Neustadt-Mussbach. Welche Anziehungskraft das Kabarett der Weimarer Zeit heute noch besitzt, zeigte sich am Samstag in der Reihe „Kabarettissimo“ im voll besetzten Festsaal im Kelterhaus des Herrenhofs. Vor allem, wenn eine Kapazität wie der Niederländer Robert Kreis, einer der Väter der Retrowelle, Musik und Texte von damals präsentiert und aus seinem Leben plaudert.
„Hoppla, jetzt komm ich“ ist ebenso selbstbewusst wie selbstironisch eine der ersten musikalischen Aussagen des neuen Programms „Manche mögen’s Kreis!“ Der Titel ist die Weiterentwicklung eines in der Weimarer Zeit bekannten Couplets über die Verschiedenheit der Menschen: „Manche mögen’s heftig, manche mögen’s heiß, manche mögen’s deftig, doch „Manche mögen’s Kreis!“. Ein Spiel mit Reimen, aber auch ein Beispiel dafür, mit welchen stilistischen Mitteln sich der Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart schlagen lässt. Und das tut der Kabarettist und Entertainer immer wieder, sei es durch Weiterführen eines bekannten Textes oder direkte Vergleiche von Situationen der damaligen mit der heutigen Zeit – zum Thema Flüchtlinge beispielsweise, die damals wie heute auch von dem Gedanken getrieben wurden: „Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines Stückchen Glück“. Ganz still sitzt er da am Flügel im Rampenlicht, mit einem fast starren Gesicht, hell geschminkt, doch mit knallroten Lippen, schwarzen Brauen und dem Menjou-Bärtchen, das zu seinem Markenzeichen geworden ist. Ebenso still verharrt das Publikum bei diesem Lied, das nur ein Beispiel für die vielen Lieder mit Tiefgang aus dieser Zeit ist und auch heute noch Gänsehaut erzeugen kann.Ansonsten ist Kreis, der in seinem eleganten schwarzen Anzug mit den weiten Hosen auch optisch die perfekte Illusion einer zu Ende gegangenen Epoche erweckt, ein Großmeister der Mimik. Da kann er sich bei zum Nachdenken anregenden Liedern mit hintergründigen Texten ebenso austoben wie bei frivolen Werken. Seine umwerfende Mimik begleitet Wortspiele in Schlagern, deren Texte voller Witz und Ironie stecken, oder Gassenhauern, die, wie Kreis selbst sie vorstellt, einfach nur „schön doof“ sind.
Kreis ist ein Sammler. Er sammelt unter anderem Noten und Vortragsbücher aus der Weimarer Zeit mit Witzen und Bonmots, wird fündig in Bibliotheken, Antiquariaten und im Internet. Doch er hortet nicht nur, er gibt seine Sammlung, liebevoll und geschickt arrangiert, weiter an sein Publikum und bewahrt so ein wichtiges Stück Kultur, das vielen auf den ersten Blick nur amüsant erscheint, vor dem Vergessenwerden.
Auch die Erinnerungen des Künstlers an seine Kindheit und seinen Werdegang spiegeln ein Stück Weltgeschichte wider; sie sind auch Erinnerungen an längst vergangene politische Gegebenheiten, an untergegangene Imperien und den Kolonialismus. Kindheitsträume aber auch von einer Welt voller Wärme und bunter Farben, Erinnerungen an Abenteuer und eine freiheitliche Erziehung. Auch wenn nicht alles Gold gewesen sein kann, als die Mutter ihren Mann verlassen hatte und aus Java mit den Kindern in die Niederlande zurückreiste: Die Bemühungen der Mutter um einen neuen Vater für die Kinder schildert der Kabarettist mit umwerfender Komik. Ebenso Stationen seiner Ausbildung in der Schule: die Französischlehrerin, die mit Hilfe eines Stocks die Konjugation der Verben eindrillt; der Gesangsunterricht bei der rumänischen Lehrerin an einer Kleinkunstschule in Den Haag, an der er studieren konnte, nach dem er drei Jahre zur See gefahren war und unter anderem Unterhaltungsmusik spielte. Sein Weg zum „Hoppla, jetzt komm ich“ war eine grundsolide Ausbildung in Theater, der Kunst des Sprechens, Gesang und Tanz.
Die Kleinkunstbühne im Herrenhof präsentierte mit Robert Kreis einen Hochkaräter. Mit Charme und Geist erntete er Lachen, das aus dem Herzen kam, aber auch Nachdenklichkeit und begeisterte Beifallsstürme.
Von Hildegard Janssen-Müller