Von Andrea Dölle
Neustadt-Mussbach. „Jazz im Gotischen Chor“ der Johanneskirche in Mußbach gab es zum zweiten Mal am Samstag mit Sängerin Nicole Metzger und „The French Connection“. Das Konzert war ausverkauft. Für Nicole Metzger war es quasi ein Heimspiel, denn sie ist Neustadterin, und mit den überwiegend französischstämmigen Musikern – daher der Name – spielt sie schon viele Jahre zusammen.
Ihr Programm „Moondance“, alles Songs, bei denen der Mond eine Rolle spielt, war zustande gekommen für ein Konzert im Planetarium in Mannheim. Erstaunlich, wie viele Jazz-Klassiker es gibt, die irgendwas mit dem Mond zu tun haben! Es gab Kritik beim ersten Konzert in dieser Kirche wegen der schwierigen Akustik, aber nun war alles gut. Die Veranstalter hatten daran gearbeitet, mit Decken auf der Empore den starken Hall-Effekt eingedämmt. Auch die Musiker hatten es berücksichtigt, Jean Marc Robin spielte Schlagzeug mit einer ausgestopften Bass-Drum und mit den Besen statt Stöcken, und wie er das Schlagzeug dem Raum anpasste, gehörte zu den Höhepunkten des Abends. Was blieb von der Hall-Akustik, war ein wenig „Badezimmer-Effekt“, aber der war reizvoll. Metzger sang zu Beginn und auch ganz am Ende ohne Mikrofon, und sie bewies, dass sie eigentlich keine Verstärkung braucht, ihre Stimme kam kraftvoll und klar, jedes Wort verständlich.Sie hat allerdings auch eine regelrecht „athletische“ Stimme, voll Kraft und dabei außerordentlich biegsam, Spitzensport im Kehlkopf. Dazu hat sie Ausdrucksfähigkeit und Stilgefühl, jedem der teils sehr alten Klassiker verpasste sie ein ganz neues, unverwechselbares Nicole-Metzger-Kleid. Das hieß eine schärfere Rhythmik statt der lang ausschwingenden Melodie wie bei Frank Sinatras „Fly me to the Moon“ oder dem „Blue Moon“, reichlich Scat-Gesang, wo er ursprünglich nicht war, wie bei „Night and Day“ von Cole Porter, als Fred Astaire es sang. Warum nicht, wenn man das so gut kann. Überhaupt bevorzugt Nicole Metzger eher einen schnelleren, rhythmischeren Stil. Bei einem brasilianischen Bossa Nova traf sie so genau die „schrägen“ Töne, wie man es von anderen als Astrud Gilberto kaum je zu hören bekommt. „Moondance“ von Van Morrison war dabei, eigentlich kein Jazz-Titel, aber ist es nicht Jazz, kann man es immer dazu machen.Sehr funky war dagegen „No Moon at all“, und Nicole Metzger konnte zur Ergänzung des Schlagzeugs richtige Percussion mit der Stimme machen. „Rond Midnight“ von Thelonious Monk war ein weiterer Klassiker, der seine eigene Metzger-Note bekam. Zu „Old devil moon“ von Frank Sinatra kombinierten sie die Basslinie eines anderen Songs, „Killer Joe“, und Jean Marc Robin sang als Background-Sänger mit. Das machte Spaß und brachte einen eigenen Effekt. Gitarrist Wesley „G“ brachte seine Solo-Einlagen wie eine zweite Stimme ein, eher Partner als Begleitstimme. Der vierte im Bunde war Jean-Yves Jung am Piano, auch er ein überaus wandlungsfähiger Jazzer, der schon mit einer Menge Berühmtheiten des Jazz gespielt hat. Manchmal durfte auch das Publikum mitmachen, mit Refrains oder rhythmischem Klatschen.
„Flaming June“ war der letzte Titel des offiziellen Programms, eine eigene Komposition von Metzger, inspiriert von einem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert. Sie ließ den Song ausklingen ohne Mikrofon, indem sie langsam durch die Tür ging. Das Publikum war begeistert, stürmischer Beifall und Rufe nach Zugaben brachten Nicole Metzger zu einem letzten Lied zurück – da mussten aber alle mitsingen: „La le lu, nur der gute Mond schaut zu“.
Von Anke Wanger
Neustadt-Mussbach. Der Kabarettist Peter Vollmer war am Samstagabend in den Mußbacher Herrenhof gekommen, um nicht weniger als die Gattung Mann zu retten. Wovor? In erster Linie wohl vor sich selbst, wie Vollmer in seinem Programm „Er hat die Hosen an – sie sagt ihm welche“ dem Publikum vorführte.
Denn viele der geschilderten Widrigkeiten eines heutigen männlichen Durchschnittslebens basierten auf eigenen „Verhaltensfehlern“ wie Bequemlichkeit, mangelndem Selbstbewusstsein, zu hoher „Toleranz für Missverständnisse“, aber auch Auswirkungen „genetischer Schwächen“, an denen „Mann“ nichts ändern kann, höchstens die nervende Frau wechseln. Für Vollmer selbst gab es dafür am Ende wohlwollenden Applaus, aber keine Begeisterungsstürme.Der Mann mit sich allein, in der Gesellschaft, in der Partnerschaft, in der Midlife-Crisis – wo gehört er hin, so zwischen Brunft und Vernunft, zwischen Rennrad und Rollator? „Es lockt das Weib, doch bockt der Leib“, bringt Vollmer es auf den Punkt und glaubt Zustimmung bei den Älteren im Saal zu spüren. Der Mann werde nicht nur immer überflüssiger gemacht, ihm fehle Anerkennung, und es würden würdelose Witze über ihn gerissen. Beim Kinderzeugen und Einparken seien Männer mittlerweile entbehrlich. Eine Straße voller Männer werde respektlos Sackgasse genannt und behauptet, der Unterschied zwischen einem Mann und Joghurt bestehe in der Kultur – der des Joghurts.Vollmer erntet erste Lacher, und auch seine „Medleys“ aus angespielten alten Schlagern und Volksliedern auf der Gitarre, verbunden mit oft gelungen frechen Neuvertextungen zu kritischen Lebenssituationen im Männerleben, kommen gut an. Da klappert die Herzklappe am rauschenden Bach, da wollte er niemals auseinander gehen (körperlich), und „wenn sie geht, dann geht nur ein Teil von ihr, aber die Fernbedienung, die bleibt hier“. Doch zahlreiche Gemeinplätze, die mal mehr, mal weniger witzig sind, Schilderungen eigener Betroffenheiten oder Beobachtungen, wie etwa die unästhetisch nordic- walkenden „Krampfaderngeschwader“ oder der Veganer- und Vegetarier-Terror, sind nicht kabarettistisch. Vollmer zeigt sich wesentlich mehr als Comedian, allenfalls als „Comettist“, so man eine Begrifflichkeit für den immer häufiger bei Kabarettisten anzutreffenden Programmmix ohne tiefgründigeren Politgripp finden wollte. Daran ändert auch Vollmers kurzer Politikschwenk nichts, wo sich Joachim Sauer stellvertretend für von dominanten Frauen gebeutelte Männer abends mit seiner Frau, der Kanzlerin, unterhält und „manchmal auch selbst etwas sagen darf“.
Die Geschichte von Gott, der Bush, Obama und Trump fragt, woran sie glauben, entpuppt sich als Witz mit ziemlichem Bart. Denn nach den Antworten „an die Nation“ und „an die Demokratie“ der ersten beiden antwortet Trump: „Ich glaube, du sitzt auf meinem Stuhl!“ Nicht ganz neu ist auch Vollmers Jackenkauf für die Gelsenkirchener Wildnis, wo er letztlich von einem „kompetenten“ Navajo-Indianer eine Funktionsjacke der Extraklasse aufgeschwätzt bekommt, bei der Sturmwarnungselektronik, ein bei Salzwasserkontakt automatisch öffnendes Gummiboot und ein abknöpfbarer Lawinenhund inklusive sind. Mehrfach beackert Vollmer das Feld Kleidung. Eine neue Laufhose in M kann er nicht kaufen, da er nicht über Windblocker und Feuchtigkeitsmanagement reden möchte. Aber kein Problem, hat er doch in seinem Kleiderschrank genug Klamotten und kann einfach nicht verstehen, dass Frauen nichts zum Anziehen finden.
Dafür versteht er Männer, die ihre alten Jogginghosen lieben, auch wenn sie aus Frauensicht einfach nur noch in den Müll gehörten. Vollmer stichelt, wenn er die Frau seiner Erzählung mit dem Besen in der Hand fragt, ob sie noch sauber machen oder doch eher wegfliegen will, wird dann aber schnell wieder handzahm und bemüht sich um ein Candle-Light-Dinner mit dem Thermomix. Das hätte vielleicht etwas werden können, wenn er nicht „in Hirnfinsternis“ die Zutaten für alle Gänge gleichzeitig verarbeitet hätte. Eigentlich aber sehnt er sich nach kochlosen Zeiten, wo Männer noch ganze Kerle waren.