich nicht Hausmeister, sondern teils Caretaker, teils Facility Manager. Das verschwurbelte Marketing-Gerede, wie er seine Aufgabe beschreibt, die Putzfrauen zu organisieren, kann man nur staunend zur Kenntnis nehmen, aber kaum zitieren.
Lieblingsbeschäftigung von Ansgar und Mathias ist „Windowing“, wobei sie sich dem „Chilling“ hingeben: im Fenster liegen und beobachten, was auf der Straße passiert. Gegenüber ist ein „Späti“, an dem die „Sprittis“ sitzen, stehen oder liegen. Mit wenigen Gesten beschwört Tretter die früheren Gewohnheiten von Rentnern herauf, die stundenlang auf ein Sofakissen gestützt die Nachbarschaft noch analog im Blick hatten.
Kann man überhaupt noch etwas erzählen, ohne mit den Anforderungen der politischen Korrektheit ins Gehege zu kommen? Da hat er ein einfaches Rezept: Macht es wie die Schwulen! Diese Bezeichnung, früher eine Beleidigung, wurde durch häufigen Gebrauch respektabel gemacht. Darauf folgt eine Suada voller Zigeunerschnitzel und Negerküsse, für die man von der Sprachpolizei sofort verhaftet würde. Auch die tollsten Verschwörungstheorien kann er als Ansgar in Windeseile formulieren. Alle kriegen ihr Fett weg, auch die, die alles, aber bloß keine Spießer sein wollen, die „toleranten Elektromobilitäts-Inklusions-Windkraftveganer“