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Zeit für eine Revolution?

Sachen zum Lachen, mit oder ohne musikalische Begleitung, verspricht das Nach-Lockdown-Programm der Kabarettissimo-Reihe im Mußbacher Herrenhof. Dabei gibt es unter anderem die Begegnung mit einer Legende des deutschen Fernsehens. Den Auftakt macht am 10. September aber der deutsche Österreicher oder österreichische Deutsche Stefan Waghubinger.

Von Regina Wilhelm

 
Neustadt-Mussbach. Waghubingers Auftritt war eigentlich schon für 14. November 2020 geplant. Es war die erste Vorstellung, die während des zweiten Lockdowns der Pandemie zum Opfer fiel. „Zum Glück haben wir rasch einen Ersatztermin für ihn gefunden. Die für November gekauften Karten haben ihre Gültigkeit behalten. Und deshalb sind wir ausverkauft“, sagt Uwe Kreitmann, Organisator und Kopf der „Kabarettissimo“-Reihe. Trotzdem empfiehlt er allen, die den „ständig nörgelnden“ Kabarettisten gern sehen und hören wollen, sich per E-Mail auf die Warteliste setzen zu lassen. „Vielleicht gehen ja Karten zurück.“ 

Eine Plattform für regionale KünstlerWaghubinger ist in Mußbach kein Unbekannter. Vor drei Jahren war er zum letzten Mal hier und „gefiel“. „Ich sag’s jetzt nur Ihnen“ ist der Titel seines vierten Programms, mit dem er unterhalten, zum Lachen oder auch mal zum Staunen anregen will. Waghubinger erzähle gern Geschichten, die mitunter ungewöhnliche Wendungen nehmen, weiß Kreitmann. Manchmal seien sie zynisch, manchmal banal, warmherzig oder tieftraurig, aber stets in geschliffener Sprache – mit weichem österreichischen Akzent vorgetragen. 

„Schöne Mannheims“ – nein, kein Schreibfehler. Denn nicht die Söhne, sondern die Schönen der Quadratestadt werden am 24. September mit – Achtung jetzt kommt ganz viel schön – „Das Schönste der Schönen – Best of“ ihr Stelldichein geben. „Die vier wollte ich schon immer auf unsere Bühne bringen. Aber bislang hat es nie geklappt“, sagt Kreitmann erfreut. Den Söhnen stünden die Schönen übrigens in nichts nach: „Gesanglich und musikalisch sind sie genauso top.“ Eine der Damen, vergisst der „Kabarettissimo“-Chef nicht zu erwähnen, kenne das Mußbacher Publikum bereits gut: Anna Krämer, die Sängerin der „Twotones“. Mit ihr bilden Smaida Platais, Susanne Back und Stefanie Titus am Flügel das „frivol-freche Quartett“. Ihr Repertoire ist vielseitig, reicht von Pop über Musical bis hin zu Chansons und Klassik. Auch Eigenkompositionen geben sie zum Besten. Garniert mit humorigen Texten und witzigen Pointen „werden die vier Damen für beste musikalische Unterhaltung sorgen“, ist Kreitmann überzeugt. Gleichzeitig weist er darauf hin, dass er künftig den Fokus stärker auf regionale Künstler legen wird. „Ihnen wollen wir bewusst eine Plattform bieten.“

Im Gegensatz zu den „Schönen Mannheims“ gehört Ingo Börchers – O-Ton Kreitmann – „zum Inventar von Kabarettissimo“. Börchers, der bereits seit 2005 regelmäßig im Herrenhof zu Gast ist, bezeichnet er als „einen, der uns nahesteht und uns unterstützt“. Er kommt am 15. Oktober mit der Vorpremiere seines Programms, das den tiefsinnigen Titel „Das Würde des Menschen“ trägt. „Der Daniel Düsentrieb, der auf der Bühne wie ein Derwisch hin- und herflitzt“, haue seine Erkenntnisse in einem „bewundernswerten Takt“ raus, heißt es in der Ankündigung. Und: In den „philosophisch-satirischen Gedankenspielen“ wolle Börchers nicht alles kritisieren, was „schlecht gelaufen ist“, sondern sich darauf konzentrieren, wie es besser sein könnte. 

„Licht aus, Spot an!“: Ilja Richter kommt und singt„Licht aus, Spot an!“ – alle jenseits der 50 haben diesen legendären Spruch im Ohr. Ilja Richter, den jeder primär mit der ZDF-Musiksendung „Disco“ verbindet, obwohl das Jahrzehnte her ist, kann aber noch mehr, als nur Interpreten ankündigen. Er will und kann auch selbst singen, und zwar seine „Lieblingslieder“. Und genau das wird er auch im Herrenhof-Festsaal am 13. November tun. Begleiten lässt sich der 68-Jährige dabei am Klavier von Harry Emer. Über die Agentur von René Sydow, ebenfalls kein Unbekannter in Mußbach, wurde Kreitmann eher zufällig die Chance geboten, Richter einzuladen. „Da habe ich gern zugegriffen“, sagt er lachend. Er freut sich auf die Lieblingsmelodien des Künstlers, die von Kreisler, Knef und Krug bis zu Jürgens, „Abba“, Frank Sinatra und „Slade“ reichten. Ergänzt wird das Ganze mit privaten Geschichten und Anekdoten.

Den Jahresreigen schließt – aus Termingründen ebenfalls im November, genauer am 27. – die Ex-Kanzlersouffleuse Simone Solga. „Alle vier Jahre ist sie bei uns“, bringt es Kreitmann auf den Punkt. Unter dem Motto „Ihr mich auch“ wird sie darlegen, warum sie nicht länger ihrem alten Job nachgehen kann. Vieles gefällt ihr einfach nicht mehr in diesem „verrückt gewordenen Land“, in dem Gesinnung und Moralisieren wichtiger seien als Verantwortung und Kompetenz: Es sei an der Zeit, dass das Volk die Revolution probe, so ihr Statement. Kreitmann spricht von einer „durch und durch politischen Kabarettistin“, die ihr Programm stets mit tagesaktuellen Pointen aufzupeppen wisse.

Manches wird nicht mehr zurückgedrehtNachdem er 2020 und in diesem Frühjahr einige Veranstaltungen absagen musste, schaut Kreitmann inzwischen wieder hoffnungsvoll in die Zukunft. Weiterhin werden im Festsaal die Abstands- und Hygieneregeln gelten. Die Zahl der Plätze ist vorläufig auf 108 begrenzt. Der Raum wird mit einem neu installierten Gebläse durchlüftet, die Türen bleiben offen. Aber selbst wenn die Zeiten „wieder ganz normal werden“, wird manches nicht mehr zurückgedreht: So werden wegen Brandschutzauflagen auch künftig nie mehr wie früher 200 Zuschauer unter dem offenen Dachstuhl Platz nehmen dürfen. Bis September ist jetzt aber ohnehin erst einmal Sommerpause. „In diesen Monaten ist es im Festsaal sehr warm. Da in der Umgebung oft Feste und Feiern stattfinden, wird es zu laut, wenn wir alle Fenster aufstellen.“ Termine mitten im Hochsommer anzubieten – wie früher manchmal geschehen – habe deshalb keinen Sinn. Allerdings gibt es jetzt am Samstag immerhin, wie berichtet, einen Open-Air-Ableger der Reihe „Jazz im gotischen Chor“, die ansonsten in diesem Jahr coronabedingt komplett ausfällt: mit dem Latin-Trio „Latineando“.

Leicht angehoben wurden die Preise, und es gibt künftig auch nur noch eine Kategorie. Karten können dabei auch weiterhin nur per E-Mail reserviert werden. „Bei 80 Abonnenten ist leider der freie Verkauf sehr begrenzt“, begründet Kreitmann diese Regelung. Unverändert bleibt, dass vor Beginn und in der Pause Getränke und Snacks, aber keine ganzen Gerichte mehr angeboten werden .


NOCH FRAGEN?

Alle Veranstaltungen finden im Festsaal im Kelterhaus statt. Die Freitagstermine beginnen um 20.30 Uhr, die am Samstag um 20 Uhr. Karten für alle Veranstaltungen unter info@kabarettissimo.de. 

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 161
DatumDonnerstag, den 15. Juli 2021
Seite15

Arnulf Rating
9.10.2020

Da schnappt die Motte nach Luft

RHEINPFALZ, KULTUR REGIONAL

Der Stuttgarter Kabarettist Olaf Bossi entrümpelt im Mußbacher Herrenhof sein Leben

Von Andrea Dölle

Neustadt-Mussbach. Das Leben geht auch bei „Kabarettissimo“, der Kleinkunstreihe im Mußbacher Herrenhof, weiter, wenn auch mit Maske und Hygienevorschriften: Der Stuttgarter Olaf Bossi machte am Freitag mit seinem Programm „Endlich Minimalist“ im Kelterhaus-Festsaal Station, und die Fördergemeinschaft bedankte sich bei den Mutigen, die gekommen waren, mit Secco für jeden Tisch.

Olaf Bossis Witz ist nicht von der schenkelklopfenden Sorte. Sein Programm ist eher zum Schmunzeln und nimmt die Tücken des Alltags aufs Korn, solche, die auch die Zuhörer nur allzu gut kennen. Immer wieder gibt es kollektive „Oh ja“-Seufzer, und das Lachen gilt oft ebenso sehr der Selbsterkenntnis wie dem, wie Bossi die kleinen Geschichten aufspießt.

Eigentlich wäre er doch so gerne wie eine der Familien aus der Werbung, die morgens mit effizient gepackten Taschen eine wohlaufgeräumte Wohnung verlassen. Stattdessen erinnere der Abflug seiner Familie an eine bellende Hundemeute: „Wo..wo..wo!“ Wo das Handy, wo die gerade heute gebrauchten Utensilien – es liegt zu Hause eindeutig zu viel rum, als dass man das Benötigte einfach so finden könnte. Ein Programm zum Entrümpeln muss also her, etwa das der japanischen Minimalismus-Meisterin Marie Kondo, die nur noch den Besitz von Dingen gestattet, die glücklich machen, und empfiehlt, sich von allen anderen mit einem kleinen Dankesritual zu trennen.

Die Anwendung der Regeln auf die nette deutsche Durchschnittsfamilie wie die Bossis kann allerdings Probleme bereiten. Am einfachsten scheint noch das Aussortieren von Kleidern – vielleicht auch, weil dies Domäne der Ehefrau ist: „Der Kleiderschrank ist so voll, dass beim Öffnen ab und zu eine Motte heraus taumelt, um nach Luft zu schnappen, aber sie steht davor und hat nichts anzuziehen.“ Etwas komisch kommt er sich allerdings vor, wenn er mit seinen alten Socken reden soll, um sie zu verabschieden. 

Die Entsorgungsrunde für die unnötigen Bücher fördert quasi die Familiengeschichte zutage. Nie gelesene Erziehungsratgeber: „Wer hat schon Zeit, die zu lesen, wenn man kleine Kinder hat“, jede Menge Kochbücher aus der ersten Zeit der Ehe, die rasch abgelöst wurden von Diätratgebern, bis der Ehefrau die Erkenntnis dämmerte: „Frauen mit etwas mehr auf den Hüften haben statistisch eine höhere Lebenserwartung als die Ehemänner, die ihnen das sagen.“ Und dann war da noch das immer noch in Folie eingeschweißte Handbuch „Windows 98“. Die Idee, die Bücherkiste mit einem schön gemalten „Zu verschenken“-Schild vor die Tür zu stellen, bringt den unerwarteten Effekt, dass die Kiste immer voller wird – auch die Nachbarn haben Bücher, die sie loswerden wollen. 

Drei Thermometer –
das hat schon seinen Sinn

Noch tiefer in die eigene, halb vergessene Kindheit und Jugend geht es mit dem Aussortieren von Schallplatten und Musikkassetten. Plötzlich ist man wieder der kleine Junge, der mit dem Finger über der Aufnahmetaste da sitzt, um auf keinen Fall das Lieblingslied zu verpassen. Was aber heute das richtig nostalgische Gefühl auslöst, so Bossi, sei weniger die Musik, „die kriegt man ja überall, auf Youtube oder CD“ – es sind die Stimmen der damaligen Moderatoren. Man kann aber auch überrascht werden, etwa, wenn man den Kindern was Lehrreiches antun will und eine Verkehrserziehungskassette von anno Tobak abspielt: Beim Eröffnungslied wimmelt es von heute nicht mehr politisch korrekten Begriffen: Neger etwa. 

Nächste Runde: Medizinschränkchen. „Bei uns haben sich so viele Medikamente angesammelt, dass wir jederzeit dem nächsten Krankenhaus in Notfällen aushelfen könnten.“ Dazu drei gleiche Fieberthermometer, von denen keines weg kann: eines für die Kinder, eines für die Erwachsenen und eines für den Kater – mal im Popo, mal nicht. „Ich kann nur darauf vertrauen, dass meine Frau sie nicht verwechselt.“ Und dann die Sache mit den Globuli, die der Kleine en masse konsumiert hat. Wirken sie, dann braucht man den Giftnotruf. Wirken sie nicht, war alles Betrug. Ein befreundeter Arzt gibt dann die Anweisung: „keine weiteren Süßigkeiten mehr an dem Abend – und gründlich Zähneputzen“. Zum Abschluss serviert Bossi dann noch ein Schlafliedchen für aufgeweckte Kinder – wenig Text, aber alle Emotionen eines gequälten Vaters rauf und runter. „Das war ein richtig netter Abend“, war beim Hinausgehen zu hören, „man konnte sich so gut hineindenken“.