Kabarettist Felix Janosa führt im Mußbacher Herrenhof auf höchst erhellende Weise in die Geheimnisse des Musikgeschäfts ein
Neustadt-Mussbach. Ob wirklich einer der Zuhörer demnächst ins Show-Business wechselt, werden wir nicht erfahren. Die Grundlagen, um ein erfolgreicher Musikproduzent zu werden, haben jedenfalls alle erhalten, die sich am Samstagabend in den Festsaal des Herrenhofs in Mußbach begeben hatten. In der Reihe Kabarettissimo vermittelte der Komponist, Kabarettist und Produzent Felix Janosa die wichtigsten Voraussetzungen. Mit kräftigem Applaus bedankten sich am Ende die „Schüler“ für den unterhaltsamen „Unterricht“.
Nein, es sei gar nicht so schwer, ein Dieter Bohlen zu werden, verdeutlicht Felix Janosa, der selbst sehr bescheiden daherkommt. Dunkel gekleidet und mit der schwarzen Baskenmütze als Markenzeichen sitzt er am Flügel. Dass er die Klaviatur meisterhaft beherrscht, das wird im Laufe des Abends mehrfach deutlich. Gleich zu Beginn brilliert er mit einem Parforce-Ritt durch „die 99 größten Megahits aller Zeiten“. Kaum angespielt, geht das Thema schon über in den nächsten Song, wobei es Janosa gelingt, die Textfetzen sinnvoll aneinander zu kleben. Mit „I did it my way – let it be“ endet der furiose Auftakt.Doch zurück zu Bohlen: Wer ihm gerne nacheifern wolle, müsse lediglich Betriebswirtschaft studiert haben und völlig unmusikalisch sein, meint Janosa süffisant schmunzelnd. Wer eine Glatze habe, dick sei und hässlich, habe leider keine Chance auf Erfolg im Rampenlicht, der tauge nur fürs Tonstudio. Aber auch diese Arbeit könne Spaß machen, meint der Künstler, der selbst – ganz falsch – Musik studiert hat. Um einen Hit zu produzieren, brauche es lediglich einen Laptop, ein kleines Musikprogramm und einen Sampler, „das sind musikalische Bausteine, die es in jedem Großmarkt für elektronische Ware zu kaufen gibt“, zählt Janosa auf. Nun per „drag and drop“ den Sampler auf das Musikprogramm ziehen „und fertig ist der Song“. Dass das funktioniert, beweist er mit seinem frisch kreierten Hit „Come on let’s party“ – einfach mehrfach wiederholt. Wem das zu wenig ist, hängt noch ein „oh baby“, ein „tonight’s the night“ und – für die ganz Anspruchsvollen – ein „now it’s summertime, let’s go to the beach“ an.
Weil das Auditorium so gut drauf ist, klar, es ist ja Mandelblütenfest, wie der Künstler weiß, und auch so bildungsaffin, lädt er es zu seinem interaktiven Workshop „Deutsche Schlager“ ein. Zunächst gibt der Musiker auf den Silben „la la la“ die Melodie vor. Kein Problem für die Gäste. Erste Aufgabe: der Lagunen-Schlager. Gesucht wird eine Insel mit drei Silben. Usedom, wie einer sagt, geht nicht. Aber Inge hat’s drauf, sie nennt Sansibar. Wunderbar. Der Stadl-Schlager benötigt ein Tal mit drei Silben – nein, Esthal ist unpassend – Zillertal ist der Treffer; und beim Ballermann-Schlager fehlt ein Adjektiv und eine Satzergänzung. Der clevere Gernot reüssiert gleich doppelt: Er ruft nicht nur „nackisch“ zu „… girl, spring doch in den Pool mit Sangria“, sondern auch noch „… und dann hol ich meinen langen Strohhalm raus“. Für die passenden Reime sorgt Janosa schon selbst. Der Show-Biz-Erfahrene räumt aber ein, dass in seinem Metier nicht wirklich das Können zähle, sondern das Aussehen. Wenn die hübsche Tanja schlecht singe, werde einfach der gute Gesang der nichthübschen Babette eingespielt.
Die Werbejingles für die „hygienisch digitale Bettnässer-Windel“ oder für das Möbelhaus Müller aus Würselen, schon die Aussprache des Ortsnamens sorgt für Lacher, lassen erahnen, dass es ein Tonstudio-Angestellter nicht immer leicht hat. Die Ansprüche der Kunden seien hoch, aber zahlen wollten sie wenig, berichtet der Kabarettist.
Zur Hochform läuft Felix Janosa auf, als er Bushido nachahmt. Ja, das Berliner Kultusministerium habe den Rüpel-Rapper angeheuert, um den Schülern die klassische deutsche Literatur näher zu bringen. Die auf Kanak Sprak getrimmten Passagen aus Goethes „Erlkönig“ oder „Faust“ – „er trifft eine heiße Bitch, gut heißt Gretchen“ oder der „Pudel ist der Satan aus Neukölln“ – sowie Janosas gelungene Performance sind einfach großartig. Nicht weniger gelungen sind die kapitalismuskritischen Äußerungen, die der Kabarettist zum Schreien komisch im Stile der Komponisten des Barock, der Romantik, der 1930er und der 1970er Jahre vorträgt. Seine Hommage an Katy Perry, der „größten Waffe der USA“, oder sein Bewerbungslied für den Eurovision Song Contest 2016, das um Putin wohlgesinnt zu stimmen, auf einem russischen Volkslied basiert, zählen zu den weiteren Höhepunkten.
Ja, hier sitzt einer am Flügel, der weiß, von was er spricht respektive singt, der sich auskennt in der fadenscheinigen Welt des Musikgeschäfts. Und heftig klatschend würdigt das Publikum die ihm gewährten Einblicke in die „Hitfabrik“. Mit dem „Cancan des éléments“, Offenbachs bekanntem Cancan auf die Elemente des Periodensystems umgedichtet, verabschiedet sich Janosa aus Mußbach.
Von Regina Wilhelm
Neustadt-Mussbach. Wortlose Stille und schallendes Gelächter. Helmut Schleich versteht beides in Sekundenschnelle beim Publikum zu evozieren. Am Samstagabend war der bekannte bayerische Künstler zu Gast in der Reihe „Kabarettissimo“ im Herrenhof in Mußbach. Dort entzündete er ein verbales Feuerwerk, das seinesgleichen sucht.
Das Intro, das Schleich wählt, ist ungewöhnlich. An einem Tisch im Halbdunkel sitzt plötzlich ein fränkisch schwadronierender Mann. Erst allmählich wird aus seinem Geschwafel klar, dass hier ein Massenmörder seine Geschichte erzählt. Wer ihm nicht gepasst hat, den hat er einfach umgelegt. Ob die Jungs, die die Straße aufgegraben haben oder der nervende Bierausfahrer – weg mit ihnen. Kollateralschäden – „warum ist der Postbote an diesem Tag auch so spät gekommen“ – sind „leider unvermeidlich gewesen“. Immerhin: die Blattschüsse saßen. Das habe die Pathologin bestätigt. Die „Bestie von Doddelbach“ werde er im Dorf genannt. Wer das sage, der könne sich nach seiner Entlassung auf etwas gefasst machen.Wie von seinen Fernsehauftritten oder seinen früheren Gastspielen in Mußbach bekannt, schlüpft Schleich immer wieder in andere Rollen, nur selten ist er das eigene Selbst. Ja, sagt er, „der Einstieg war doch ehrlich“ – dabei sei Ehrlichkeit momentan ein heikles Thema. Wie ehrlich seien die Bekundungen „Je suis Charlie“?. Selbst der Bayerische Rundfunk habe an seinem Gebäude ein Transparent mit dieser Aufschrift befestigt. Ja, klärt der Kabarettist auf, „wir lügen uns durchs Leben“.
Natürlich kreuzten wir im Internet an, dass wir die Geschäftsbedingungen gelesen und akzeptiert hätten, sonst kriegten wir ja das Handy oder die Schuhe nicht. Überall „lassen wir uns bluffen“: Finden ein Auto gut, das an der Ampel ausgeht, oder wählen Politiker, die nicht ehrlich sind. Und die GroKo bezeichnet er als einzige „Verarsche“: welcher Merkel-Wähler habe den „gewamperten Barockengel Gabriel“ an der Regierung gewollt und welcher SPD-Wähler „Merkel, die uns vier Jahre Koma beschert“?
Als Heinrich von Horchen, dem alten, leicht sabbernden Gesangslehrer von Marika Rökk und Willy Fritsch, geht Schleich – in Zylinder und weißen Schal gekleidet – harsch ins Gericht mit den auch die Deutschen ausspionierenden US-Amerikanern. Die sähen uns doch noch immer in „Seppelhut, Lederhosen und Nazistiefeln, in denen wir Sauerkraut stampfen“. Dank Mikrochips sei Abhören heute halt leider wesentlich leichter als im alten Ägypten, als der Sklave den Pharao zum lauter und langsamer Sprechen auffordern musste, damit er alles Gesagte mitmeißeln konnte.
Später wird der Charmeur akribisch die Demokratiedefizite der EU auflisten. Von wegen Mitbestimmung der Bürger – keine Spur. Und weder am Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, noch an dem der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, lässt er ein gutes Haar. Kein Wunder, dass eine Führungskraft einer (fiktiven) russischen Teilrepublik sein Land als „fit für die EU“ erachtet. Ein kleines Problem räumt er dann doch ein. Wegen des blei- und schwermetallhaltigen Regens gehe der Salat immer ein – „deshalb sind wir keine Veganer“. Mit einem stets blauen Präsidenten, der natürlich gelbe Sterne sehe, sei der Weg in die EU wohl vorgezeichnet.
In der Figur des bildungsfernen Ferdi macht sich der Kabarettist dann nicht zuletzt über das Bildungsbürgertum lustig. In jeder Hinsicht der Höhepunkt des Abends aber ist Schleich in seiner Paraderolle als Franz-Josef Strauß. Nicht nur über seine Nachfolger und die heutigen bayerischen Politiker zieht „Strauß“ mit wunderbaren Spitzen her. Er nennt außerdem die Defizite und Makel seines Heimatbundeslandes und steht offen und ehrlich zu seinen eigenen Handlungen, die er selbstverständlich nur positiv wertet.
Spritzig, witzig, messerscharf, brillant. Helmut Schleich zählt, der Abend beweist es wieder einmal, nicht zu Unrecht zu den Großen der deutschen Kabarettszene. Und der Schlussapplaus zeigt, dass die Besucher auf ein baldiges Wiedersehen mit dem genialen Bayern hoffen.
Von Regina Wilhelm
Damit zeichnet die Jury einen Künstler aus, der sich von der Pantomime über die kulturelle Zeitkritik zum politischen Kabarettisten entwickelt hat. In seinen Programmen gibt er der jüngeren Generation eine Stimme. Mit Witz und Verstand, dabei immer charmant, in seiner Haltung aber bleibt er stets unerbittlich.