Schon die Erscheinung erzeugt den ersten Lacher. Eine wilde Haarmähne, die in alle Himmelsrichtungen steht, ein helles, mit überdimensionierten orangefarbenen Blumen bedrucktes Hemd und passend zum Anzug orange-graue Sportschuhe. So hüpft Urban Priol auf die Bühne des Herrenhofs in Mußbach, den er am Freitagabend ganz vereinnahmt. Und das Publikum, das den Raum bis auf den allerletzten Platz füllt, lässt sich mitreißen und anstecken von Priols komisch-hintergründigen Art.
Der wascheschde Bayer aus Aschaffenburg deckt ein breites Spektrum an Themen ab, das gemäß dem Titel seines neuen Programms ¸¸Täglich frisch“ Brandaktuelles einfließen lässt. Ob das vorzeitige Ausscheiden der Deutschen bei der Fußball-EM und die erfolglose Suche nach einem neuen Bundestrainer oder der frisch vereidigte Bundespräsident, der Kabarettist hat für alles und jeden Erklärungen, Lösungen und Anmerkungen parat.
Wie ein roter Faden zieht sich sein eigenes Schicksal durch die Vorstellung: die vor der Tür stehende Scheidung – „ich lass sie aber nicht herein“ -, die Menschen von der Bank, die die Tilgung der Schulden anmahnen oder seine „Fehl“-Investition in ein Gebäude in der Innenstadt, das er nun, die Hürden der deutschen Bürokratie nehmend, in eine Kulturstätte oder ein Lokal zu verwandeln sucht. Um diese Episoden ranken sich Priols bissige, witzige, aber immer das Herz des Zuhörers treffende Kommentare zu Politik und Wirtschaft, zu Gesellschaft und Religion. Es sind die nichtgelösten Sozial- und Rentenfragen, die unfähigen, aber horrende Summen einstreichenden Manager, der Kopftuch-Streit oder der immer noch nicht gerechtfertigte Irak-Krieg mitsamt den Anstiftern, die ihn umtreiben.
In Windeseile springt er im wahrsten Sinne des Wortes von einem Thema zum anderen. Eben ist er noch Gerhard Schröder, „ich sach“ mal …“, im nächsten Moment Edmund Stoiber, „äh, ja und .. äh, … alles für Deutschland“ oder Arnold Schwarzenegger, „I trust in Califurnia“. Er simuliert den ständig jammernden Deutschen, den „personal analyst coach“, kurz „Pac“, der den „Depperl-Test“ leitet, oder den „Pseudo-Gebildeten“, der im Lokal das mit Barrique-Wein gefüllte Glas salbungsvoll schwenkt, aber „Gnotschis“ bestellt. Es sind die abstrus anmutenden und doch treffenden Vergleiche, die bizarren und doch stimmigen Schlüsse, die scheinbar weit hergeholten und doch passenden Verbindungen, die das Können des bayerisch-fränkischen Kabarettisten ausmachen. Stark seine Mimik und Gestik, die das Gesagte unterstreichen. Urban Priol gibt viel, aber er verlangt auch viel. Das Publikum muss sich auf ihn einlassen, muss sein Tempo aufnehmen, um ihm zu folgen; denn Zeit zum Nachdenken gewährt er nicht: Wer stoppt, hat verloren.
Zum Ausklang setzt auch dieser Meister seines Fachs auf altbewährte Klischees, die auf offene Ohren treffen: Die nervende Werbung im Radio wie beispielsweise „Seitenbacher-Müsli“, das fast jeden autofahrenden Hörer aus dem Fenster springen lässt, hat er genauso im Visier wie den Kampf der Geschlechter, „alle Frauen wollen am liebsten jeden Samstag zu Ikea“.
Zu einem Höhenflug unter dem Einsatz aller Mittel seiner Kunst setzt der Kabarettist am Ende nochmals mit seiner Vision vom Weltuntergang an. Aber er bremst gleich jegliche Hoffnung der Deutschen auf eine gute Lösung aus: „Der Notausgang, der allein Rettung verspricht, entspricht leider nicht der ,Deutschen Industrie Norm“, sagt das Bauamt.“
Der Funke, der bereits am Anfang aufs Publikum übergesprungen ist, entlädt sich schließlich in einem Feuerwerk dröhnenden Applauses. Das wiederum animiert den Künstler noch eins draufzusetzen, bevor endgültig das Licht gelöscht wird, und Priol am Tresen gemütlich ein Bier schlürft.