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„Rundrum war Osten“

Rheinpfalz, Kultur Regional

Arnulf Rating mit seinem aktuellen Programm „Rating akut“ im Herrenhof
Neustadt-Mussbach.

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Er zählt sozusagen zur „Stammbesetzung“ des Kabarettissimo-Programms im Mußbacher Herrenhof: Arnulf Rating sorgt mit seinen Solo-Auftritten seit vielen Jahren für volles Haus und beste Unterhaltung mit klassischem Polit-Kabarett. So auch am Freitagabend mit seinem aktuellen Programm „Rating akut“.

Eines von Ratings Markenzeichen ist der Stapel Zeitungen im Aktenkoffer – und der fehlt auch diesmal nicht. Für den 65-Jährigen ist Zeitung lesen eine Art der Entschleunigung der papierlosen Generation, die das Taschentuch als App auf dem Handy hat und sich wundert, wenn das Printprodukt nicht auf Wischen und Antippen reagiert. Auf charmante Art zeigt er dem (überwiegend älteren) Publikum, dass es durchaus auch ohne an den Handflächen festgewachsenes Smartphone geht und macht sich im Verlauf des Abends so manchen intelligenten Gedanken zum Weltgeschehen. Und da passiert so viel, dass sie nervös wird, die Welt.Flüchtlinge, Willkommenskultur, Sachsen und Syrien sind nur einige der Themen, die das Leben um eine Viertelstunde verschieben, weil immer häufiger ein „Brennpunkt“ auf die Tagesschau folgt. Da tut Entschleunigung not, insbesondere wenn man wie Rating aus West-Berlin und damit aus einer Stadt stammt, in der es nur eine Himmelsrichtung gab – „rundrum war Osten“.Seitdem habe sich viel getan, 25 Jahre Einheit hätten den Deutschen Gauck und Merkel in den höchsten politischen Ämtern beschert und Deutschland so zu einem Gottesstaat mit Predigern aus dem Nahen Osten gemacht, meint Rating.

Mal in die Rolle der Schwester Hedwig schlüpfend, mal in die Rolle des Hausmeisters, der noch am Abend 200 Feldbetten im Herrenhof aufstellen muss, weil Flüchtlinge nach Mußbach kommen, mal als schmieriger Investor macht sich Rating im Laufe seines fast zweistündigen Programms mancherlei Gedanken über die immer schnelleren Entwicklungen des Geschehens in der Welt: Er spricht über die sexuellen Übergriffe vor dem Kölner Dom, die doch sonst immer im Dom stattgefunden haben, über den Selbstmord aus Angst vor dem Tod der Wähler der Alternative für Deutschland, nimmt sich die „Rudelpresse“ vor, die reflexhaft auf bestimmte Themen anspringt, statt seriös Hintergründe zu recherchieren: „Natürlich wollen die Verleger die Top-Journalisten im Blatt behalten, aber die kümmern sich dann eben um die Gartenseiten in der Wochenendausgabe“, lästert er über die gefragten jungen Männer, die interaktiv die Online-Auftritte der Zeitungen und Journale befüllen.

„Wie geht es weiter nach Angela Merkel“ ist eine der vielen Fragen, die Rating aufwirft: Beschert die Angst vor der Zukunft und den Flüchtlingen den Deutschen eine Beatrix von Storch oder eine 16 Jahre währende Kanzlerschaft von Ursula von der Leyen? Oder einen Politikwechsel zugunsten der SPD, bei der es statt „alternativlos“ heißt „Genossen, es geht nicht anders“? Ist die Achse des Bösen kaputt, wenn der Westen plötzlich die Schiiten unterstützt? Und wie kommt unser Öl eigentlich unter den Sand im Nahen Osten? Jenes Öl, nach dem wir süchtig sind und das uns den Terror als Geschäftsmodell beschert hat. „Seit Peter Scholl-Latour gestorben ist, kann uns das keiner mehr erklären“, hat Rating festgestellt.

In all diesem Wahnsinn kann Sepp Blatter demonstrieren, wie man zurücktritt, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht und zuschauen, wie Uli Hoeneß das Bundesnebenverdienstkreuz verliehen wird.

Ganz nebenbei empfiehlt Rating angesichts der wenigen Ausländer in Mecklenburg-Vorpommern über ein Leggings- statt über ein Burkaverbot nachzudenken. Hoffentlich kommt er bald wieder … hox

Arnulf Rating
14.10.2016

Alles nur geklaut

Rheinpfalz, Kultur Regional

Klassik und Rock munter gemixt: Musikkabarett mit Timm Beckmann im Mußbacher Herrenhof

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Von Andrea Zimmermann

Neustadt-Mussbach. Können am Instrument, Spaß am Musizieren, Witz und Wortakrobatik bewies Timm Beckmann an den Tasten, unterstützt von Gitarrist Markus Grieß bei seinem Kabarettkonzert „[’pro:c-dur] reloaded“ am Freitag im Herrenhof. Bei Klassik und Rock querfeldein, munter gemixt, virtuos gespielt und originell kommentiert, zog das Duo die rund 150 Besucher in seinen Bann und hatte drei Stunden lang die Lacher und begeisterten Applaus auf seiner Seite.

Mit einem Chopin-Walzer steigt Beckmann ein. „Chopin hat einen Bezug zu Neustadt, denn er hat lange im Panorama-Hotel an der Rezeption gearbeitet“, fabuliert er. Ehe die munteren Lektionen in Sachen Musikgeschichte fortgeführt werden, bieten Beckmann und Grieß ein originelles Medley. Klassische Motive gleiten nahtlos in Pop, Rock und Heavy-Metal über. Und beide sind stets in Bewegung: hier der Gitarrist, dessen Finger über alle Lagen des Griffbretts gleiten und der noch weiß, wie man früher „Luftgitarre “ spielte, dort der Pianist, der den fliegenden Wechsel vom Flügel zum Keyboard beherrscht, beides oft mit gleichzeitig mit je einer Hand spielt und dazwischen noch die Drum-Pads bedient.Auf Brahms’ Schlaflied „Guten Abend, gute Nacht“ basierten die „Sandman“-Versionen von Metallica und Rammstein: „Nach einem solchen Gutenachtsong für Ihre Kinder können Sie sich den Kabarettabend abschminken.“ Weiter geht es mit George Bizet, dem „Dieter Bohlen seiner Zeit“. In den „Carmen“-Titel schleicht sich immer wieder die Melodie des „La Paloma“ zur Erheiterung des Publikums ein. „Warum alles zusammenpasst? Alles nur geklaut“, weiß Beckmann. Der Fußball-EM-Song „Auf uns“ von Andreas Bourani könnte ebenso von Grönemeyer sein, verdeutlicht er als Jammerrocker. Zum Thema Fußball und Sport fällt den beiden Helene Fischer ein. „Das Problem ist nicht Helene, sondern die Leute, die sie hören“, kommentiert Beckmann. Pharrell Williams wird gnadenlos entlarvt, denn Melodie und Harmonik von „Happy“ stammten aus „Von den blauen Bergen kommen wir“ und „Rocking all over the World“ von Status Quo. „Pharell hat auch bei Mozart gewildert, in der Kleinen Nachtmusik und in der Zauberflöte“. Bei der Beweisführung tauscht Grieß die E-Gitarre mit der Ukule: „Der Name des Instruments ist nur ein anderes Wort für verstimmt!“Dann starten beide einen Rundumschlag in Sachen Nationalhymne. Spaniens Nationalhymne wird gespielt, das Publikum soll raten. Einer ruft die Lösung laut heraus. „Licht an! Wo sitzt der Klugscheißer? Kein Text, keine Flagge, das weiß ich auch!“, meckert Beckmann. Es folgt eine Parodie auf das Kaiserquartett von Haydn, der Ur-Form des Deutschlandliedes. „Der Kaiser Beckenbauer hat seine Finger wohl überall drin“, meint der Gitarrist. „Die Holländer singen bei der ihren nie mit – kein Wunder bei dem Text, der auf Wilhelm von Nassau gemünzt ist: ,Bin von deutschem Lande, von Deutschem Blut‘. Peinlich.“ Besonders für die französische Nationalhymne sollte es eine Alternative geben. „Wer will noch auf deutschem Boden gegen Frankreich Fußball spielen, wenn die singen ,Das unreine Blut tränke der Felder Furche, marschiert’!“. Beckmann und Grieß stimmen „Je t’aime“ als Alternative an, unterlegt mit einem stöhnenden „O Merkel, Merkel“, was ihrer Meinung nach besser zu Sarkozy als zu Präsident Hollande passt. Letztlich die Europahymne: „Alle Menschen werden Brüder, das Lied aus Beethovens Sinfonie, darf man derzeit in Europa nicht singen, das würde die Flüchtlinge depressiv stimmen“, merkt Beckmann provozierend an. Stattdessen intoniert er „The final countdown“ (Europe), „The show must go on“ (Queen) und Abbas „Money“, mit satirischen Texten unterlegt.

„Tanzen bewegt“ lautet der Abschluss des Programms: Verschiedene Epochen vom Radetzky-Marsch bis zum irischen Stepptanz werden gespielt und getanzt. Das „Titanic“-Filmende haben sie auf ihre Weise weitergesponnen, weil sie immer dann eingeschlafen sind, „wenn sich Leonardo im Wasser an die Tür klammert und ewig nicht stirbt“ – mit „Er gehört zu mir“, „SOS“, „Und der Haifisch…“, „Time to say Goodbye“ und „Spiel mit das Lied vom Tod“.

Standing Ovations nach dieser ersten von zwei Dreingaben voller Spielfreude und Witz.