Niemand ist sicher: Weder Baden(s)er, Ostdeutsche, Amerikaner, Politiker, Lehrer noch Profi-Eltern, und natürlich auch Wellness-Fitness-Gesundheits-Junkies nicht. Christian Habekost holte am Samstag im Mußbacher Herrenhof mit seinem neuen Programm „Der Wellnässer“ zum kabarettistischen Rundumschlag aus.
„Liebe Kursteilnehmer und Innen“, begrüßt eine Stimme aus dem Off im badischen Idiom das Publikum zum „Wellnäss“-Kurs. Chako Habekost betritt die Bühne und legt los: „Angela Merkel als Schleimeinlauf direkt in Donald Rumsfelds Enddarm.“ Und: „Ich hab“ bezahlt, warum soll ich jetzt lachen“, entgegnet er dem zögerlich verschämten Grinsen der Zuschauer. Durch den kurpfälzischen Einschlag und seine unvergleichliche Mimik gerät dies jedoch nicht zur Publikumsbeschimpfung, sondern zum ersten kollektiven Lacher des Abends.
Es folgen Originalzitate aus dem Bohlen-Buch, Erwägungen zum Besuch eines Walddorf-Kindergartens und Erinnerungen an die Jugend mit „Deep Purple“ und „AC/DC“. Jetzt steh ich mehr auf Weltmusik: maledivische Korallen-Choräle und Dschihad-Wiegenlieder“, sagt der zum „Wellnässer“ Gewandelte. Habekost zeigt sogar Verständnis für die Lehrer unter den Zuschauern: Auch er habe sich jeden Tag über das Niveau der „Dschungel-Show“ auf RTL geärgert – nach kurzer Bedenkzeit kommt auch hier das Gelächter. Außerdem seien die Lehrkörper ja heutzutage in Erklärungsnot: „Wie soll man die Unmoral von Käfighaltung vermitteln, seit es das Lager in Guantanamo gibt?“. Damit ist der Kabarettist bei seinem neuen Lieblingsfeindbild, zu dessen Ungunsten er sogar die Pädagogen verschont. Das Publikum tobt.
„Zu politisch, zu wenig Mundart“, urteilt dennoch mancher in der Pause über das neue Programm. „Ich bin schon immer zweigleisig gefahren. Es gibt ein reines Mundartprogramm und ein überregionales“, entgegnet der promovierte Philologe Habekost, und betont, er lasse in der Region schon etwas mehr Pfälzisch einfließen „als im übrigen Deutschland“. Und wie ist es mit dem Bush-Volk? „Die meisten Leute, selbst die konservativeren, sind froh, dass es mal jemand ausspricht“, sagt „Chako“.
Nach der Pause herrscht dann pure „Wellnäss“ im Herrenhof. Habekost kommt im Bademantel auf die Bühne und berichtet von seiner Eigenurintherapie: „Der hat so komisch geschmeckt. Ich benutze jetzt den Morgenurin der Thailändischen Seekuh.“ Ein Glockenspiel ruft unvermittelt zur nächsten Entspannungsübung – unter Leitung eines „Badenser“-Trainers. Diese abrupten Überleitungen ziehen sich durch das ganze Programm – eine im Kabarett ungewohnte, aber angenehme Dynamik. Habekost versucht nicht auf Teufel, komm raus mit verschachtelten Sätzen vom einen zum anderen zu kommen. Er macht zwischen den Szenen einen sauberen Schnitt und vermeidet damit erzwungene Passstücke im Text.
Da ist er endlich: Der Pfälzer in der „Wellnäss“-Oase. Schon nach den ersten Wörtern gibt es im Saal des Herrenhofs kein Halten mehr. „Ich mit em blähende Hülsefresser im Aroma-Bad“, berichtet Habekost und geht in der Sauna so detailliert und schamlos unter den Frottier-Gürtel des Bademantels, dass es eine wahre Pracht ist: „Do hän manche Teile, die sehen aus wie vum Second-Hand.“ Unter die unterste Schublade hat Habekost die oberste gestellt und den Boden durchgesägt. Was der Pfälzer von sich gibt, ist nicht einfach nur plump und zotig. Er sagt es, wie es ist: auf eine offene, ehrliche und selbstironische Weise, in der die wahre Essenz brodelt.
Habekost schafft es dabei, jedes Thema – auch ernste – zu streifen, ohne zu ernst genommen zu werden oder gar den moralischen Zeigefinger zu heben. Seine Mimik, Gestik, sein Dialekt und nicht zuletzt seine muskulöse, durchtrainierte Figur, relativieren alles, vor allem den Fitness-Wellness-Hasser. „Ich mache das ja selbst gerne und habe da überhaupt nichts dagegen“, sagt der Kabarettist, mich stört nur der Hype: Was nichts kostet, ist nichts‘.
Reverend Lovemashine beendet mit seiner „Basta-Predigt“ den kabarettistischen Rundumschlag, mit dem Christian Habekost mitten ins Zwerchfell – und die grauen Zellen – getroffen hat. Für den Zusatztermin im Mußbacher Herrenhof, den Habekost wegen der großen Nachfrage am kommenden Samstag einlegt, gibt es übrigens noch Restkarten.
Von unserem Mitarbeiter Michael Bopp