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Frisch und funkelnd

Kultur Regional

Matthias Ningel mit philosophischem Musikkabarett im Heerenhof Mußbach

Von Birgit Karg

Philosophisches Musikkabarett aus der Eifel: Mit seinem fünften Soloprogramm „Harmonie“ zielte Matthias Ningel aufs große Ganze – und begeisterte im Herrenhof Mußbach mit geballter Sprachmacht und leidenschaftlichem Vortrag.

Die illustre Reihe „Kabarettissimo“ steht für Kleinkunst im Premium-Format, und so durfte man sich auf einen außerordentlichen Abend freuen. Die Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Ein schlaksiger Lockenkopf im pastellfarbenen Zweireiher erscheint. Spitzbübischer Charme, Schwiegermuttertyp. Doch da greift er in die Tasten, haut die erste Nummer raus im Polka-Takt: „Scheiß drauf, Hauptsache die Wirtschaft wächst“ eröffnet das Programm. Ein pralles Poem übers Wachstums-Paradigma auf dem Raubbau-Planeten. Schon nach den ersten Takten hat Ningel seinen Publikums-Chor samt geballter Fäuste.

Nach „Harmonie“ fahndet der promovierte Musiker in Musik, Kultur, Natur, Körper und Psyche und durchmisst dabei das Chaos in Kosmos und Gesellschaft. Harmonie als „die Kunst, Systeme in eine stimmige Ordnung zu bringen“ erleben die Zuhörer in pointierten Texten und virtuosen Liedern. Da geht es mit Ronan Keating („You say it best when you say nothing at all“) aufs Spargelfest in der Eifel, und eine kreischende Spargelschälmaschine wird zur Chaos-Metapher. „Mein Schnuckelhase macht grad Massephase“ ist ein Lied über „Körperoptimierer“, die zu Berserkern mutieren. Matthias Ningels Texte schaffen die Balance zwischen subtilem Humor und deftigen Pointen. Sein Vortrag reizt unterschiedliche Genres aus. Es gibt Beat-Grooves aus prallen Backen, Achtziger-Jahre-Feeling mit Synthesizer-Untermalung, Körperperkussion, Klangschale und diverse Kleininstrumente. 

Die ganze Klaviatur akustischer Ausdrucksweisen bedient Ningel im Lied „Schicht um Schicht“, das die Geschichte eines Hauses anhand wechselnder Bodenbeläge in der Weltgeschichte verortet.

Ningels Texte offenbaren ungewöhnliche Perspektiven und scheinen zuweilen autobiografischen Charakter zu haben. So erleidet man mit dem Künstler schmerzhafte Nierenkoliken („Nierenstein“) und findet sich wieder in einer szenischen Action-Ballade über das hiesige Gesundheitswesen. Das Lied „Bildschirme“ über digitale Welterfahrung aus zweiter Hand, die unser aller Handeln und Denken lenkt, transferiert Platons Höhlengleichnis in die Jetztzeit.

Matthias Ningels Texte sind frisch und funkelnd und überzeugen mit klug ausgearbeiteten Ideen und geschliffenen Überleitungen. Dem Kabarett ist der nun 38-Jährige seit seiner Schulzeit in der Eifel verbunden. Seine jugendliche Leichtigkeit hat sich der mit Kleinkunstpreisen vielfach gekürte Brettl-Virtuose auch im aktuellen Programm bewahrt, das der Frage nachsteigt, was die Welt in Ordnung bringt. 

Wie der Wortkünstler gesellschaftliche Phänomene in Musik überträgt, ist einfach grandios. Selbst Text- und Liedfragmente über Sauna-Ultras („Aufguss!“) und die „verlässliche Unsicherheit“ des bundesdeutschen Schienenwesens („Deutsche Bahn“) machen Lust auf mehr. Angesichts von Klima, Katastrophen, Krieg, KI und einem künftigen Kanzler Merz sei die Welt nur noch mit „Superheldenpower“ zu retten. Zwischen Fragment und vollendetem Werk fragt der Wortphilosoph nach Harmonie in der Gegenwart und definiert sich dabei bescheiden in der Formel „Kleinkünstler = Universaldilettant“. Gesellschaftliche Phänomene und menschliche Abgründe erscheinen mal im flotten Charleston („Urlaub“), oder er gießt Wörter mit Beatbox-Grooves in einen Blues („Ballade von der Bettpfosten-Betty“). Dass Menschenfeinde weder singen noch tanzen können, hat er in ein Lied gegossen: „Euch fehlt die Musik“ als inbrünstiges Plädoyer gegen Rechts lässt an Konstantin Wecker erinnern. 

Der Abend klingt aus mit Beethovens Neunter und einer kollektiven Summ-Meditation der Europa-Hymne. Als Zugabe hat Matthias Ningel noch das Soziopathen-Kind „Karl-Leonhard“ im Gepäck, abgerundet von „Ilona“, einem Stück über das Alltags-Chaos in Büro und Beziehung.

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 71
DatumDienstag, den 25. März 2025
Seite15

„Oh Anneliese, popel nicht“

Kultur Regional

Unwahrscheinlich unglaublich: Mentalmagier Christoph Kuch verblüfft bei „Kabarettissimo“ im Herrenhof mit seiner Treffsicherheit

Von Cosima Schade
 

Der Mentalmagier Christoph Kuch versetzte die Zuschauer im Herrenhof in Mußbach am Samstag in der Show „Ich weiß“ in absolutes Staunen. Wie macht er das nur? Liest er wirklich Gedanken, manipuliert er, oder ist alles nur ein Zaubertrick? Einfach unglaublich.

Kuch zaubert keine Hasen aus Hüten und verwandelt kein Wasser in Wein. Ein Mentalmagier gibt vor, Gedanken zu lesen. Kuch ist darin Weltmeister. Trotzdem ist es ihm wichtig, die Zuschauer wissen zu lassen, dass alles „nur Show“ ist. Er kann keine Lottozahlen vorhersagen. Er kann nicht mit Toten sprechen. Wahrscheinlich kann er sogar nicht einmal wirklich Gedanken lesen. Dennoch spielt er mit dieser Aura. Kann er es vielleicht doch, indem er die Mikrokörpersprache liest? Damit würde er über ein beneidenswertes Wissen verfügen. Er könnte Lügner entlarven. Oder kann er „einfach“ super manipulieren? Aber dann würde man nur glauben, über einen freien Willen zu verfügen, läge aber völlig in den Händen von Menschen, die entsprechende Techniken beherrschen. Oder aber arbeitet er nur mit Wahrscheinlichkeiten? In Interviews sagte er, dass diese Wahrscheinlichkeiten für eine Show nicht ausreichten. Er könne ja keine Show gestalten mit nur 80 Prozent Treffsicherheit. Tatsächlich sitzen bei ihm 100 Prozent! 

Die Zuschauer kommen aus dem Staunen nicht heraus
Beispiel: Zwei Personen aus dem Publikum stehen auf der Bühne. Nur mittels Visualisierung soll der Pin-Code übertragen werden, die Empfängerin soll dann die Zahlen auf einen Block schreiben. Kuch schnippt mit den Fingern, als würde er den „Geist der Zahl“ auf seinem Weg begleiten. Tatsächlich kommt am Ende die richtige Zahlenkombination des Kontoinhabers an. Unheimlich. 

Anderes Beispiel: Vier Menschen aus dem Publikum haben auf der Bühne freie Platzwahl. Sie sollen dann aus fünf Umschlägen je einen auswählen. In einem sei der Hauptgewinn. Den übrig gebliebenen Umschlag bekomme der Mentalist. Ergebnis: der Hauptgewinn landet beim Künstler. Die Teilnehmer des Experiments haben nur farbige Kärtchen gezogen. Aber der Clou: Sie halten genau die Farbkarte in der Hand, die der Farbe der Lehne ihres Stuhls entspricht. Dabei hatten alle sowohl Sitzplatz als auch Umschlag frei gewählt, die Lehnen waren anfangs verdeckt, sind aber dauerhaft lackiert, und nicht etwa foliert. 

Kuch bietet auch spannendes Infotainment
Während des Experiments „spielt“ der Zauberer mit Manipulationstechniken, wiederholt beispielsweise im Satz immer die Zahl vier, um vorzugeben, die Person dahingehend zu beeinflussen. Oder gibt der „Versuchsperson“ je einen Umschlag in jede Hand und drückt einen Arm kurz runter, um diesem Kuvert mehr „Gewicht“ zu verleihen. Alles bekannte Manipulationstechniken aus Verkäuferschulungen. Aber: Kuch macht das so offensichtlich, dass die Personen sich widersetzen – und dennoch stimmt am Ende das Ergebnis. 

Zu seinen Experimenten fügt Kuch immer wieder Wissen ein, macht quasi Infotainment: So erklärt er den McGurk-Effekt: Eine Person im Video spricht „gaga“, die Tonspur gibt „baba“ wieder, die Hörer nehmen aber „dada“ wahr – weil das Hirn selbständig aus Hören und Sehen eine neue Realität erschafft. Als Beispiel zeigt der solches Framing: Er spielt bekannte Popsongs ab, zeigt dazu ein Textplakat mit „Oh Anneliese popel nicht“ – und tatsächlich glaubt man den Text zu hören, den die Augen sehen. Ein weiteres Wahrnehmungsphänomen ist der Graham-Rawlings-Effekt: Kuch hält ein Plakat mit Buchstabensalat hoch. Die Sätze kann man dennoch lesen, weil man – solange man den Begriffen vertraut ist – das Wort als Ganzes wahrnimmt.

Dass Kuch neben der Mentalmagie aber auch noch klassische Zauberei beherrscht, demonstriert er mit dem „Swallowing Needle-Trick“ ein Klassiker von Altmeister Harry Houdini: Er schluckt Nähnadeln und einen Faden. Dann räuspert er sich, und die Nadeln kommen als Kette am Faden raus. 

Besser kann man keine Zaubershow machen. Die Zeit vergeht wie im Flug, und man kommt aus dem Staunen nicht heraus. „Was Sie heute erleben, ist nicht unmöglich, aber für Sie unwahrscheinlich unglaublich.“ Dieses Versprechen vom Anfang hat Kuch wahr gemacht.