Von Andrea Dölle
Olaf Bossis Witz ist nicht von der schenkelklopfenden Sorte. Sein Programm ist eher zum Schmunzeln und nimmt die Tücken des Alltags aufs Korn, solche, die auch die Zuhörer nur allzu gut kennen. Immer wieder gibt es kollektive „Oh ja“-Seufzer, und das Lachen gilt oft ebenso sehr der Selbsterkenntnis wie dem, wie Bossi die kleinen Geschichten aufspießt.
Eigentlich wäre er doch so gerne wie eine der Familien aus der Werbung, die morgens mit effizient gepackten Taschen eine wohlaufgeräumte Wohnung verlassen. Stattdessen erinnere der Abflug seiner Familie an eine bellende Hundemeute: „Wo..wo..wo!“ Wo das Handy, wo die gerade heute gebrauchten Utensilien – es liegt zu Hause eindeutig zu viel rum, als dass man das Benötigte einfach so finden könnte. Ein Programm zum Entrümpeln muss also her, etwa das der japanischen Minimalismus-Meisterin Marie Kondo, die nur noch den Besitz von Dingen gestattet, die glücklich machen, und empfiehlt, sich von allen anderen mit einem kleinen Dankesritual zu trennen.
Die Anwendung der Regeln auf die nette deutsche Durchschnittsfamilie wie die Bossis kann allerdings Probleme bereiten. Am einfachsten scheint noch das Aussortieren von Kleidern – vielleicht auch, weil dies Domäne der Ehefrau ist: „Der Kleiderschrank ist so voll, dass beim Öffnen ab und zu eine Motte heraus taumelt, um nach Luft zu schnappen, aber sie steht davor und hat nichts anzuziehen.“ Etwas komisch kommt er sich allerdings vor, wenn er mit seinen alten Socken reden soll, um sie zu verabschieden.
Die Entsorgungsrunde für die unnötigen Bücher fördert quasi die Familiengeschichte zutage. Nie gelesene Erziehungsratgeber: „Wer hat schon Zeit, die zu lesen, wenn man kleine Kinder hat“, jede Menge Kochbücher aus der ersten Zeit der Ehe, die rasch abgelöst wurden von Diätratgebern, bis der Ehefrau die Erkenntnis dämmerte: „Frauen mit etwas mehr auf den Hüften haben statistisch eine höhere Lebenserwartung als die Ehemänner, die ihnen das sagen.“ Und dann war da noch das immer noch in Folie eingeschweißte Handbuch „Windows 98“. Die Idee, die Bücherkiste mit einem schön gemalten „Zu verschenken“-Schild vor die Tür zu stellen, bringt den unerwarteten Effekt, dass die Kiste immer voller wird – auch die Nachbarn haben Bücher, die sie loswerden wollen.
Drei Thermometer –
das hat schon seinen Sinn
Noch tiefer in die eigene, halb vergessene Kindheit und Jugend geht es mit dem Aussortieren von Schallplatten und Musikkassetten. Plötzlich ist man wieder der kleine Junge, der mit dem Finger über der Aufnahmetaste da sitzt, um auf keinen Fall das Lieblingslied zu verpassen. Was aber heute das richtig nostalgische Gefühl auslöst, so Bossi, sei weniger die Musik, „die kriegt man ja überall, auf Youtube oder CD“ – es sind die Stimmen der damaligen Moderatoren. Man kann aber auch überrascht werden, etwa, wenn man den Kindern was Lehrreiches antun will und eine Verkehrserziehungskassette von anno Tobak abspielt: Beim Eröffnungslied wimmelt es von heute nicht mehr politisch korrekten Begriffen: Neger etwa.
Nächste Runde: Medizinschränkchen. „Bei uns haben sich so viele Medikamente angesammelt, dass wir jederzeit dem nächsten Krankenhaus in Notfällen aushelfen könnten.“ Dazu drei gleiche Fieberthermometer, von denen keines weg kann: eines für die Kinder, eines für die Erwachsenen und eines für den Kater – mal im Popo, mal nicht. „Ich kann nur darauf vertrauen, dass meine Frau sie nicht verwechselt.“ Und dann die Sache mit den Globuli, die der Kleine en masse konsumiert hat. Wirken sie, dann braucht man den Giftnotruf. Wirken sie nicht, war alles Betrug. Ein befreundeter Arzt gibt dann die Anweisung: „keine weiteren Süßigkeiten mehr an dem Abend – und gründlich Zähneputzen“. Zum Abschluss serviert Bossi dann noch ein Schlafliedchen für aufgeweckte Kinder – wenig Text, aber alle Emotionen eines gequälten Vaters rauf und runter. „Das war ein richtig netter Abend“, war beim Hinausgehen zu hören, „man konnte sich so gut hineindenken“.
Von Regina Wilhelm
Neustadt-Mussbach. Seit fünf Monaten habe er nicht mehr gespielt. „Ob ich es überhaupt noch kann?“, fragt Frederic Hormuth schmunzelnd. Er bittet die Zuschauer, nicht zu kräftig zu lachen – klar, wegen der Aerosole. Genau deswegen muss auch er Abstand halten. Das auf den Bühnenboden geklebte rot-weiße Band zeigt ihm seine Grenzen auf. Aber nur für seinen Standort. Wortgewandt analysiert der Kabarettist, was in unserer Gesellschaft schiefläuft, deckt präzise den Bullshit auf, der weltweit abgesondert und als Weisheit letzter Schluss verkauft wird.
Ganz aktuell geht Hormuth auf die Anti-Corona-Demos ein. „Nein, das sind keine Retter der Demokratie, die da auf der Straße marschieren und sich von Neonazis unterwandern lassen.“ Aluhüten und Querdenkern zieht er die Masken vom Gesicht. Dass die Pandemie jeden überfordert, verhehlt der Künstler indes nicht. Überall müsse auf die Distanz geachtet werden. Heißt in der Folge, dass „wir einige Dramen umschreiben werden“. Durch die „hohle Gasse darf keiner mehr kommen“. Romeo und Julia kommunizieren im Chat und „begehen Selbstmord, als die Eltern WLan abschalten“.
Der Künstler doziert zunächst über die Ursachen des Bullshit, der ja, wie der Titel sagt, „kein Dünger ist“. Er entstehe aus Überforderung. Als Beispiel hält Gesundheitsminister Jens Spahn her. „Wir bilden den gelernten Politikwissenschaftler live aus.“ Denn anders als wir erwarteten, machten Politiker in der Regel nicht das, was sie könnten. Gut, bei Karl Lauterbach, von Hause aus Epidemiologe, sei das anders. „Aber der nervt“, nicht zuletzt weil er in allen Talkshows sitze. Zurück zu Spahn: Der hat zu Anfang der Corona-Krise festgehalten, „dass wir für eine Pandemie bestens aufgestellt sind“. Dass es nicht ausreichend Masken und Desinfektionsmittel gegeben habe, „war nicht besonders vertrauensbildend“.
Nicht fehlen darf in der Reihe Donald Trump, der „King of Bullshit, der sich selbst als „hochgebildet“ bezeichne und sogar „Worte kenne“.
In einem zweiten Schritt erläutert der Kabarettist, woran „Bullshitter“ zu erkennen sind. Einfach daran, dass sie beim Reden keine Pausen machen. „Denn es könnte ja jemand kommen und nachfragen.“ Sie beantworteten auch keine Fragen, sondern wichen stets aus: „Warum bleiben die syrischen Flüchtlinge nicht in ihrem Land und retten es und die Mitbürger?“. Richtige Antwort: „Weil sie natürlich erst einmal sich selbst retten müssen“. Der „Bullshitter“ jedoch erwidert, dass „uns ja auch nichts geschenkt wird“.
Ein weiteres Phänomen sei Ablenken. So habe Horst Seehofer mit seinem Heimatministerium von der AfD ablenken und deren Wähler animieren wollen, beim nächsten Mal ihr Kreuzchen bei der CSU zu machen. Mit dem Stichwort Heimat eröffnet Hormuth einen umfänglichen Neben-Diskurs: Heimat ist, wo es gute Italiener gibt, wo es in die Schule nicht hineinregnet, wo die polnische Altenpflegerin einen schwulen deutschen Opa pflegt. „Wir müssen aufpassen, dass Heimat nicht im Bullshit versumpft.“
Der meiste Bullshit werde im Internet verbreitet, findet der Kabarettist. Dort sei übrigens Seehofer – nach eigenen Worten – schon in den 1980er Jahren unterwegs gewesen. Aha. Erfunden habe es aber Wilhelm Busch in den 1860ern: www – wehe, wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe.
Die hochkomplexe Welt schätzt Hormuth als ideal für Bullshit ein. Beweise liefert er stante pede. Fachkräftemangel. Gäbe es nicht, wenn Betriebe besser zahlten und mehr junge Leute ausbildeten. Die Arbeitslosenzahlen. Stimmen nicht, weil Ein-Euro-Jobber, Leute in Fort- oder Berufsausbildungen nicht eingerechnet werden. Mit Bullshit werde der Niedriglohnsektor verteidigt oder die Privatisierung im Gesundheitssektor, wo statt Menschlichkeit nur noch Profit regiere. „Der Bullshit hat die soziale Marktwirtschaft kaputtgemacht, das Soziale ist Privatsache geworden“, konstatiert der Hesse. Es zählten nur noch Leistungsträger, „auch so ein Bullshit-Begriff“. Im gleichen Atemzug fällt der Name Friedrich Merz; der nicht nur für Blackrock, sondern auch für eine Anwaltskanzlei gearbeitet hat, die Cum-Ex-Betrüger verteidigt.
Und was hilft gegen Bullshit“ „Nichts“, lautet Frederic Hormuths defätistische Antwort. „Am besten die Abwehrkräfte stärken.“ Mit einem grandiosen Hit, der sich aus lauter Bullshit-, also nichtssagenden Sätzen, zusammensetzt, verabschiedet sich der Künstler, der nicht nur mit gesprochenen, sondern auch gesungenen Worten brilliert.
Bereits zu Beginn hatte sich Petra Breitenbach vom Kabarettissimo-Team bei den Gästen für ihr Kommen und ihre Unterstützung bedankt. Ein Lob gilt allen, die für das perfekt ausgeklügelte Hygiene- und Abstandskonzept verantwortlich zeichneten. Das Publikum, das die 108 Plätze fast komplett füllte, applaudierte am Ende begeistert.