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Sehnsucht nach Sehnsucht

Kultur Regional

Nessi Tausendschön mit Musiker William Mackenzie im Herrenhof in Mußbach

Von Anke Wanger
 

30 Jahre stehe sie nun schon auf der Bühne und da sei es Zeit gewesen, einmal zurückzublicken, befand Nessi Tausendschön und sah sich mit ihrem Jubiläumsprogramm, selbstbewusst „30 Jahre Zenit – Operation goldene Nase“ genannt, auf dem erfolgversprechenden Weg, ihrem Publikum im Mußbacher Herrenhof „mit einigen Krachern“ Lachen gegen Geld zu garantieren.

Sie stehe vor einem „sexy Publikum in Muuusbach“, meinte Nessi Tausendschön zur Begrüßung, die sich als „joke acout facility managerin“ und „Ulkkurtisane“ sah. Dafür gab es einzelnes Gelächter, erstaunte Blicke und vereinzelten Applaus. Mußbach blieb den Abend über Muuusbach und wieso sexy, erschloss sich trotz wortreicher Ausführungen über Kabarettbegeisterte contra unsexy Jazzbegeisterte nicht so richtig, doch Sex sollte noch eine Rolle spielen. 

Nachdem sie feststellte, dass „die Künstlerin eben ab und zu einmal gern mit absurden Ideen verblüffe und man eben auch für diesen Scheiß zahlen müsse“, wuchs die Vorfreude nach der Selbsterkenntnis auf jetzt wohl einziehendes, knackiges Kabarett, immer am Ball bei kritisch diskutierten, aktuellen Gesellschafts- und Politik-Themen, scharfzüngig im hier und jetzt und einige Jährchen zurück.

Doch es war, wie so häufig bei aktuellen „Kabarettprogrammen“, eigentlich ein Comedy-Abend mit kabarettistischen Einlagen. Allgemeine Themen wie die „Fähigkeit der Menschen, zu vergessen“, Auftrittserlebnisse, Beziehungswitze und -analysen, Ansichten über ihr Berufsverständnis und „Jonglage- und Zaubereinlagen“ ihres Musikers nahmen großen Raum ein. Daran änderte auch Tausendschöns Definition nichts, dass die Comedienne ihr Programm wegen „dem Geld“ und die Kabarettistin ihr Programm wegen „des Geldes“ mache. Kabarettistische Einwürfe gerieten wenig differenziert in ihrer versuchten Bissigkeit. 

Wo demokratisch, spitzfindiges Abgrenzen von politischen Sachverhalten mit witzigen Beispielen und messerscharfen Analysen Spaß gemacht hätten, standen mehr oder minder Feststellungen ohne tiefgreifendere kabarettistisch humorige Aufarbeitung. Der Applaus war verhalten. Die Stimmung hob sich nach musikalischen Darbietungen.

Denn Tausendschön zeigte sich als durchaus fesselnde Diseuse und Chansonnière, die mit ihrer singenden Säge und ihrem mitreißenden Partner William Mackenzie an den Gitarren ein hörenswertes Duo bildete. Die starke Stimme und originelle Songtexterin erklang mit ihrem einfallsreichen Musiker und versierten Begleiter in harmonischer Einheit. Ein Song wie „Sehnsucht nach Sehnsucht“, der dem Reiz des Kargen ein Forum gab, oder das Liebeslied „Auch, wenn du gehst“ hatten nicht nur eingängige Melodien, sondern neben Witz auch Botschaft.

Wer auf übermäßigen Konsum verzichtet, schätzt alles mehr und wer liebt, bleibt auch in trüben Situationen füreinander da. Zwischen den musikalischen Einlagen, sicher begleitet von Ton- und Lichteffekten von Frank Ruppert, legte die wandelbare, eloquente Künstlerin „English-Talks“ mit ihrem kanadischen Musiker und für „die internationale Note ihres Programms“ ein, die sehr zur Belustigung der Gäste damit endeten, dass Tausendschön vermeiden wollte, sich „over head and shoulder“ zu talken, was ihrer Übersetzung nach „sich um Kopf und Kragen reden“ hieß. Sie empfahl mit „sis is fun to do like sis, do it at home“ jedem ein hemmungsloses Englisch zum Spaß. Von Zeit zu Zeit trat Tausendschön an ihren Lesetisch, las von ersten Auftrittserlebnissen mit der bedauernden Erkenntnis, dass ihr ein „Hochschlafen“ im Bereich des Kabaretts kaum möglich gewesen sei, da sie im schwarzen Rollkragenpulli keinen Kleinkunstmogul hätte bezirzen können, insbesondere, wenn die oft lieber Männern den Vorzug gegeben hätten. Sie sprach von ihren Erfahrungen in muffigen, winzigen Garderoben bei ihren Auftritten. Dank dieser unmöglichen Rückzugsorte sei sie zur Dekofee geworden und habe stundenlange Zugaben nur gegeben, um nicht zurückkehren zu müssen. Der Gang zum Sportreportertisch als Gesine Töpperwein-Hartmann von den Europameisterschaften im Kunstvögeln gerät zum belachten Temperamentsausbruch Tausendschöns. „Danke für das schöne Geräusch“, konnten sie und ihr Musiker Mackenzie dann einmal mehr zum Ende der Veranstaltung sagen, als sie ein wohlwollender Schlussapplaus begleitete.

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 223
DatumMontag, den 25. September 2023
Seite21

Nessi Tausendschön
22.09.2023

Goldene Nasen und flotte Sprüche

Kultur Regional

Goldene Nasen und flotte Sprüche

„Gute bis sehr gut besuchte Veranstaltungen.“ An diese positive Bilanz des ersten Halbjahrs möchte Uwe Kreitmann, Initiator und Organisator der Reihe Kabarettissimo, in der zweiten Jahreshälfte anknüpfen. Er setzt auf bekannte Gesichter, die, so hofft er, wieder viele Besucher in den Festsaal des Herrenhofs in Mußbach locken. Karten sind für alle vier Abende erhältlich, auch einige Abonnements stehen noch zur Verfügung.

Von Regina Wilhelm

Den Auftakt bildet am Freitag, 22. September, Nessi Tausendschön. Wie immer an den Freitagsterminen beginnt die Show um 20.30 Uhr, Einlass ist wie üblich anderthalb Stunden früher, also ab 19 Uhr. „30 Jahre Zenit – Untertitel: Operation ,Goldene Nase’“ hat die Künstlerin ihr Programm überschrieben. Was sich dahinter wohl verbergen mag? Nessi Tausendschön feiert ihr Bühnenjubiläum. Klar. Sie wird zurückblicken auf die Höhepunkte ihrer Karriere und sicher einige ihrer erfolgreichen Beiträge zum Besten geben. Mit dem einen oder anderen hat sie schließlich renommierte Preise eingestrichen, darunter den Deutschen Kleinkunstpreis oder den Salzburger Stier. Nessi Tausendschön, die mittlerweile einen festen Platz bei verschiedenen Kabarettsendungen im Fernsehen hat, ist bereits mehrfach im Herrenhof gewesen, wie Kreitmann bestätigt. „Sie ist total schräg. Das mag ich“, sagt er lachend. Außerdem sei sie eine sehr gute Musikerin, spiele selbst Ukulele. Wenn sie nicht in die Saiten greift, begleitet sie ihr Kompagnon. „Nessi Tausendschön singt, moderiert, führt durch den Abend.“ Was „die Amüsierdame, Lustigkeitshure, Witzeprostituierte, Scherzkeksin oder Spaßkurtisane“ – so beschreibt sie sich selbst – zu bieten hat, davon möge sich jeder und jede am besten selbst ein Bild machen, findet Kreitmann. Seiner Erfahrung nach komme sie „mit ihrer etwas anderen Art“ beim Kabarettissimo-Publikum „sehr gut an“. 

Ein wahrlich regelmäßiger Gast ist Philipp Weber. „Jedes seiner Programme hat er im Herrenhof gezeigt“, betont Uwe Kreitmann. Mit dem aktuellen – „Futter – streng verdaulich“ – sei der Künstler zwar schon eine Weile unterwegs, „jedoch noch nicht in der Region aufgetreten“. Er wird am Freitag, 13. Oktober, 20.30 Uhr, auf der Bühne des Herrenhofs erscheinen. Als studierter Biologe und Chemiker habe Weber „natürlich auch etwas zu dem recht aktuellen Thema Ernährung beizusteuern“. Da wirft er die Frage auf, ob der Konsument eigentlich weiß, was er im Supermarkt in seinen Einkaufswagen packt: Was ist denn drin in der ansprechend aussehenden Tütensuppe? Ein Blick auf das Kleingedruckte könnte heilsam sein. Dort warnt er davor, alles bestens zu finden, auf dem „bio“ steht. Denn so manche Öko-Gurke, die um den halben Globus gekarrt wird, weise eine eher fragwürdige Klimabilanz auf. „Philipp Weber ist gesellschaftskritisch und politisch unterwegs“, bekräftigt der Kabarettissimo-Chef. Ihm selbst gefallen speziell die „flotten Sprüche“ Webers; ein Grund ihn in der Rubrik „hochwertige Comedy“ einzusortieren. Gern erinnert sich Kreitmann an die ersten Auftritte Webers in Mußbach mit dem Ersten Deutschen Zwangsensemble. Dazu gehörten Claus von Wagner – „den werden wir aufgrund seiner Fernsehbekanntheit, insbesondere als Moderator der ,Anstalt’, kaum mehr hier begrüßen können“ – und Mathias Tretter. Und genau dieser ist der dritte Künstler in der Herbstreihe. Er wird am Samstag, 18. November, um 20 Uhr erwartet.

„Sittenstrolch“ hat Tretter – „Dauergast im Herrenhof“, wie Kreitmann schmunzelnd erklärt – seine kritisch-aktuelle Deutschland-Analyse überschrieben. Düster blickt der Künstler in die Zukunft, nein, auch schon in die Gegenwart. „Nicht mehr lange, und die Moral wird in Deutschland so gut bewacht wie bei den Chinesen“, ist er überzeugt. Aber nicht ein Diktator wie in China, sondern die „ehrenamtlichen Bedenkenträger“ würden hierzulande auf die Moral achten. Ergo: „Selten war ein Strolch so notwendig wie heute.“ 

Kreitmann schätzt vor allem Tretters „intellektuellen Humor“, wenngleich mitunter das Lachen im Halse steckenbleibe. Umso erfreuter zeigt er sich, dass der Kabarettist immer wieder kommt, trotz der ebenfalls steilen Karriere, die er zurückgelegt habe. 

Das Jahr beschließt am Samstag, 2. Dezember, 20 Uhr, Marco Tschirpke. Passend zum Termin trägt das Programm den Titel „Kalender, deine Tage sind gezählt“. Freuen dürfe sich sein Publikum auf „einen musikalischen Jahresrückblick, gespickt mit schwarzem Humor“, kündigt Uwe Kreitmann an. Auch Tschirpke sei bereits zweimal im Herrenhof gewesen „und hat stets gut gefallen. Ja, die Leute mögen ihn“. Als bemerkenswert bezeichnet Kreitmann „die Entwicklung, die der Künstler genommen hat“. Das sei einfach schön zu beobachten. Auf witzige Art werfe Tschirpke einen Blick auf die politischen Ereignisse, nicht ohne sie auf satirisch-humoristische Weise zu kommentieren. Mit Klavier oder Ukulele begleite er seine selbst geschriebenen Texte. 

Die Veranstaltungen laufen laut Kreitmann in bewährter Weise. Die Eintrittspreise, die zu Jahresbeginn leicht erhöht wurden, bleiben unverändert, liegen zwischen 24 und 25 Euro plus Vorverkaufsgebühr. Knapp 200 Plätze stehen zur Verfügung, wovon derzeit 85 von Abonnenten belegt sind. Nach wie vor gibt es im Vorfeld Kleinigkeiten zum Essen und „edle Weine von ausgesuchten Mußbacher Weingütern“. 

Nach Stand, sagt Kreitmann, bleibe es bei zweimal vier Kabarett-Abenden im Jahr. Das sei für ihn wie auch seine ehrenamtlichen Mitstreiter einfach entspannter. Da der Herrenhof über keine Klimaanlage verfüge, werde es in den Sommermonaten richtig warm im Festsaal. „Das ist weder für den Künstler noch für das Publikum angenehm.“ Hinzu kommen die zahlreichen Veranstaltungen in der Umgebung – obendrein zusätzliche Lärmquellen. Die lange Sommerpause, ist er überzeugt, tue allen gut. 

INFO

Karten für alle vier Veranstaltungen sind erhältlich bei Tabak Weiss, Hauptstraße 61, Neustadt, Telefon 06321 2942, online bei Eventim sowie unter www.kabarettissimo.de/tickets und an der Abendkasse.

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 183
DatumMittwoch, den 9. August 2023
Seite13