Die beiden Zahlen fallen heute am 27. Januar 2007 sinnigerweise zusammen. Man könnte noch eine weitere Zahl hinzufügen: 1997. Seitdem gibt es Kleinkunst im Herrenhof, das meiste davon: Kostproben des Kabaretts. Also 10 Jahre fest etabliert hier oben unter dem Gebälk des Kelterhauses. Da passt das Ganze ja auch hin, hier können sich vor lauter lachen auch die Balken biegen, wie ein geflügeltes Sprichwort sagt. 125 Jahre ist diese Kunstform alt geworden. Im November 1881 eröffnete ein Maler namens Rodolphe Salis auf dem Pariser Montmartre das Cabaret „Le Chat noir“ eine Künstlerkneipe, in der freche Lieder, respektlose Sprüche, und scharfzüngige Verse zu hören sind. Übersetzt heißt cabarett = „die Schenke, die Kneipe.“ Seit guten 100 Jahren ist diese Kneipenkunst aus der deutschen Theaterszene nicht mehr wegzudenken. In keinem Land der Welt, auch in keiner Sprache der Welt ist das „Brettelspielen“ so tief und fest verankert wie in Deutschland.
„Diese Mischung aus Jux und Dollerei, aus scharfer Kralle und angepasstem Frohsinn, aus Gestus, Ulk, Literatur und Politik hat es so ausgeprägt noch nie in einem anderen Land gegeben. Dieses freche Musenkind ist wie die Satire ein deutsches Phänomen.“ (Volker Kühn)
Zunächst schien die Brettelkunst nur den Großstädten zu gehören. Man denke an „die 4 Nachrichter“, an „Die Pfeffermühle“, an „Die Schaubude“, an „Das Komödchen“, die „Insulaner“, „Münchner Lach-und Schließgesellschaft“, „Herkuleskeule“ um die bedeutendsten zu nennen. Aber spätestens seit der 68er Jugend- und Studentenrevolte wehe der beißende Wind voll Scherz Satire Ironie mit tiefer Bedeutung auch durch die Provinzen des Landes. Allenthalben wurden Keller und Kneipen Scheunen und Gewölbe dieser Kleinkunst geöffnet, so dass wir flächendeckend auch in unserer Region den „bittersüßen Geschmack aus Zucker und Galle“ kosten können.
Das hier unterm Dach des Kelterhauses im Herrenhof Mußbach heute zum 100.ten mal die bissige Heiterkeit der Brettelkunst genießen durften, verdanken wir „Hofspielleiter“ Uwe Kreitmann, der engagiert und konsequent zum wohl erfolgreichsten Veranstalter der Kabarettszene in der Vorderpfalz geworden ist. Wen wir nun einen Schnitt von 200 Besuchern mal 100 Aufführungen nehmen, dann hat unser Kleinkunstdirektor Uwe 20.000 menschen heiter gestimmt. Wer kann das von sich sagen?
Aber wie leicht wird vergessen, dass hier ein Mensch tätig ist, der Freizeit, Geld und Nachtstunden opfert, um ehrenamtlich für andere da zu sein. „Kabarettissimo“ ist für den Meister der Druckkunst zu einen zweiten unbezahlbaren und unbezahlten Beruf geworden. Seit 1989 in die Fördergemeinschaft eingetreten, übernahm er zunächst die Durchführung des Weinachtsbrauchtumsmarkts, um sich dann ab 97 ganz dem „Brettl“ zu widmen. Die „Twotones“, die „Buschtrommel“, „Spitz und Stumpf“, „Robert Kreis“, „Chawwerusch Theater“, „Urban Priol“, „Detlev Schönauer“ und vor allen „Christian Habekost“ gehörten zu seiner guten Auswahl, um nur einige hervorzuheben. Nach dem Motto „gut und bezahlbar“ wählte er auf seinen Vortouren nach Mainz, Freiburg, Frankfurt und anderen Städten der Kleinkunst aus und bescherte unserem Herrenhof wunderbare fröhliche Abende.
Dass er auch noch seit seiner Mitgliedschaft Schriftführer im Vorstand ist, verdient ebenfalls Beifall und Respekt.
Uwe Kreitmann steht jedoch in seiner Arbeit nicht allein und einsam da. Er hat das seltene Wunder fertiggebracht, dass Vater und Mutter und Schwester und Tante und Kusine und Freunde und Freudinnen ihm beistehen. Saal herrichten, Tische eindecken, Blumenschmuck, Küche, Ausschank, Kartenverkauf, Auskunft geben – für alle diese Dienste hat Uwe die ideale Besetzung gefunden und so nebenbei den familiären Zusammenhalt gefördert „würde ich satirisch sagen“.
Als Vorsitzender der FGH möchte ich Dir, lieber Uwe, anlässlich Deines 40. Geburtstages und anlässlich der 100.ten von Dir arrangierten Kabarettvorstellung im Namen vieler Menschen sehr sehr herzlich danken und Deinem Leben noch viele Erfolge, gute Gesundheit und stabile Nerven wünschen. Als Auszeichnung für Deine Verdienste erhälst Du heute den „Silbernen Herrenhofnagel“ verbunden mit einem Geldgeschenk, das Dir diese Feier wesentlich erleichtern soll.
Gustav-Adolf Bähr
1. Vorsitzender
Fördergemeinschaft Herrenhof Mußbach e.V.
„Kabarettissimo“-Reihe im Herrenhof setzt im zweiten Halbjahr ganz auf Polit-Kabarett und Musik
Politisches Kabarett, serviert von bekannten Vertretern des Genres, und Musik bestimmen im zweiten Halbjahr das Programm von „Kabarettissimo“, der Kabarett-Reihe im Mußbacher Herrenhof. Auf eine Sommerpause verzichtet die Reihe dabei kurzerhand – vielleicht kein schlechter Ansatz, schließlich freuen sich die Kabarettfans auch im Sommer, wenn sie etwas geboten bekommen.
Der „Kabarettissimo“-Auftakt fällt denn auch mitten in den Hochsommer-Monat August: „Reich ins Heim“, lautet der vieldeutige Titel des siebten Soloprogramms von Arnulf Rating, das am Samstag, 26. August, im Herrenhof zu sehen sein wird. Auch das Gründungsmitglied des legendären Anarchokabaretts „Die drei Tornados“, das vor allem in den 80er Jahren Erfolge in der linken Szene und Auftrittsverbote an den etablierten Stätten der Kultur feiern konnte, wird langsam älter, und so ist das Alter auch eines der Themen von „Reich ins Heim“. Aber bei weitem nicht nur: Der Träger des Deutschen Kabarettpreises 1995 und des Deutschen Kleinkunstpreises 2003 beschäftigt sich unter anderem auch mit den Alt-68ern, mit den Hoffnungsträgern der Zukunft und der Parteiendemokratie.
Zu den Großen des politischen Kabaretts gehört auch „Die Buschtrommel“, die seit 15 Jahren durch die Lande tourt. Ein Rückblick auf diese 15 Jahre und auf die sechs Programme, die die „Buschtrommel“ in dieser Zeit auf die Bühne brachte, bieten die „Gefühlten Höhepunkte“, die am Freitag, 13. Oktober, im Herrenhof zu sehen sein werden. Das Programm, das rund einen Monat zuvor Premiere hat, ist jedoch nicht etwa nur ein Aufguss des Bisherigen, auch Aktuelles, wie die Politik in der Berliner Republik, wird darin seinen Platz haben.
Zwei alten Bekannten können regelmäßige Besucher des Herrenhofs in einer Sonderveranstaltung am 27. Oktober begegnen. Der Radiosender SWR4 wird in seiner Mundartreihe „Musik, Sprooch und Wein“ einen Abend mit dem Kurpfälzer Comedian Christian „Chako“ Habekost und dem Elsässer Liedermacher René Egles präsentieren. Egles ist eine Kultfigur aus der elsässischen Liedermacherszene und sein gemeinsames Konzert mit dem lothringischen Liedermacher Marcel Adam vor einigen Monaten im Herrenhof begeisterte das Publikum.
Musikalisch geht es auch am 11. November weiter: „Bidla Buh“ ist nicht nur der Name eines Chansons von Georg Kreisler, sondern auch eines musikalisches Trios. „Fracksausen“ heißt dessen drittes Programm, in dem sie vor allem Schlager und Chansons der 20er und 30er Jahre, aber auch Lieder der Neuen Deutschen Welle in ihrem eigenen Stil präsentieren. Nämlich im Dialekt der Waterkant, mit viel Humor, mit grotesken Einlagen und mit Instrumenten wie der gestopften Trompete.
Zum Abschluss des Jahres steht am 9. Dezember dann noch einmal politisches Kabarett auf dem Programm. In „Deutschland – ein Gummibärchen“ macht sich Matthias Tretter so seine Gedanken über den Zustand einer Republik, in der die Pilskneipe plötzlich Lounge heißt, Zugkarten im Supermarkt und Lebensversicherungen im Schnellimbiss gekauft werden.
Im Jahr 2007 geht „Kabarettissimo“ am 27. Januar mit einer Zaubergala mit dem leicht verwirrenden Titel „jungejungeundderroemer“ der Brüder Dr. Gernot Bohnenberger und Wolfram Bohnenberger weiter – aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.
Die Veranstaltungen beginnen alle um 20 Uhr und finden im Kelterhaus des Mußbacher Herrenhofs statt, Einlass ist jeweils ab 19 Uhr. Karten bei Tabak Weiss (06321/ 2942) in Neustadt oder der Papier-Schatulle (06321/60360) in Mußbach. Für die „Kabarettissimo“-Reihe wird auch ein Abonnement angeboten, Informationen dazu unter 06321/96399918. (ann)
Gerhard Schröder hat im vergangenen Jahr mit seiner Neuwahl-Ankündigung die Pläne von so manchem durcheinander gebracht – offensichtlich auch die der Kabarettistin Simone Solga, die am Samstagabend in der Reihe „Kabarettissimo“ im Mußbacher Herrenhof gastierte. „Kanzler/in-Souffleuse“ heißt ihr Programm, mit dem sie kurz vor der Bundestagswahl auf die Bühne ging, und das merkt man ihm auch an.
Denn ziemlich oft beschäftigt sich Solga mit der alten Regierung und ihren Mitgliedern, während sie sich bei der jetzigen Bundesregierung vor allem auf die Personen beschränkt, die auch schon vor der Wahl dabei waren. Das verleiht dem Kabarettprogramm zwar einen nostalgischen Touch, aber nicht unbedingt Aktualität.
„Hat die eine Gosch!“, mit diesem Ausdruck, der in der Pfalz Anerkennung ausdrückt, kommentierte mancher Besucher im voll besetzten Festsaal des Herrenhofs den Auftritt der Kabarettistin. Ihre bemerkenswerte Sprachgewalt gehört zweifellos zu den Stärken von Solga, die früher im Ensemble der „Leipziger Pfeffermühle“ und der Münchner „Lach- und Schießgesellschaft“ war. Wie ein Maschinengewehr und ohne Punkt und Komma schmettert sie ihre Texte ins Publikum und wechselt dabei in rasantem Tempo zwischen Themen, Personen und Szenen.
Eben sitzt sie noch als beschäftigungslose Kanzlerinnensouffleuse in der Kantine des Bundestags, da ist sie schon die Kantinen-Putzfrau, dann verhökert sie Teekannen, schreibt Beipackzettel für chinesischen Heiltee, um genauso schnell wieder zur Souffleuse zu mutieren. Solga gelingt dabei das bemerkenswerte Kunststück, dass das Publikum unterwegs nicht auf der Strecke bleibt, sondern beim Tempo mithalten kann.
Weniger gut gelingt es ihr, die Qualität des Programms über die volle Laufzeit aufrecht zu erhalten. Zu Beginn des Abends präsentiert sie sich in der Rolle eines Art Bauchkastens in Sachen Unterhaltung, die je nach Bedarf, mit einem Lyrikabend, einem bunten Abend oder eben auch Kabarett aufwarten kann. Doch leider hat das Programm auch im wirklichen Bühnenleben etwas von dieser allzu bunten Mischung. Da wechselt billiger Klamauk auf Alleinunterhalterniveau mit bestem politischen Kabarett, da agiert Solga absolut treffend und unnachahmlich gut als Wachmann im Bundestag, der eine Stasi-Vergangenheit und einen Schäferhund namens Rommel hat, um sich dann gleich darauf mit billigen Gags auf Kosten einiger Zuschauer in Szene zu setzen.
Dabei hätte Solga so etwas gar nicht nötig, denn immer wieder zeigt sich, dass sie eigentlich eine wirklich gute Kabarettistin ist. Und das nicht nur, wenn es um rein politische Themen geht, auch wenn sie in ihren verschiedenen Rollen andere Aspekte des Lebens beleuchtet, ist sie meistens witzig, unterhaltsam und treffend, dazwischen aber eben immer mal wieder schlicht und einfach daneben. Zu ihren Stärken zählt zweifellos ihre Fähigkeit, die verschiedensten Dialekte, Akzente und sonstigen sprachlichen Besonderheiten absolut treffend zu imitieren, sei es der „S-Fehler“ zahlreicher führender CDU-Politiker, einschließlich der Kanzlerin, sei es Sächsisch, Bayerisch oder was es sonst noch so an Dialekten gibt.
Weniger gelungen sind die zum Programm gehörenden Lieder. Zwar hat Simone Solga eine schöne Stimme, doch die Texte sind reichlich fade und ihre Choreographie erinnert an das Fernsehballett vor etwa 30 Jahren. Im Herrenhof kam zudem noch nachteilig dazu, dass es bei den Gesangsparts mit der technischen Abstimmung haperte, so dass die Liedtexte oft nur schwer zu verstehen waren.
Herrlich dagegen die meist ebenso treffenden, wie kurzen Charakterisierungen von Personen, seien es Politiker oder andere Menschen, wie Sabine Christiansen mit „ihrem absolut wichtig-wichtig Gesicht“. Alles in allem bot Simone Solga also trotz aller Schwächen einen gelungenen Kabarettabend, und der Beifall des Publikums war durchaus verdient.
Von unserer Mitarbeiterin Annegret Ries