Von Regina Wilhelm
Neustadt-Mussbach. Seit fünf Monaten habe er nicht mehr gespielt. „Ob ich es überhaupt noch kann?“, fragt Frederic Hormuth schmunzelnd. Er bittet die Zuschauer, nicht zu kräftig zu lachen – klar, wegen der Aerosole. Genau deswegen muss auch er Abstand halten. Das auf den Bühnenboden geklebte rot-weiße Band zeigt ihm seine Grenzen auf. Aber nur für seinen Standort. Wortgewandt analysiert der Kabarettist, was in unserer Gesellschaft schiefläuft, deckt präzise den Bullshit auf, der weltweit abgesondert und als Weisheit letzter Schluss verkauft wird.
Ganz aktuell geht Hormuth auf die Anti-Corona-Demos ein. „Nein, das sind keine Retter der Demokratie, die da auf der Straße marschieren und sich von Neonazis unterwandern lassen.“ Aluhüten und Querdenkern zieht er die Masken vom Gesicht. Dass die Pandemie jeden überfordert, verhehlt der Künstler indes nicht. Überall müsse auf die Distanz geachtet werden. Heißt in der Folge, dass „wir einige Dramen umschreiben werden“. Durch die „hohle Gasse darf keiner mehr kommen“. Romeo und Julia kommunizieren im Chat und „begehen Selbstmord, als die Eltern WLan abschalten“.
Der Künstler doziert zunächst über die Ursachen des Bullshit, der ja, wie der Titel sagt, „kein Dünger ist“. Er entstehe aus Überforderung. Als Beispiel hält Gesundheitsminister Jens Spahn her. „Wir bilden den gelernten Politikwissenschaftler live aus.“ Denn anders als wir erwarteten, machten Politiker in der Regel nicht das, was sie könnten. Gut, bei Karl Lauterbach, von Hause aus Epidemiologe, sei das anders. „Aber der nervt“, nicht zuletzt weil er in allen Talkshows sitze. Zurück zu Spahn: Der hat zu Anfang der Corona-Krise festgehalten, „dass wir für eine Pandemie bestens aufgestellt sind“. Dass es nicht ausreichend Masken und Desinfektionsmittel gegeben habe, „war nicht besonders vertrauensbildend“.
Nicht fehlen darf in der Reihe Donald Trump, der „King of Bullshit, der sich selbst als „hochgebildet“ bezeichne und sogar „Worte kenne“.
In einem zweiten Schritt erläutert der Kabarettist, woran „Bullshitter“ zu erkennen sind. Einfach daran, dass sie beim Reden keine Pausen machen. „Denn es könnte ja jemand kommen und nachfragen.“ Sie beantworteten auch keine Fragen, sondern wichen stets aus: „Warum bleiben die syrischen Flüchtlinge nicht in ihrem Land und retten es und die Mitbürger?“. Richtige Antwort: „Weil sie natürlich erst einmal sich selbst retten müssen“. Der „Bullshitter“ jedoch erwidert, dass „uns ja auch nichts geschenkt wird“.
Ein weiteres Phänomen sei Ablenken. So habe Horst Seehofer mit seinem Heimatministerium von der AfD ablenken und deren Wähler animieren wollen, beim nächsten Mal ihr Kreuzchen bei der CSU zu machen. Mit dem Stichwort Heimat eröffnet Hormuth einen umfänglichen Neben-Diskurs: Heimat ist, wo es gute Italiener gibt, wo es in die Schule nicht hineinregnet, wo die polnische Altenpflegerin einen schwulen deutschen Opa pflegt. „Wir müssen aufpassen, dass Heimat nicht im Bullshit versumpft.“
Der meiste Bullshit werde im Internet verbreitet, findet der Kabarettist. Dort sei übrigens Seehofer – nach eigenen Worten – schon in den 1980er Jahren unterwegs gewesen. Aha. Erfunden habe es aber Wilhelm Busch in den 1860ern: www – wehe, wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe.
Die hochkomplexe Welt schätzt Hormuth als ideal für Bullshit ein. Beweise liefert er stante pede. Fachkräftemangel. Gäbe es nicht, wenn Betriebe besser zahlten und mehr junge Leute ausbildeten. Die Arbeitslosenzahlen. Stimmen nicht, weil Ein-Euro-Jobber, Leute in Fort- oder Berufsausbildungen nicht eingerechnet werden. Mit Bullshit werde der Niedriglohnsektor verteidigt oder die Privatisierung im Gesundheitssektor, wo statt Menschlichkeit nur noch Profit regiere. „Der Bullshit hat die soziale Marktwirtschaft kaputtgemacht, das Soziale ist Privatsache geworden“, konstatiert der Hesse. Es zählten nur noch Leistungsträger, „auch so ein Bullshit-Begriff“. Im gleichen Atemzug fällt der Name Friedrich Merz; der nicht nur für Blackrock, sondern auch für eine Anwaltskanzlei gearbeitet hat, die Cum-Ex-Betrüger verteidigt.
Und was hilft gegen Bullshit“ „Nichts“, lautet Frederic Hormuths defätistische Antwort. „Am besten die Abwehrkräfte stärken.“ Mit einem grandiosen Hit, der sich aus lauter Bullshit-, also nichtssagenden Sätzen, zusammensetzt, verabschiedet sich der Künstler, der nicht nur mit gesprochenen, sondern auch gesungenen Worten brilliert.
Bereits zu Beginn hatte sich Petra Breitenbach vom Kabarettissimo-Team bei den Gästen für ihr Kommen und ihre Unterstützung bedankt. Ein Lob gilt allen, die für das perfekt ausgeklügelte Hygiene- und Abstandskonzept verantwortlich zeichneten. Das Publikum, das die 108 Plätze fast komplett füllte, applaudierte am Ende begeistert.