Genial-banal

Rheinpfalz, Kultur Regional

Am Auftritt des Musikkabarettisten Marco Tschirpke bei „Kabarettissimo“ im Mußbacher Herrenhof scheiden sich die Geister

Hier geht´s zum Veranstaltungshinweis

Neustadt-Mussbach. Die Meinungen gingen weit auseinander nach dem Auftritt von Marco Tschirpke am Samstagabend in der Reihe Kabarettissimo im Mußbacher Herrenhof: Die einen finden den Musikkabarettisten „brillant“, die anderen „nicht besonders“. Applaus spendete das Publikum trotzdem, auch wenn der Künstler sich – spaßeshalber – die Zugabe einfach selbst herbeiklatschte.
Marco Tschirpke ist nach eigenen Angaben tatsächlich schon 40 Jahre alt. Er wirkt jedoch eher wie ein End-Teenager oder Anfangs-Twen: Jungenhaft, scheinbar unsicher, über sich selbst und seine Witze lachend, sprunghaft. Dass dieses Gebaren zu seinem Programm „Am Pult der Zeit“ gehört, versteht sich, es wirkt aber ungemein authentisch.Bereits mit dem Programm-Titel gibt der Künstler den Weg vor: Bewusste Buchstaben- und Wortdreher, Verfremdung von Begriffen und Inhalten sind sein Metier. Wie mit den Tasten auf seinem Flügel spielt er mit den Wörtern, fügt sie zu ungewöhnlichen Kombinationen zusammen und sorgt auf diese Weise für manchen Überraschungseffekt. So erklärt Tschirpke, dass er sich bei seinen Werken nicht am Zeitgeist orientiere: „Hätte ich den Nerv der Zeit treffen wollen, wäre ich Anästhesist geworden.“ Dass der Satzbau schlicht ist und nur als Hilfskonstrukt dient, vergisst er ebenfalls nicht zu erwähnen.Tschirpkes Sentenzen, kleine Gedichte oder Texte kommen oft so einfach und banal daher, dass sie schon wieder genial sind. Kurz und knackig – manchmal ein wenig an Heinz Erhardt oder im weitesten Sinne an Joachim Ringelnatz erinnernd – präsentiert er seine in Reime gegossenen Erkenntnisse. Allerdings, räumt er ein, müsse in Deutschland seit 1945 auf den Endreim verzichtet werden. Und so legt der Kabarettist los: „Nachtgedanken – Kein Tier in der Savanne schnarcht so wie du, Susanne.“ Ähnlich das Gedicht übers Staubwischen: „Auf den Birkenholzfurnieren, die die Spanplatten kaschieren, schieb ich hin und her das Tuch. Und weshalb? Es kommt Besuch.“

Wie ein Laie, der zum ersten Mal vor Publikum spricht, erklärt Tschirpke oft vor oder während seines Vortrags, was er damit sagen möchte, schaut naiv und fast Mitleid erheischend nach unten zu den Zuschauern. Dem klaren Hang zum Understatement frönt der glaubhaft. Er wisse, so sagt er bereits zum Auftakt, dass schon seine Eingangsmusik sehr exotisch, ja zirkusartig sei. Aber, schiebt er gleich nach, „Sie müssen nicht alles durchwinken, Sie dürfen auch aufstehen und buh rufen.“ Denn „indem man Käse beklatscht, vermehrt er sich nur“. Damit nimmt Tschirpke bereits dem letzten Kritikaster den Wind aus den Segeln.

Der Kleinkünstler, der von den Kritikern „um Gottes Willen nicht als Schwiegermuttertyp tituliert werden möchte“, kommt aber genau beim weiblichen Geschlecht jenes Alters an. Nicht zuletzt, weil sein Gedicht, das er mit zehn Jahren für seine Mutter geschrieben und nun mit verzerrter Kinderstimme vorträgt, so süß ist. Nein, es habe in all den Jahren absolut nichts von seiner Patina eingebüßt, betont er treuherzig. Damals, als Junge, habe er noch vorgehabt, später einmal zur Armee zu gehen, blickt der 40-Jährige zurück. Nach dem Abitur habe er Berufsrevolutionär werden wollen – gelandet sei er schließlich bei der Kleinkunst. Und schon hüpft er wieder zu einem anderen Thema – ach ja wieder die Frauen, immer für einen kleinen Einwurf gut. Für die im Zuschauerraum schlägt er – ganz charmant – „passend zur Altersgruppe“ ein paar Takte von Richard Claydermans „Ballade pour Adeline“ an. Romantische Träume lässt er aber erst gar nicht aufkommen, denn schon singt er: „Manchmal denke ich zurück an Adeline, schon träume ich von der Guillotine“, „pour Richard“.

Und dann gewährt Tschirpke doch noch einen Einblick in seine ganz persönlichen Favoritinnen. Im vergangenen Sommer habe er in Magdeburg eine Reiterin kennengelernt. Diese habe ihn zu Pferdeliedern inspiriert, die „auf keine Kuhhaut gehen“; im Stile von „Vielleicht hast du dich verzettelt, als du mit zwölf Papa ein Pferd abgebettelt…“. Den Absprung habe sie nie geschafft, fügt er süffisant hinzu. Auch sein letzter Titel „Felicita“, ursprünglich von Albano und Romina Power, scheint zunächst ein Liebeslied zu sein, bis Tschirpke die Katze aus dem Sack lässt: der Song handelt von einem Pferd, von dem er so die Schnauze voll hat, dass er froh ist, dass es das Zeitliche gesegnet hat.

Marco Tschirpke plappert von diesem und jenem, flicht noch ein paar nette Zeilen über den vergangene Woche verstorbenen Harry Rowohlt ein, erinnert an Hilde Domin und lässt sich über die Malerei des 17. Jahrhunderts aus. Nein, wirklichen Sinn ergibt das alles nicht, aber es ist einfach herrlich komisch und animiert häufig zu befreiendem, – und wenn schon – albernem Lachen.

Von Regina Wilhelm