Von Gereon Hoffmann
Neustadt-Mussbach. „Wie blöd kann man sein?“, fragt der Kabarettist HG. Butzko im Untertitel seines Programms „Menschliche Intelligenz“. Auch nach zwei Stunden war die Frage am Freitagabend im Herrenhof Mußbach nicht abschließend beantwortet. Aber man bekam doch einige schöne Beispiele für Glanz und Elend im Kopf des Homo sapiens sapiens.
Das schönste Zitat des Abends hat sich Butzko von einem Fachmann ausgeliehen: „Je größer der Dachschaden, desto schöner der Ausblick zum Himmel“, hat Karlheinz Deschner mal gesagt. Auf den profiliertesten Kritiker des Christentums hat sich der Kabarettist bezogen, als er das Thema Religion für sich entdeckte. Und wie kommt er auf Religion? Richtig, über den Terror. Und, nein, der muss nicht immer islamistisch sein.Butzko verwies auf die Lord’s Resistance Army in Uganda. Diese „Widerstandsarmee des Herrn“ verübt in Uganda unvorstellbare Gräueltaten – im Namen ihres christlichen Gottes. Allerdings kommt das in den Medien hierzulande praktisch nicht vor, im Gegensatz zu Boko Haram, ihren muslimischen Terrorkollegen in der Nachbarschaft. Butzko brachte noch ein paar andere Beispiele für christlichen Terror in jüngerer Zeit, wie etwa die blutigen Konflikte zwischen Protestanten und Katholiken in Irland.Das tat er beileibe nicht, um irgendetwas aufzurechnen oder zu relativieren. Er tat es, um die Annahme, Christen seien per se die friedlicheren oder klügeren Menschen, zu widerlegen. Und bei der Gelegenheit rückt Butzko auch gleich mal die schiefe Vorstellung vom „christlichen Abendland“ gerade: Alles, was unsere Gesellschaft heute auszeichnet, sei gegen den Widerstand der christlichen Kirchen erkämpft worden. Das ist eine so wichtige Aussage, dass er sie ruhig hätte etwas vertiefen können. Denn sein zweites großes Thema sind die selbsternannten Verteidiger des „christlichen Abendlandes.“ „Islamisierung schreitet voran: Immer mehr Deutsche gebrauchen arabische Zahlen“, will Butzko auf einer einschlägigen Website gelesen haben, gefolgt vom Kommentar „Bei uns nicht!“ Und dann fügt er hinzu. „Ich hoffe inständig, dass sie den Witz verstanden haben …“ Haben wir. Es sind ja nicht die Doofen, die ins Kabarett gehen und den großen Saal im Kelterhaus des Herrenhofs füllen.
Daraus folgt natürlich auch, dass Witze über dumpfe Nationalisten wohlfeil sind. Damit hatte Butzko zuvor den Abend eröffnet, nämlich mit den Kommentaren, die ihn über soziale Netzwerke erreichen. Da frage er sich schon morgens, ob er denn ein Proktologe sei – die Aussicht ähnele nämlich der Perspektive eines Enddarmspezialisten.
Es hat auch ein bisschen was von Rechtfertigung, wenn Butzko von der Bühne auf Vorwürfe aus der nationalistischen Ecke antwortet. Wie fast allen Kabarettisten wird auch ihm vorgeworfen, sich nicht mit Islamisten anlegen zu wollen. Dem hält er entgegen, dass sich in Deutschland nur fünf Prozent der Bevölkerung zum muslimischen Glauben bekennen und es also auch nicht besonders mutig sei, sich mit einer so kleinen Minderheit anzulegen. So ganz schlüssig ist das nicht, denn politische Relevanz ist keine Frage von Quantität. Butzkos viel bessere Entgegnung ist eine indirekte, nämlich seine grundsätzliche Kritik an Religionen. Klugerweise unterscheidet er dabei zwischen religiösen Menschen und organisierter Religion. Während er religiösen Menschen zubilligt, in den allermeisten Fällen nach ethisch richtigem Verhalten zu streben, sind Religionen für Butzko vor allem Kartelle, die nach Macht streben.
Der 52-jährige Kabarettist bezeichnet sich selbst als „gläubigen, nicht praktizierenden Atheisten“. Die Religionskritik ist ein Punkt, den er ausbauen könnte. Da gibt es nämlich vieles, was er nur streift, aber der näheren Betrachtung durchaus würdig wäre. Er lässt anklingen, dass er für einen konsequent laizistischen Staat eintritt. Davon sind wir hierzulande weit entfernt. Der in Gelsenkirchen aufgewachsene Künstler bringt dabei einen etwas hemdsärmeligen Ruhrpott-Charme mit auf die Bühne. Er ist nicht unbedingt der vornehme Florett-Fechter, sondern eher ein Ellenbogenrempler. Da erscheint es sehr passend, dass er 2013 den Publikumspreis des Wettbewerbs „Tegtmeiers Erben“ gewonnen hat. Den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Kabarett gab’s ein Jahr später.
Von Inge Kirsch
Neustadt-Mussbach. Viel witzige rheinische Landeskunde servierte das Bonner Kabarettduo Rainer Pause und Norbert Alich alias „Fritz und Hermann“ am Samstag den „Kabarettissimo“-Zuschauern im vollbesetzen Festsaal des Herrenhofs mit seinem Programm „Früchte des Zorns“ – und die beiden zeigten dabei, dass sie sich wunderbar aufregen können, über einander sowieso und außerdem über alles und jedes. Dabei kommt man schnell vom Hölzchen aufs Stöckchen und weiß dann nicht mehr, was man eigentlich sagen wollte. So kann man letztlich über alles sprechen.
Vor der Pause kamen vor allem die großen Themen des Rheinländers zur Sprache: Westfalen, Holländer, Protestanten. Zu den Westfalen hat der gemeine Rheinländer, so lernt das Publikum, ein Verhältnis wie der Pfälzer zum Saarländer. Die Nachbarn werden nicht geschont und gar das Schreckensbild einer westfälischen Völkerwanderung ins Rheinland an die Wand gemalt! Schon hier zeigt sich: Zwischen ernsten Themen wie der Flüchtlingskrise und kicherndem Blödsinn müssen Fritz und Hermann keine Strecke zurücklegen, das flutscht von alleine, und dem Zuhörer wird allerhand untergejubelt.Mit den Holländern ist es etwas anderes, die wandern nicht ein, sondern sie fahren massenhaft und boshaft auf den rheinischen Autobahnen herum und verursachen die grauenhaftesten Staus. Der rheinische Kabarettist Jürgen Becker hatte sogar mal die „Achse des Bösen“ in den holländischen Wohnwagen verortet. Bleiben die Protestanten! Furchtbar! Der rheinische Katholik sieht sich selbst als eigene Spezies. In der Jugend ist er erst mal Messdiener und hat früh gelernt, mit der Religion umzugehen. Bloß nicht zu ernst nehmen, lautet das Motto. Das, so Hermann in seinem Einzelvortrag, sei bei den Islamisten leider der Fall, sie seien eine Art mohammedanischer Protestanten. Alles genau und alles todernst nehmen. Lebensfreude ist verdächtig. Radikale also, wie die alten Protestanten! Da kam aber Protest aus dem Publikum! In der Pfalz treffe das nicht zu. Leute, die schmausend und zechend um die Tische sitzen, lassen sich keine Genussfeindlichkeit vorwerfen. Es waren offenbar allerhand Protestanten anwesend.
Nach der Pause wurde der Stil eher russisch, es gab viele Gesänge und angedeutete Tanzeinlagen vor allem zum Thema Alkohol und den Folgen, nicht nur bei den Russen, sondern auch bei den Darstellern selber. Rainer Pause setzte sich dann im Solo mit gesunder Ernährung auseinander anhand seiner Lieblingsgerichte Erdbeerjoghurt und Gummibärchen, die ja auch aus Bonn stammen. Er erklärte, wie es dazu komme, dass diese Gerichte durch die in ihnen erhaltenen Geschmacksverstärker den Verlust von Gehirnzellen zur Folge haben. Das sei aber nicht zu beklagen, denn auf dem Weg vom Affen zum Menschen habe man Gehirnmasse aufbauen müssen, die jetzt überflüssig sei. Er spann eine Argumentationsreihe, die vollkommen logisch klang und trotzdem absolut neben der Spur lag. Die Wirkung des Hirnzellverlustes demonstrierte er dann auch sehr hörbar in zunehmenden Wortfindungsschwierigkeiten. Da brauchte es keine Argumente mehr.
Die Vorstellung wurde musikalisch begleitet von Stefan Ohm am Flügel. Das Programm war zeitweise eine Revue mit lebhaft begleitetem Gesang und Bewegungseinlagen der beiden Kabarettisten. Leider verstand man bei den Gesängen nicht immer den ganzen Text, aber wo dies der Fall war, war er sehr witzig. Großartig vor allem geriet das Potpourri zum Schluss. Es war so furios und komisch, so originell gemischt in Melodien und Texten, dass man sehr konzentriert lauschen musste. Ideen und Absurditäten rauschten rasant durch den Saal, so dass das Publikum höchst amüsiert und vielleicht auch leicht verwirrt ob des Tempos in geradezu hymnischen Applaus ausbrach. Es klatschte lange und rhythmisch und bekam noch eine lustige Zugabe.