Neustadt-Mussbach. „Florian Schroeder ist schwer zu buchen“, sagte „Kabarettissimo“-Chef Uwe Kreitmann bei der Vorstellung des aktuellen Halbjahresprogramms im Herrenhof. Am Samstagabend war der Kabarettist aus Berlin wieder mal da – und bewies vor ausverkauftem Haus, warum sein Terminkalender so voll ist: Der Mann ist gut. Richtig gut sogar.
„Entscheidet Euch!“ hat Schroeder sein aktuelles Programm überschrieben, und darin geht es punktgenau um so ziemlich alles, was seine Generation – die der heutigen Mittdreißiger – so umtreibt. Darum, dass man alle Optionen kennen sollte, um gute Entscheidungen zu treffen, aber auch darum, überhaupt Entscheidungen zu treffen. Dazu bedarf es natürlich zunächst des Vergleichs, sei es beim Kauf eines Laptops im „Media Markt“ oder bei der Auswahl des Abendessens beim Stamm-Italiener. Immer läuft man Gefahr, nicht die beste aller denkbaren Entscheidungen zu treffen, was unwiderruflich Reue nach sich zieht – wobei langfristige Reue wiederum meist die Konsequenz davon ist, überhaupt keine Entscheidung getroffen zu haben. Also: „Entscheidet Euch!“Wobei man im Zweifel immer auch geneigt ist, die Entscheidung zu delegieren. Beim Italiener beispielsweise mit der Frage nach einer Empfehlung des Hauses, die allerdings möglicherweise mit dem Hinweis „Alles gut!“ nicht wirklich weiterhilft. Und so geht es denn los mit dem Vergleichen – der „Vorhölle der Entscheidung“, wie Schroeder es nennt. Fisch, Fleisch, Pasta und alle denkbaren Kombinationen werden abgewogen, um schließlich doch wieder wie immer bei der „Pizza Nummer 17 mit doppelt Käse“ zu landen. Schroeder unterscheidet dabei zwischen zwei Menschentypen: den Optimierern und den Gelassenen, die das wollen, was gut genug ist – und damit letztlich zufriedener durchs Leben gehen.
Ausgehend von dieser These beackert Schroeder in atemberaubender Geschwindigkeit und mit beeindruckend hoher Pointendichte allerlei Lebensfelder von der Partnersuche über den Arbeitsmarkt bis hin zur Politik und aktuellen Themen, die die Medien beschäftigen. Dabei macht er aus seinem Herzen keine Mördergruppe, beispielsweise wenn er die Band „Glasperlenspiel“ und deren Songtexte zum „Elektroschrottpop“ für all jene, denen Helene Fischer zu anspruchsvoll ist, erklärt, oder das Paar Till und Tina nach Schwangerschaft und Geburt von der Freundschaft zur Bekanntschaft downgradet. Auch für den Einkauf „offline“ im Einzelhandel bricht Schroeder die Lanze, denn die unzähligen Kommentare der Internet-Einkäuferfraktion könnten den zwischenmenschlichen Kontakt und das im Optimalfall sinnstiftende Beratungsgespräch keinesfalls ersetzen.
Eine Million Flüchtlinge integrieren zu müssen, hält Schroeder angesichts der mehr oder minder gelungenen Integration von fast 18 Millionen DDR-Bürgern vor 25 Jahren für eine übersichtliche Aufgabe. Außerdem müsse die Bundesrepublik ja jedes Jahr noch rund eine Million Kinder aufnehmen – „bloß weil sie halt hier geboren sind“.
Die beiden Merkel’schen Meta-Ebenen beim Umgang mit Jan Böhmermanns Schmähgedicht gegenüber dem türkischen Staatspräsidenten hält Schroeder für erstklassige Satire-Schule: Angesichts des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Majestätsbeleidigungsparagraphen – „das ist für Erdogan die Gesetzgebung der Zukunft“ – sei es schon ein Kabinettstückchen, die Vorschrift nur noch einmal anwenden zu wollen, bevor sie denn abgeschafft würde. Wie im angesagten Edel-Club müsse eben auch bei Europa im Jahr 2016 ein türkischer Assi-Türsteher dafür sorgen, dass drinnen „weiter gemütlich gefeiert werden kann“.
„Dummheit ist erwünscht“, sagt er zu den vielen Schutzzonen, die Staat und Politik rund um den modernen Menschen errichtet, sei es bei der sprachlichen Korrektheit oder bei Andrea Nahles’ gescheitertem Versuch, den Paternoster zu verbieten. Helikopter-Eltern bereiteten das Scheitern ihrer Brut förmlich vor, denn sie nehmen ihren Kindern die Erfahrung, die sich Schroeder eigentlich vom Leben wünscht: den Mut zum Fehler, das Risiko des Scheiterns in Kauf zu nehmen – denn sonst stürbe man zwar beschützt, aber auch sprichwörtlich zu Tode gelangweilt.
Und das waren die Herrenhof-Besucher am Ende des Programms sicherlich keineswegs.
Von Claus Jürgen Holler