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Mathias Tretter
18.11.2023

Von Tütensuppen und Frutariern

Kultur Regional

Philipp Weber überzeugt bei Kabarettissimo mit kenntnisreichen Ausführungen zum Thema Ernährung

Von Cosima Schade

Philipp Weber warf in seinem Programm „Futter-streng verdaulich“ am Freitag bei Kabarettissimo im Herrenhof in atemberaubendem Tempo Wortspiele und Fachwissenkonzentrat-Happen in die Menge. Das Publikum brüllte vor Lachen und war nicht satt zu bekommen.

Die Tischnachbarn, Stammgäste der ersten Stunde von Kabarettissimo im Herrenhof, Abonnenten, wie die Hälfte der 200 Zuschauer, sind voller Vorfreude auf den hyperaktiven Odenwälder mit dem Pferdeschwanz: „Gleich wird er wieder hin- und herrennen, aber der ist super.“ Sie haben ihn bereits bei seinen anderen Auftritten hier und auch im Fernsehen bei „Scheibenwischer“ und „Neues aus der Anstalt“ gesehen. Zunächst bleibt Weber aber mit ernster Miene ruhig stehen: Angesichts aktueller Katastrophen in der Welt – darf man im Kabarett lachen? Ja, es geht schließlich ums Essen, das muss man weiterhin und er blickt dabei ins essende und trinkende Publikum.

Um einen Übergang vom Politischen ins Private zu schaffen präsentiert er das 2007 erschienene Kochbuch „Das Parlament kocht“ von Ralf Frenzel. „Was kocht Merkel?“ Kohl. Und Olaf Scholz? Frühlingssuppe. Besser hätte wohl „armer Ritter“ zu ihm gepasst, witzelt der Comedian. Heute nutze er das Buch „zum Eier abschrecken“. Es stammt aus der Zeit, als Alfred Biolek Promi-Kochsendungen populär machte. Seitdem hat sich die Kochkultur verändert, auch Webers Programm, das es seit 2012 in stets aktualisierter Form gibt. Geblieben ist die „explosionsgetrocknete Tütensuppe“. 

Ab jetzt rennt Weber wie erwartet auf der Bühne fortwährend hin und her, angetrieben von einem unglaublichen Witzturbo. Er ahmt einen 80er Jahre-Öko nach, als Bio noch nicht „in“, urban, Genuss war, sondern eher etwas für „blasse, verzichtsgeleitete Anthroposophen“, die er ausgiebig humoristisch beschreibt, holt dabei Tütensuppen aus seinem jutesackfarbenen Stoffbeutel und liest die Zutaten vor. Das Publikum soll raten um welche Suppe es sich handele. „Richtig. Zwiebelsuppe“. Zwiebelfrei mit „explosionsgetrocknetem Sellerie, reaktionsaromatisiertem Rindfleisch.“ Darauf folgt eine kurze Infotainment-Einlage des Comedians mit Chemie- und Biologiestudium über Zusatzstoffe und Absurditäten der Lebensmittelindustrie. 

Alternative zur Astronautenkost: essen gehen. Aber wo? Deutsche, teutonische, fettige nordische, blutige Küche im „Rrrreichsadler“, Hitlerakzent nachahmend. Sushi – roher Fisch in kaltem Reis? Köttbullar von Ikea, die wie Elchköttel aussehen? Elegante französische Haxenpralinees? Fusionsküche, „Steckrübencarpaccio“ weil Steckrüben- „Uffschnitt“ banal klingen würde? Nächste Idee: Selbst kochen. Er gründet mit den Singles Bernd, Jürgen und Petra aus der „Elite Partner“-Vermittlung eine Slow-Food-Kochgruppe. Bio, nachhaltig, regional, frisch, ethisch rein solls sein. Allerdings kommt es nicht zum Kochen: einer hat „Chinarestaurantsyndrom“, verträgt also kein Glutamat, ein anderer ist auf Diät, hat „Zölllliakiii“ („dann bring sie doch mit“) oder ist Frutarier und isst nur, was die Natur freiwillig gibt. Besorgt lässt sich der Gastgeber vom „ökologischen Zentrum für exotische Essstörungen“ beraten. Schlussendlich sammeln sie im Dunkeln im Garten Nüsse – die gemäß Frutarierethik freiwillig vom Baum gefallen sind. 

Er macht sich am Abend zwar auch über Veganer lustig: Seine Nichte habe ihn gefragt, ob er sich von seiner Blutwurst nicht übergeben müsse und antwortet darauf mit : „Im Gegensatz zu Deinem Quinoa-Auflauf bekomme ich das Zeug wenigstens vorher runter.“ Aber er hat Respekt vor ihrer Einstellung und der ihrer Generation. Er hält es für möglich, dass man in 20 Jahren keine „Veganerwitze“ mehr machen wird „wie die alten weißen Säcke“, er ist selbst 1974 geboren, sondern „Fleischerwitze“. Weil Geschmack und was eine Gesellschaft für essbar hält, dem kulturellen Wandel unterliegt. Er verweist auf den Ernährungsreport des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung, nach dem besonders die jüngeren Leute und gebildete Schichten weniger Fleisch essen. Der Focus liegt auf Gesundheit und Geschmack. Weber erklärt zudem, dass „echte“ Nahrungsmittelunverträglichkeiten tatsächlich zugenommen haben, verursacht durch die industrielle Lebensmittelherstellung. 

Der Abend endet versöhnlich: Man solle einfach nach Bauchgefühl essen. In diesem Sinne auch die Zugabe: Ein Ausschnitt seines Programms „Durst – Warten auf Merlot“ über einen betrunkenen Piloten. Zum Brüllen. Comedy pur. Prost!

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 240
DatumMontag, den 16. Oktober 2023
Seite19

Philipp Weber
13.10.2023