Von Ute Gerst
Neustadt. Wieder einmal hieß es „ausverkauft“ vergangenen Samstagabend auf der Kleinkunstbühne Kabarettissimo im Mußbacher Herrenhof. Angesagt hatte sich die A-capella-Gruppe Unduzo aus Freiburg, zum ersten Mal in Neustadt.
Das Quintett wurde 2008 gegründet und besteht heute aus vier Männern und einer Frau, allesamt studierte Musiker: dem Tenor Patrick Heil, der Mezzosopranistin und Altistin Linda Jesse, dem Beatboxer und Bass Julian Knörzer, dem Bass und Bariton Richard Leisegang und dem Bariton und Tenor Cornelius Mack. Pop, Comedy und Beatboxing sind die Zutaten, aus denen ein Gericht gemixt wird, das ankommt, etwas zögerlich zwar. Doch spätestens, als es hieß, „Ihr seid unser Soundeffekt“ war das Eis gebrochen, mussten doch die Besucher Geräusche in die Songs einflechten, wobei das mit dem Düsenjet eher eine der leichteren Übung war, denkt man an die Elchgeburt. Aber auch das meisterte ein Zuhörer grandios. Der erbetene Seewind wehte nicht als laue Brise und auch das kollektive Wildschweingrunzen klappte. Unduzo covert nicht, sondern bringt nur eigene Stücke, was ihnen 2014 zweimal Gold beim Internationalen A-capella-Wettbewerb „Vokal total“ bescherte. 2016 dann den Kleinkunstpreis Baden-Württemberg. „Und Du so?!“ lautet der Titel des Programms. Entstanden ist er, als Linda in die Band einstieg und sowas wie Choreographie ins Spiel brachte. Witzige Songs über verschiedene Perspektiven, aus denen sich der Frühling betrachten lässt. Die am lebenden Objekt vorgeführte Bedeutung der tiefen Stimmen und der mundgefertigten Beats überzeugen durch vollen Klang.Nach der Pause eine frech dargestellte Biergarten-Szene mit Tenor Patrick als muskelbepackten Gigolo auf Frauenjagd. Linda Jesse versetzt das Publikum mit dem Lied vom „traurigen Clown“ in fast andächtige Stimmung. Gesanglich virtuos mit spürbarer Freude an ihrer Musik.
Augenzwinkernd verarbeitet das Quintett Abwegiges und Absonderliches, Amüsantes und Provokantes zum Rundumschlag – mal vergnüglich, mal ernst, mal heiter, mal melancholisch, mal leise, mal laut. Bereichert mit energiegeladenen Beatbox-Einlagen – mit Mund, Nase und Rachen imitierte Schlagzeug- oder andere Percussionrhythmen – wird der Unduzo-Sound knackig und fetzig. Unduzo sind Geschichtenerzähler auf musikalischem Wege, gespickt mit Musical-Elementen und Wortwitz, der sicherlich noch ausbaufähig wäre. Ansonsten eine freche, selbstbewusste Performance, herausragend die Geräuschkulissen und die Verteilung der Stimmen, sodass Instrumente zu hören sind, die gar nicht da sind.
Der träumerisch-melancholischen „Ballade vom Sofa“ folgt das Stück „Der Astronaut“, welches das Publikum freudig mitsingt. Überhaupt tut die Korrespondenz mit dem Zuhörer dem Programm äußerst gut, es lockert auf, so dass der berühmte Funke überspringen kann. Schade, dass nicht mehr jüngere Leute den Weg in den Herrenhof gefunden haben, denen die prickelnden Hip-Hop-Elemente und das schräge Mundschlagzeug sicher gut gefallen hätten.
Die Fünf spekulieren darüber, unten ohne zu singen, in „Ferdinand“ kritisieren sie das Öko-Establishment und überlegen, warum Beziehungen so oft nicht funktionieren. Bei der verflossenen Liebe „Carmen“ geht es mitten ins Publikum: Damen anschmachten. Wie es sich anhört, wenn ein passionierter Beatboxer, Julian Knörzer, ein Meister seines Fachs, seinem Kind ein Schlaflied zu singen versucht oder wie ein „Astronom“ im Gegensatz zum „Gastronom“ den Frühling begrüßt, auch davon konnte sich das Publikum überzeugen.
Patrick Heil brilliert als Charmeur und holt die Zuschauer immer wieder zur Interaktivität ab, sei es mitzusingen, Geräusche zu imitieren oder mitzuklatschen. Getreu dem Motto „Jetzt stellt zur Abwechslung einmal die Band die Fragen“: „Wir haben genug von uns erzählt. Jetzt seid Ihr dran! Und du so? Begeistert?“
Von Ute Gerst
Neustadt-Mussbach. Kein Platz war mehr frei im Festsaal des Mußbacher Herrenhofs, als am Samstagabend Fabian Schläper mit seinem Programm „Das Große Glotzen“ als Gast der Kleinkunstreihe „Kabarettissimo“ auftrat. Mit „Lieder, Süßholz, Kabarett“ war der Abend angekündigt worden, doch, um es gleich vorweg zu nehmen, man hätte sich den mehrfach preisgekrönten Chansonkabarettisten bissiger, (gesellschafts-) kritischer, einfach witziger eben vorstellen können.
Zumindest der erste Teil des Abends war doch sehr bemüht: Schläper, unbekannt aus Funk und Fernsehen, will getreu dem Motto „Ich bin ein Star, holt mich hier rein!“ auf Sendung, verfügt er doch über Sendungsbewusstsein. Er habe zu viel ruhige Minuten und könne gerne eine davon abgeben. Ein kleines bisschen zu platt, hie und da eine kleine Stichelei, die man hätte vertiefen können. Einfach etwas mehr Akrobatik – im Wortwitz! Der Boshaftigkeiten einfach zu wenig, dafür aber manches Mal unter die Gürtellinie gegriffen.Im Wesentlichen ging es um Kritik am Fernsehen, und da wurde wenig ausgelassen. Iris Kuhn, fingerfertig am Klavier, spielte Erkennungsmelodien, auf die Schläper dergestalt einging, dass er einen thematischen Bogen in die heutige Zeit schlug: Prinzessin hatte er als kleines Kind sein wollen, nein, nicht Prinz, und trällerte ein Liedchen über das Aschenputtel von heute. Seine Leidenschaft sind ja Tierfilme, die sind so schön harmlos, anders als der „Mutantenstadl“ oder „Die Blindenstraße“, kurz angespielte Sequenzen, die wohl auf die täglichen Soaps hinweisen sollen.
Er habe sich erlaubt, das Testbild als modisches Accessoire in Form seines Anzugs mitzubringen: „Sie erinnern sich an das Samstagabend-Ritual im Bademantel vor ,Wetten dass?’ Nur Iris setzte sich in rosa Kleidchen und Lackschuhen vor die Glotze, weil ,wenn ich die sehe, können die mich vielleicht auch sehen!’“ Wer weiß? Danach wurden die Kinder ins Bett geschickt, wohingegen die Eltern ausharrten, bis die Nationalhymne das Ende des Fernsehabends einläutete. „Das war doch was Genaues, man wusste, eine ganze Nation geht jetzt schlafen!“ Der Küchentisch als Nabel der Welt, ein zartes und ernst gemeintes Lied darüber, dass man sich dort zuhause fühlt, wo man im Dunkeln durchs Zimmer gehen kann, ohne sich zu stoßen. Wenigstens eine eigene Kochshow hätte Schläper zu gerne, kocht er doch – vor Wut – bei all dem „Gelafer und Gelichter, Geschuhbeck und Gemälzer.“
Nach der Pause dann unterhaltsamer, gehaltvoller: Ein kurze Abfrage auf Werbebotschaften hin, die das Publikum mit Bravour bestand. Und dann schmolz es doch dahin wie die Yogurette auf der Zunge: „Du willst es doch auch!“ Nicht wegzappen! Nein, jetzt kommt doch noch die Helene Fischer in gelben Highheels Größe 43. Nun setzte Schläper sie auch ein, seine volle Stimme in Form von Barmusik, Jazz, Chanson, Arie und Rock-Reibeisen. Als homme fatal servierte der bekennende Homosexuelle den Wahnsinn des Fernsehalltags, es heiße schließlich nicht umsonst „Flach“-Bildschirm. Das war bissig-raffinierter als im ersten Teil, was das Publikum mit reichlich Beifall honorierte. Iris Kuhn überzeugte als versierte Pianistin, allerdings muss sie an ihrer Rolle als Assistentin und Akteurin an Bühnenpräsenz, die gerne komisch rüberkommen darf, noch arbeiten. Denn eigentlich kann sie mehr, als nur die Tastenmieze mit den Samtpfötchen zu sein.