Neustadt-Mussbach. 2017 wird „Kabarettissimo“, die Kleinkunstreihe im Mußbacher Herrenhof, 20 Jahre alt. Das wird am 21. Januar groß gefeiert. Doch müssen die Kabarettfreunde bis dahin nicht darben. Fünf Veranstaltungen erwarten das Publikum in den kommenden Monaten im Festsaal des Herrenhofs. „Dieses Mal ist es ein recht ausgewogenes Programm“, sagt Uwe Kreitmann, der Mann, der seit fast 20 Jahren der Garant des „Kabarettissimo“-Erfolges ist.
Wie immer hat Kreitmann alte Bekannte eingeladen, präsentiert aber auch neue Gesichter. „Ich biete meinen altgedienten Künstlern immer eine Bühne, wenn sie ein neues Programm haben“, sagt er. Detlev Schönauer, Arnulf Rating und Thomas Reis sind in diesem Fall die „Altgedienten“, die zum wiederholten Mal in den Herrenhof kommen. Auch der besondere Augenmerk aufs Musikkabarett ist charakteristisch für das „Kabarettissimo“-Programm. Dafür stehen im zweiten Halbjahr mit „Pro-C-Dur“ und Michael Krebs zwei Gastspiele an, „die auch ein jüngeren Publikum ansprechen“, so Kreitmann. Doch ist er sicher, dass auch das Stammpublikum die Treue bewahrt, denn „das ist offen für Neues“, so seine Erfahrung. Und es vertraue ihm als Programmplaner: „Viele haben ein Abonnement, weil sie wissen, dass das, was wir bieten, lohnenswert ist. “So sind von den 220 Plätzen im Festsaal des Herrenhofs 100 an Abonnenten vergeben. „Wir haben aber auch Plätze an den vorderen Tischen im freien Verkauf“, verweist Kreitmann darauf, dass die, die nur von Fall zu Fall kommen, nicht unbedingt am Katzentisch sitzen müssen. Derzeit seien auch wieder einige Abonnements frei, so Kreitmann. In diesem Halbjahr sitzen die Besucher bei allen Veranstaltungen an Tischen. Stuhlreihen sind bei „Kabarettissimo“ eher die Ausnahme.
Das neue Halbjahresprogramm startet am Samstag, 27. August mit einem wirklich guten alten Bekannten: Detlev Schönauer, bekannt als französelnder Bistrowirt Jacques, steht seit über 30 Jahren auf den Bühnen der Republik und ist auch durchs Fernsehen eine feste Größe. Im Herrenhof trat er seit 2003 regelmäßig auf. In seinem aktuellen Programm „Oma ist jetzt bei Facebook – Fröhlich altern in Jacques’ Bistro“ geht es ums Altern, dem Schönauer, der mit 62 auch nicht mehr der Allerjüngste ist, möglichst positive Aspekte abzugewinnen versucht.
„Pro-C-Dur“ sind am Freitag, 3. September, 20.30 Uhr, zwar das erste Mal im Herrenhof, aber zumindest Timm Beckmann, der Frontmann des Duos, war mit seiner inzwischen verstorbenen früheren Bühnenpartnerin Christiane Weber schon einmal 2006 bei „Kabarettissimo“ zu Gast. Beckmann, der an der E-Gitarre entweder von Markus Grieß oder Patrick Steinhaus unterstützt wird, bietet Musikkabarett, das Klassik und Rock, Parodie und Philosophie wild durcheinanderwirbelt. „Das Kabarettkonzert“ ist der Titel des Programms, das Kreitmann, der viele auswärtige Kabarett-Veranstaltungen besucht, um sich auf dem Laufenden zu halten, bei einem Auftritt in der Nähe von Heidelberg so überzeugt hat, dass er es unbedingt auch für das Mußbacher Publikum buchen wollte. Dass dabei in diesem Fall der ungewöhnliche Freitagstermin um 20.30 Uhr herauskam, hat mit dem Neuen Wein und den Festivitäten der benachbarten Winzergenossenschaft Weinbiet zu tun, die im Spätsommer und Herbst in Mußbach die Hoheit haben und an Samstagabenden für eine Geräuschkulisse sorgten, die Kabarettveranstaltungen im Herrenhof unmöglich mache, so Kreitmann.
Das gilt auch noch für die nächste Veranstaltung am 14. Oktober mit Arnulf Rating. Der ist auch einer der „Altgedienten“, 2005 war er erstmals bei „Kabarettissimo“ zu Gast, und seitdem habe er alle seine Programme im Herrenhof vorgestellt, berichtet Kreitmann. Nun kommt er mit seinem neuen Programm, das kurz und knapp „Rating Akut!“ heißt und in dem es um Medien in jeder Form und um das wahre Leben geht. Rating gehört mit seinen 65 Jahren zu den Altmeistern des deutschen Kabaretts, und nur die Älteren wissen wohl auch noch, dass er 1977 das West-Berliner Anarcho-Kabarett „Die 3 Tornados“ mitgründete, das seinerzeit vom legendären Wolfgang Neuss in höchsten Tönen gelobt wurde.
Am 12. November geht es dann wieder an einem Samstag weiter. Bei der Verleihung des baden-württembergischen Kleinkunstpreises 2011 hat Kreitmann Michael Krebs entdeckt und beschlossen, „den will ich haben“. Seinen ersten Auftritt im Herrenhof hatte der in Berlin lebende Musikkabarettist dann im Mai 2014. „Er ist sehr gefragt, es ist schwierig ihn zu bekommen“, berichtet Kreitmann. In Mußbach stellt Krebs diesmal sein Programm „Jubiläumskonzert“ vor, das Geschichten und Lieder von Krebs aus früheren Programmen, aber auch neue Lieder bietet.
Mit einem weiteren guten Bekannten, nämlich Thomas Reis, endet das Halbjahresprogramm am 3. Dezember. Reis war seit 2004 schon fünfmal bei „Kabarettissimo“ zu Gast und macht nun mit seinem neuen Programm „Endlich 50!“ das halbe Dutzend voll. Wie schon der Titel zeigt, geht es auch hier um das Alter, allerdings nicht wie bei Detlev Schönauer um echte Senioren, sondern eher um die, die sich auf dem Weg dorthin befindet. Wobei es Reis generell mit dem Alter hat, schließlich hatte er viele Jahre Erfolg mit einem Programm, das den Titel „Gibt’s ein Leben über 40?“ trug. Der Freiburger ist selbst übrigens 52.
Im Januar 2017 beschäftigt sich Kabarettissimo dann mit seinem eigenen Alter. Zwar macht die Kleinkunstbühne im Herrenhof genau genommen erst im Herbst kommenden Jahres die 20 Jahre voll, doch wollte Uwe Kreitmann gleich zum Auftakt des Jahres feiern. Er berichtet, dass er bereits vor zwei Jahren mit den Vorbereitungen für den Jubiläumsabend begonnen hat. Mit dabei sein werden Frederic Hormuth, Annette Postel, HG Butzko, „Zu Zweit“, Robert Kreis und „Die Buschtrommel“.
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Alle Veranstaltungen der „Kabarettissimo“-Reihe finden im Festsaal des Mußbacher Herrenhofs statt, Beginn ist jeweils, soweit nicht anders angegeben, um 20 Uhr. Karten bei Tabak Weiss (06321/2942), in der Papier-Schatulle Mußbach (06321/ 60360) und unter www.kabarettissimo.de. Karteninfos am Veranstaltungstag jeweils ab 15 Uhr unter 06321/96399918. ann
Neustadt-Mussbach. „Florian Schroeder ist schwer zu buchen“, sagte „Kabarettissimo“-Chef Uwe Kreitmann bei der Vorstellung des aktuellen Halbjahresprogramms im Herrenhof. Am Samstagabend war der Kabarettist aus Berlin wieder mal da – und bewies vor ausverkauftem Haus, warum sein Terminkalender so voll ist: Der Mann ist gut. Richtig gut sogar.
„Entscheidet Euch!“ hat Schroeder sein aktuelles Programm überschrieben, und darin geht es punktgenau um so ziemlich alles, was seine Generation – die der heutigen Mittdreißiger – so umtreibt. Darum, dass man alle Optionen kennen sollte, um gute Entscheidungen zu treffen, aber auch darum, überhaupt Entscheidungen zu treffen. Dazu bedarf es natürlich zunächst des Vergleichs, sei es beim Kauf eines Laptops im „Media Markt“ oder bei der Auswahl des Abendessens beim Stamm-Italiener. Immer läuft man Gefahr, nicht die beste aller denkbaren Entscheidungen zu treffen, was unwiderruflich Reue nach sich zieht – wobei langfristige Reue wiederum meist die Konsequenz davon ist, überhaupt keine Entscheidung getroffen zu haben. Also: „Entscheidet Euch!“Wobei man im Zweifel immer auch geneigt ist, die Entscheidung zu delegieren. Beim Italiener beispielsweise mit der Frage nach einer Empfehlung des Hauses, die allerdings möglicherweise mit dem Hinweis „Alles gut!“ nicht wirklich weiterhilft. Und so geht es denn los mit dem Vergleichen – der „Vorhölle der Entscheidung“, wie Schroeder es nennt. Fisch, Fleisch, Pasta und alle denkbaren Kombinationen werden abgewogen, um schließlich doch wieder wie immer bei der „Pizza Nummer 17 mit doppelt Käse“ zu landen. Schroeder unterscheidet dabei zwischen zwei Menschentypen: den Optimierern und den Gelassenen, die das wollen, was gut genug ist – und damit letztlich zufriedener durchs Leben gehen.
Ausgehend von dieser These beackert Schroeder in atemberaubender Geschwindigkeit und mit beeindruckend hoher Pointendichte allerlei Lebensfelder von der Partnersuche über den Arbeitsmarkt bis hin zur Politik und aktuellen Themen, die die Medien beschäftigen. Dabei macht er aus seinem Herzen keine Mördergruppe, beispielsweise wenn er die Band „Glasperlenspiel“ und deren Songtexte zum „Elektroschrottpop“ für all jene, denen Helene Fischer zu anspruchsvoll ist, erklärt, oder das Paar Till und Tina nach Schwangerschaft und Geburt von der Freundschaft zur Bekanntschaft downgradet. Auch für den Einkauf „offline“ im Einzelhandel bricht Schroeder die Lanze, denn die unzähligen Kommentare der Internet-Einkäuferfraktion könnten den zwischenmenschlichen Kontakt und das im Optimalfall sinnstiftende Beratungsgespräch keinesfalls ersetzen.
Eine Million Flüchtlinge integrieren zu müssen, hält Schroeder angesichts der mehr oder minder gelungenen Integration von fast 18 Millionen DDR-Bürgern vor 25 Jahren für eine übersichtliche Aufgabe. Außerdem müsse die Bundesrepublik ja jedes Jahr noch rund eine Million Kinder aufnehmen – „bloß weil sie halt hier geboren sind“.
Die beiden Merkel’schen Meta-Ebenen beim Umgang mit Jan Böhmermanns Schmähgedicht gegenüber dem türkischen Staatspräsidenten hält Schroeder für erstklassige Satire-Schule: Angesichts des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Majestätsbeleidigungsparagraphen – „das ist für Erdogan die Gesetzgebung der Zukunft“ – sei es schon ein Kabinettstückchen, die Vorschrift nur noch einmal anwenden zu wollen, bevor sie denn abgeschafft würde. Wie im angesagten Edel-Club müsse eben auch bei Europa im Jahr 2016 ein türkischer Assi-Türsteher dafür sorgen, dass drinnen „weiter gemütlich gefeiert werden kann“.
„Dummheit ist erwünscht“, sagt er zu den vielen Schutzzonen, die Staat und Politik rund um den modernen Menschen errichtet, sei es bei der sprachlichen Korrektheit oder bei Andrea Nahles’ gescheitertem Versuch, den Paternoster zu verbieten. Helikopter-Eltern bereiteten das Scheitern ihrer Brut förmlich vor, denn sie nehmen ihren Kindern die Erfahrung, die sich Schroeder eigentlich vom Leben wünscht: den Mut zum Fehler, das Risiko des Scheiterns in Kauf zu nehmen – denn sonst stürbe man zwar beschützt, aber auch sprichwörtlich zu Tode gelangweilt.
Und das waren die Herrenhof-Besucher am Ende des Programms sicherlich keineswegs.
Von Claus Jürgen Holler