Von Regina Wilhelm
Zum Saisonauftakt wird zunächst am Freitag, 16. September, Michael Krebs, im Festsaal erwartet. „Das ist ein Nachholtermin vom März. Da war der Künstler leider an Corona erkrankt, und wir mussten den Abend absagen“, sagt Uwe Kreitmann, Begründer und Hauptverantwortlicher bei „Kabarettissimo“. Das Programm, das der „Altrocker Krebs“ im Gepäck habe, sei unverändert – es heißt „#Beyourselfie“. Der studierte Jazzmusiker, „der sich natürlich selbst am Flügel begleitet“, sei von etlichen Fernsehauftritten her bekannt. „Und er war auch schon einige Male bei uns“, bekräftigt Kreitmann. Krebs schaue genau hin, was sich in der Welt und in der Gesellschaft so abspiele und mache sich darüber lustig. Als Krebs’sche Markenzeichen nennt er bissige Texte voller Ironie und schwarzem Humor. Kreitmann spricht von „Comedy mit Tiefgang“. Dass einem mitunter das Lachen im Halse stecken bleibe, nehme der Künstler gern in Kauf. Die für die März-Vorstellung erworbenen Karten sind weiterhin gültig, betont Kreitmann. Es sind aber trotzdem noch freie Plätze vorhanden.
HG. Butzko kommt immer wieder gern nach Mußbach„Ach ja!“, so lautet der Titel seines ganz neuen Programms, das dieser Tage Premiere feiert. „Ach ja, der Butzko“ möchte sicherlich mancher „Kabarettissimo“-Besucher ergänzen. Denn der Mann mit dem sibyllinischen Kürzel HG. als Vornamen ist „fast mit jedem seiner Programme bei uns zu Gast gewesen“, sagt Kreitmann schmunzelnd. „Nein, 2020 nicht“, fügt er gleich hinzu. Als Wort- und politischer Kabarettist sei Butzko beim Publikum sehr beliebt, weiß der „Kabarettissimo“-Chef. Umgekehrt steuere der Gelsenkirchener gern die Pfalz an. „Wir finden meist schnell einen Termin.“ Dieses Mal, am Freitag, 23. September, geht es um den Vorwurf, dass die Erwachsenen die Welt von den Kindern geliehen hätten. Und diese fordern sie nun ein. Nein, wirklich? Was können wir denn zurückgeben? Was ist in den vergangenen 25 Jahren schiefgelaufen? Wie konnten wir derart über unsere Verhältnisse leben? Auf diese Fragen werde Butzko bestimmt treffende Antworten wissen, ist sich Uwe Kreitmann sicher.
Für Mai 2020 war Tina Häussermann angekündigt. Doch die Pandemie durchkreuzte auch diesen Plan. Nun wird die Künstlerin am 14. Oktober erwartet. „Supertina rettet die Welt“, heißt ihr Programm. Oh, là là, da hat sich jemand viel vorgenommen. Aber wer Häussermann kennt, weiß, dass sie ihre hehren Absichten mit einem Augenzwinkern transportiert. „Mit Empathie, Höflichkeit und Allmachtsphantasien rückt sie Corona, Klima und Kojoten auf den Leib“, heißt es in der Beschreibung. Ansonsten menschele es bei ihr aber ganz stark, sagt Kreitmann grinsend. Ihre selbst geschriebenen Lieder begleitet sie auf dem Flügel. Zwischen den Musikbeiträgen glänze Häussermann mit „einer nicht weniger gekonnt-komischen, spitzzüngigen Moderation“. Die Künstlerin ist ebenfalls schon mehrfach in Mußbach aufgetreten, früher hin und wieder auch im Duo mit Fabian Schläper.
Großes Open-Air im nächsten Sommer?
Das Jahr beschließen am 5. November dann „Simon und Jan“. „Die Jungs waren schon dreimal bei uns zu Gast, aber irgendwie habe ich sie aus den Augen verloren“, bekennt Kreitmann. Vor zwei Jahren habe er sie beim 3Sat-Festival in Frankfurt „sozusagen wiederentdeckt“. Er selbst finde die zwei „supergut“. Vor allem ihre sozialkritischen, politischen Lieder, die vor schwarzem Humor triefen, mag er. Es seien die starken Inhalte und die Musik, die ihn beeindruckten. „Das Duo ist eindeutig das anspruchsvollste auf der Bühne.“
Wegen der am 18. November startenden Fußball-Weltmeisterschaft sei in diesem Jahr schon im November Schluss, erklärt Kreitmann. Er könne und wolle nicht mit dem Fußball „in Konkurrenz treten“. Künftig, kündigt er an, werde es auch eine längere Sommerpause geben. Als Gründe nennt er einerseits die hohen Temperaturen im Festsaal, die mitunter heraufschallende, störende Musik von Veranstaltungen in der Umgebung sowie die Feste in der Region, die das Publikum abzögen. Eventuell gebe es in dieser Zeit aber Kabarett oder Musik im Freien für 600 bis 800 Zuschauer. „Die Technik haben wir bereits angeschafft.“ Noch sei aber „nichts Konkretes geplant“.
Generell hält Uwe Kreitmann am bewährten Konzept fest: Es gibt Kleinigkeiten zu essen und Mußbacher Weine vor der Veranstaltung und in der Pause. Nach der neuen Sitzordnung finden insgesamt 190 Besucher im Festsaal Platz. Abos, sagt er, gebe es fast keine mehr. Neu ist, dass Karten nun auch über den Ticketservice Eventim zu buchen sind, „was für den Zuschauer, der selbst bundesweit reservieren kann, und auch für uns kleine Vorteile bringt“. Die Eintrittspreise sind unverändert geblieben.
NOCH FRAGEN?
Alle Veranstaltungen finden im Festsaal im Kelterhaus des Herrenhofs in Neustadt-Mußbach statt. Die Freitagstermine beginnen, wie gehabt, um 20.30 Uhr, die am Samstag um 20 Uhr; Einlass ist jeweils ab 19 Uhr. Karten gibt es noch für alle Vorstellungen. Vorab erhältlich sind sie bei Tabak Weiss in Neustadt, online bei Eventim sowie unter www.kabarettissimo.de.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 205 |
Datum | Samstag, den 3. September 2022 |
Seite | 15 |
Von Birgit Karg
Eins vorab: Dieter Hildebrandt hätte seine helle Freude gehabt. Denn der 42-Jährige aus dem Ruhrgebiet ist ein brillanter Intellektueller, der den großen Wurf verfolgt. Ein Überzeugungstäter, dessen Programm „Heimsuchung“ um nichts Geringeres als Leben und Tod kreist und dabei die Abgründe menschlicher Existenz auslotet.
Er glaube an die „exorzierende Kraft von Kabarett und Satire“. Mit Blick auf Politiker wie Jens Spahn („das Shetlandpony unter den geistigen Rennpferden in unserem Land“) und Robert Habeck („groß, grün, stark, der Hulk der Bundespolitik“) sei die Zeit der bösen alten Männer endlich vorbei. Die Politik werde immer komplizierter.
Das Land? Visionslos und denkfaul. Der Instagram-Influencer als „Hochleistungsmensch“ sei die neue Leitfigur in einer digitalen Welt, die das Machbare, ökonomisch Optimale feiert. Eine Jugendkultur, kritisch, protestlerisch? Gibt es nicht mehr. Junge Leute im Selbstoptimierungswahn hängen ab im „MacFit“ („Hermann Görings Betriebskantine“), dabei finde man in einem gesunden Körper längst keinen Geist mehr. Stattdessen allerorten „durchoptimierte Iche“, die, von der Industrie geliebt, der „Gedankenprothese“ des Algorithmus folgen. Der digitale Mensch als „maschinell gestanztes Panini-Bildchen“ lebe im Safer Space eines „digitalen Biedermeier“ voller Angst und Befindlichkeiten. Die Leute da draußen, seien immer gereizter, spießiger, „nur noch schlecht gelaunte Paranoiker da draußen“.
Im zweiten Programmteil analysiert Sydow menschliches Verhalten: „Große Sprünge, leerer Beutel“, wir leben nach dem Känguru-Prinzip. Wie gehen wir miteinander um? Die Alten abschieben ins Heim („Zitterbunker“, „Sterbelaube“) und gleichzeitig die Pflege den Marktgesetzen unterwerfen in einem System, das 400 Krankenkassen unterhält. Sydow legt den Finger in die Wunden einer durchökonomisierten, digitalisierten Welt, als leidenschaftlicher Humanist und intellektueller Überzeugungstäter entlarvt er das Unmenschliche und bricht dabei eine Lanze für Pflegekräfte, Putzfrauen, Müllmänner, ohne die „die Welt zusammenbrechen“ würde.
Stattdessen gehe es in einer „Gesellschaft der Iche“ nur noch um Rendite, um Gier. Zwischen Reichtum und Leistung gibt es keinen Zusammenhang mehr. Proletarier-Stolz? War einmal. Stattdessen schämen sich Arme ihrer Armut. Und die Politik? Singt unverfroren das Loblied der Globalisierung und Vollbeschäftigung, vom tapferen Rentnerlein und „Arbeit, die sich lohnt“.
Stichwort Corona: Abseits der Pandemie seien die drei größten Epidemien unserer Zeit Übergewicht, Kurzsichtigkeit und Einsamkeit. Auch hier liege die Wurzel allen Übels im Digitalen. Bilderflut, Datenstrom und Belohnungssystem, „man meint, alles sei im Fluss, dabei ist alles im Eimer“.
Seine Gedankenwürfe entwickelt der Kabarettist mit brachialer Wortgewalt und gnadenlos bitterer Ironie. Das mag manchmal übers Ziel hinaus schießen, einige Zuschauer (Stichwort „Alte und selbstfahrendes Auto“) fühlten sich vor den Kopf gestoßen. Doch ist bei René Sydow intellektueller Hochgenuss durchweg garantiert. Gespickt hatte der Schnellredner und Schnelldenker sein politisches Kabarett mit „Zahlen, Daten, Fakten“, doch komme es letztlich immer „auf den persönlichen Standpunkt“ an. Dass das Politische letztlich doch privat und das Private politisch ist, zeigte seine Schlussnummer, die überraschend poetisch geriet. Da schlüpfte der zornige Intellektuelle in die Bergmannskluft seines Opas und zelebrierte den Steiger aus der Zeche Zollverein in Essen als menschliches Vorbild für Würde und Anstand.
Mit dem Bergmannslied „Glück auf“ setzte René Sydow dem Arbeiter ein posthumes Denkmal.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 119 |
Datum | Montag, den 23. Mai 2022 |
Seite | 19 |