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Beliebtes Spiel mit den Klischees

Rheinpfalz, Kultur Regional

Detlev Schönauer lädt im Mußbacher Herrenhof in der „Kabarettissimo“-Reihe in „Jacques Bistro“ ein

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Neustadt. Nein, etwas zu trinken gibt es nicht in „Jacques Bistro“. Aber dafür jede Menge Erkenntnisse über die verschiedenen deutschen Landsmannschaften, über die Folgen von Ignoranz und Dummheit. Der französelnde Saarländer, hinter dem sich Detlef Schönauer verbirgt, war am Freitagabend in der Reihe „Kabarettissimo“ im Herrenhof Mußbach zu Gast.

Inzwischen ist „Jacques Bistro“ eine Institution. Nicht nur auf Bühnen in der Region öffnet es seine Pforten, sondern auch im Fernsehen. Der Bistro-Wirt Jacques, den es einst der Liebe wegen, wie er sagt, von Paris in das „wunderschöne Saarland“ verschlagen hat, hat sich in den 30 Jahren kaum verändert. Vergleiche zwischen Großstadt und Provinz, zwischen Pfalz und Saarland und vor allem zwischen den dort lebenden Menschen bleiben daher nicht aus. Gern bedient der echte Wahl-Saarländer – Schönauer stammt aus Mainz – die Klischees. Und weil Saarländer im Saal sind, kommen die Gags umso lustiger rüber. Jacques erzählt, dass der Saarländer an sich „nit so gere schafft“; wichtiger sei ihm, gut zu essen und zu trinken – „geschafft han mir gleich“. Die große Passion des Schwenkens oder Grillens wird en detail erläutert. Liegen irgendwo drei Metallstäbe herum, selbst wenn es sich um Brennstäbe handelt, der Saarländer fertige daraus einen Schwenker.Einen großen Unterschied hat Jacques beim Trinkverhalten in der Wirtschaft festgestellt: Während der Saarländer nicht nah genug an der Theke – sprich dem Büffet – stehen kann, damit das Bier beim Transport zum Tisch nicht schal wird, sitzt der Pfälzer lieber am Tisch, und zwar möglichst weit entfernt von der Ausschankstelle. Grund: Der Wein hat durchs Herbeitragen noch etwas Zeit zum Reifen. Ja, Schönauer hat schon flapsige Anekdoten auf Lager. Gemäß dem Programm „Geist ist geil“ hat er sich aber auch tiefere Gedanken gemacht. Im Gegensatz zu den Jungen habe er seinerzeit sein Physikstudium durchgezogen. Heute sei jeder Abbrecher über seinen Schritt glücklich. „Früher haben sich die Dummen geschämt, heute sind sie stolz.“ Beispiel gefällig? Bei der Prüfung habe ein Schüler, der gefragt wurde, warum die Geschwindigkeit des Lichts höher sei als die des Schalls, geantwortet, dass wir das Licht eher sähen, weil die Augen weiter vorne seien als die Ohren. Als gelernter Physiker legt Schönauer verständlich gleich dar, wie ein Gewitter entsteht.

An Volksverdummung ist in den Augen des Kabarettisten das Fernsehen schuld. Da werden Superstars gesucht, Leute in Dschungel-Camps geschickt, und wer das schaue, freue sich, dass diejenigen dort noch dümmer seien als sie selbst. Anhand von leicht abstrusen, aber bundeslandtypischen Matheaufgaben – der 1. FC Saarbrücken dient als Steilvorlage – weist er nach, dass es die Schüler heute aber auch nicht leicht haben.

Ein großes Fass macht Schönauer, selbst einst Ministrant, zu den Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche auf. 2000 Jahre Zölibat hinterließen Folgen, sagt er, um sich gleich selbst zu korrigieren: Schuld an der Einführung des Zölibats seien die Kleriker des Mittelalters: Sie hätten so viele Kinder gezeugt, dass alles, „was die Kirche bei den Kreuzzügen ergaunert hatte, unter den Erben aufgeteilt werden musste“. Für manchen Zuhörer etwas starker Tobak …

Doch im Gegensatz zu den Protestanten könnten sich die Katholiken mit der Beichte stets reinwaschen, meint Schönauer. Deshalb gingen die ersteren stets gebeugt ob der schweren Last, die ihnen keiner nehme. Und in der Zugabe schildert er köstlich die moderne Form der Beichte: per „Drive in“ mit Rabatt- und Gold-Card.

Für den amüsanten Abend, den Schönauer mit einigen Liedern, zu denen er sich am Klavier und an der Gitarre begleitet, untermalt, danken die Zuschauer mit langem Applaus.

Von Regina Wilhelm

Polyesterchen und Rehbratenwetter

Rheinpfalz, Kultur Regional

Fabian Schläper mit seinem aktuellen Programm „Nie! Außer manchmal“ im Mußbacher Herrenhof

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Neustadt-Mussbach. „Der macht nix, der will nur spielen“ – das ist wohl die beste Kurzfassung von Fabian Schläpers aktuellem Programm „Nie! Außer manchmal“, das er am Freitagabend im Mußbacher Herrenhof präsentierte. Das tat er trotz mannigfaltiger Konkurrenzveranstaltungen vor fast ausverkauftem Haus.
<text_1_absatz>„Eigentlich ist es ein Chansonabend, aber wir haben Kabarett aufs Plakat geschrieben, weil sonst keiner gekommen wäre“, sagt Schläper eingangs über das, was die Zuschauer die folgenden beiden Stunden erwarten sollte. Statt Weinhoheiten-Wahl, „Haiselscher“, Klassik- oder Rockkonzert sollten es also Lieder sein. Am Flügel begleitet von einem Pfälzer Urgewächs – Iris Kuhn, ehemalige Weinhoheit aus Königsbach sollte im Laufe des Abends so manche lokaltypische Einlassung absondern – widmete sich Schläper allerlei alltäglichen Befindlichkeiten, die sich vornehmlich um das Thema Versuchung drehen sollten.Ob es sich dabei um Schokolade, Zigaretten oder eben die Liebe handeln mag – Schläper hat etwas dazu gedichtet, Kuhn spielt dazu, und beide verzehren dabei im Laufe des Abends eine durchaus beträchtliche Menge Pralinées. Das zumindest nötigt dem Betrachter einen gewissen Respekt ab, denn beide präsentieren sich gleichwohl „in a good shape“, wie der Engländer sagen würde: rank und schlank und sauber onduliert.

Dass Kalorien Tierchen sind, die nachts die Hosen enger nähen, weiß Schläper zu berichten, dass nachts im Kühlschrank Licht brennt, wenn ihn der Heißhunger nach Nutella aus dem Glas befällt, und dass für den roten Glitzeranzug, den er in der ersten Hälfte des Programms trägt, so manches Polyesterchen hat sterben müssen. Der Frage, ob man lieber schlank raucht oder dick und rund Nichtraucher wird, widmet er eine Hommage an die geliebte Gauloise: Man könnte ja auch nur die Zigarette vorm Schlafengehen rauchen, meint er – man müsse sich dann nur 20-mal am Tag ins Bett legen …

Und überhaupt: „Wer mit dem Rauchen aufhört, muss nach dem Sex reden“ ist ein weiteres Argument, um dem Laster weiterhin zu frönen. Schokolade als Ersatz sei auch keine Lösung, denn die mache schließlich dick –und Schokoladenzigaretten als Kompromiss hätten auch nicht funktioniert.

Ein wenig nachdenklich widmet er sich dem Thema Liebe mit einem Lied, das von einem chinesischen Garten handelt, in dem der Gärtner von der Seerose, die Seerose vom Goldfisch und der Goldfisch vom Gärtner schwärmt, um zu dem Schluss zu kommen, dass man sich angesichts der Zufälle in der Liebe eben auch ans Single-Dasein gewöhnen müsse – trotz der Tatsache, dass Kochrezepte in der Regel für vier Personen notiert würden: „Wie man sich fettet, so wiegt man …“

Nach der Pause – Schläper hat den Glitzer- mittlerweile mit einem Jogginganzug vertauscht – macht das Duo einen Ausflug in die Tierwelt: Paul, das Faultier, wäre er gern, sein Haustier sei nunmal der innere Schweinehund, und gäbe es eine Wiedergeburt, erlebte man diese wohl am besten als Eintagsfliege, denn da beschere einem schon ein One-Night-Stand lebenslange Treue. Und man habe es insgesamt schneller hinter sich: „Bevor man fett wird, ist man hin.“ Bereits am Vormittag sei die Pubertät vorbei, das Werben um die Liebste gestalte sich weit weniger aufwendig angesichts auch derer begrenzter Lebenszeit und mit etwas Glück endet die Suche nach einem passenden Liebesnest auch nicht im Backenbart eines Biergartengasts, der sich des kitzelnden Etwas mit einer beherzten Ohrfeige selbst entledigt.

Dass der Moment, an dem aus Freundschaft Liebe wird, jener ist, bei dem man gemeinsam pupst, ist auch noch zu erfahren. Nun ja.

„Jedes Töpfchen findet sein Deckelchen“ zitiert er seine Oma, doch dann müsse er wohl eine Art Auflaufform sein, meint Schläper, der seiner Fleischeslust lieber Zunder statt Zander gibt: Denn habe man allen Widrigkeiten zum Trotz doch ein geeignetes Objekt der Begierde gefunden, müsse das zumindest kochen können wie die Mama: Bei richtigen Männern sei eben immer Rehbratenwetter – und am besten werde das Bambi schön blutig serviert.

Eher unblutig möchte man den Abend insgesamt beschreiben: Weh hat’s zumindest nicht getan.

Von Claus Jürgen Holler

Angela und das „Rheingold“

Rheinpfalz, Kultur Regional

Kabarettist Arnulf Rating zeigt bei „Kabarettissimo“ im Mußbacher Herrenhof Deutschlands Problemzonen auf

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Neustadt-Mussbach. Er scheint tatsächlich eine multiple Persönlichkeit zu sein. Denn nur so ist es zu erklären, dass Kabarettist Arnulf Rating in Windeseile von einer Figur in eine andere wechseln kann. Am Samstagabend war der Wahl-Berliner wieder einmal zu Gast bei der Kleinkunstreihe „Kabarettissimo“ im Mußbacher Herrenhof. Begeistert applaudierte am Ende das Publikum, das bei der Vorstellung des Künstlers alter Schule wieder viele neue Erkenntnisse gewonnen hatte.

Rating stürmt die Bühne und konfrontiert die Zuschauer mit der Tatsache, dass dieser Abend vom Radio aufgezeichnet werde. Deshalb sei eine Klatschprobe erforderlich. Sie sollten beweisen, dass es in Mußbach noch „lebende Kulturen“ gebe. Natürlich gehorchen alle, klatschen beim „realen“, also zweiten Auftritt, was das Zeug hält. Mit solchen Vorschusslorbeeren bedacht, legt Rating los. Wie später noch mehrfach, streut er zu Beginn Lokalkolorit in seine Ausführungen. Dass die Firma „Sulo“ schließe, müsse doch niemanden beunruhigen. „Wozu brauchen Sie Arbeitsplätze, wo Sie doch Wein haben?“. Dieser an Zynismus triefende Satz ist typisch für Rating. Er kann richtig fies sein – haut auf jeden und alles, was ihm kritikwürdig erscheint.Das sind zuerst und vor allem die Politiker: Erstes Stichwort ist die Bundestagswahl 2013, die „Zeit, in der Politiker an den Bäumen hängen – nicht einmal anständig aufgehängt sind sie“. Das Ergebnis, die „GroKo“, die Große Koalition, findet ebenfalls nicht sein Gefallen. Zur wahren Hochform läuft der Kabarettist auf, als er Kanzlerin Angela Merkel beschreibt. Eine ganze Latte von Männern – ja er tue sich mit dieser Zweideutigkeit etwas schwer – habe sie weggeputzt. Ob da Voodoo-Zauber im Spiel sei?

Verantwortlich für dieses Gebaren macht Rating die „Merkel-Raute, die sie sich bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth angeeignet habe. „Das umhüllte Nichts, der Ring, der ihr gelungen“, fügt er albernd hinzu, lasse andere sofort ins Koma fallen. Obwohl sie den Deutschen das hart erarbeitete „Rheingold“ weggenommen habe, hätten diese den Eindruck, dass es ihnen gut gehe. In einem Alptraum habe er gar gesehen, wie alle Bundesbürger lustig Rettungspakte für die jeweils anderen geschnürt hätten. „Mir wurde dabei so übel, dass ich einen Arzt brauchte“. Und schon schlüpft der Künstler in die Rolle des verqueren Dr. Mabuse.

Der Arzt, der, um seine wirtschaftliche Lage zu retten, im Reagenzglas Schnitzel aus Stammzellen züchten und im 3D-Drucker ausdrucken will, analysiert präzise die Problemzonen der Bundesrepublik: Früher hatte sie eine schlanke Taille, doch durch die Wende ist sie fett und breit geworden und hat beträchtliche Rückenprobleme. Ja, Dr. Mitterrand habe einen Eingriff im Rückgrat vorgenommen, habe Mark für Mark entfernt und durch den Euro ersetzt. Hypnotisiert von Theo Waigel und Helmut Kohl, habe das Volk im Wachkoma gelegen und die fatalen Nebenwirkungen nicht gespürt. Aber die Patienten vertrauten auf Merkel und Gauck, die eine exquisite Ausbildung in der evangelischen Komaklinik DDR genossen hätten.

Dann ist Rating Fred Ferkelmann, ein smarter, rotbebrillter Unternehmensberater. In seinem PR-Deutsch zeigt er, wie aus einer abgehalfterten Arztpraxis Profit zu schlagen ist – nein, nicht für den hoffnungsfrohen Mediziner, nur für ihn. Er spricht von „power“ und „perfection“ und davon, dass „business stets local“ sei. Herrlich persifliert Rating mit diesem Jargon die heiße Luft, mit der Kunden und Verbraucher eingelullt werden.

Ob Auswüchse des Justizsystems, verfehlte Fiskalpolitik und ausschließlich auf Gewinnmaximierung orientierte Konzerne – im rasanten Tempo setzt Rating seine treffenden Pointen. Noch stundenlang möchte man ihm zuhören, nicht nur, wenn er – sein Markenzeichen –die Schlagzeilen der Zeitungen deutet.

Von Regina Wilhelm