Warnung vor einem neue Jalta

Kultur Regional

Gute Laune – trotz Zugausfall und Verspätung, trotz Überschwemmungen und Kriege. Das ist das Credo von Arnulf Rating. Am Samstag präsentierte er sein Programm „tagesschauer“ im Mußbacher Herrenhof in der Kabarettissimo-Reihe.

Von Regina Wilhelm

 
Immerhin gibt es einige Lichtblicke in diesen düsteren Zeiten, wie zum Beispiel die beginnende Spargelzeit. Auch die vergisst er nicht zu erwähnen bei seinem Auftritt im Herrenhof Mußbach am Samstagabend. Zu Gast war er einmal mehr in der Reihe Kabarettissimo. 

Grau gestreifter Anzug und rote Schuhe – nein, nicht die vom Papst – sind seine Markenzeichen. Und natürlich sein längerer Haarkranz, der die blanke Denkerstirn umsäumt. So betritt er die Bühne, auf der auf einem großen Bildschirm der Programmtitel vermerkt ist: Tagesschau. Aber Rating liest nicht einfach Meldungen vor. Er präsentiert vielmehr Bilder, mehr oder weniger retuschierte, vermittelt Hintergründe und seine Gedanken. 

„Das Wasser steht uns bis zum Hals.“ Die Politiker aber, „die wir gewählt haben“, könnten an den Problemen nichts ändern, „denn sie sind ja ein Teil derselben“, hält Rating fest. Seit der US-Wahl komme zur Bedrohung aus dem Osten die aus dem Westen. Zu sehen sind nun Putin und Trump in einem Schlauchboot: „Nur einmal piksen und wir gehen alle unter.“ Immerhin habe Trump Selenskyj am Rande der Beerdigung des Papstes in Rom getroffen – ganz ohne Schläger. Im selben Atemzug konzentriert er sich auf Trumps Großmannsgebaren: die Schneemänner in Grönland bewaffnen sich bereits, die geplante Umwandlung des Gaza-Streifens in eine Riviera, die Förderung der Superreichen, die zum einem mit ihrem wahnsinnigen CO2-Ausstoß die Welt zugrunde richten, zum anderen die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinanderklaffen lassen und so die Demokratie in den Abgrund treiben. Harsche Kritik auch daran, dass sich Musk 20 Millionen Dollar in den Wahlkampf investierte – „um dann 21 Milliarden zu kassieren“. 

Der Kabarettist springt weiter – streift das Nato- und Grundgesetz-Jubiläum, nicht ohne Spitzen. Im Vorbeigehen warnt er von einem neuen Jalta: mit Putin, Trump und Xi Jinping. Genug der Bilderschau. Früher, sagt er, hätten die Leute nur Zeitung gelesen. Und er greift nach der Frankfurter Allgemeinen, lobt überschwänglich die RHEINPFALZ – die Mutter der Süddeutschen – und deren fabelhafte Inhalte, um sich dann eines Stapels „Bild“ zu befleißigen. Die wisse angeblich, wie das Volk denkt und nehme die Menschen mit. Herrlich komisch interpretiert er einige Titelseiten. 

Doch nicht nur die Presse hat der Künstler im Visier, vielmehr auch Studien, die Experten – „ja wer denn sonst“ – vorlegen. So heißt es, „jeder Zweite stirbt in einer Klinik“. Die Lösung Lauterbachs: er lässt jede zweite Klinik schließen. 

Als Alt-68er ist dem Wahl-Berliner Aufrüstung und Mobilmachung ein Dorn im Auge. Es habe bei den Grünen mal geheißen „nie wieder Krieg“. Und jetzt? Auch der Papst habe für Frieden plädiert, aber das habe Baerbock wohl nicht verstanden. 

Die anderen Parteien bleiben nicht außen vor. Die FDP – „interessiert sich noch jemand für die?“, die CDU, das seien die mit dem Vorzeige-Arier Amthor und mit Merz, der seinem Slogan „make Germany gaga again“ nachhänge. In extenso knöpft er sich die AfD vor. Wie passend die Werbebotschaft seiner Metzgerei: „Wir haben heute das, was Deutschland braucht: frisches Hirn.“ 

Zur Hochform läuft Arnulf Rating in seinem Mehrpersonen-Stück auf. Da will er die Freunde aus der Sponti-Zeit animieren, den Kampf für Friede und Demokratie wieder aufzunehmen. Tatsächlich kommen sie: Doch nur Erdmute, die selbst die weite Strecke mit dem E-Lastenfahrrad ohne E-Antrieb zurücklegt, teilt die alte Gesinnung. Hans und Gandolf sind reüssiert, haben die Seiten gewechselt. Am Ende hält Arnulf Rating fatalistisch fest, dass „wir die Arbeiterklasse vergessen haben, die wir einst befreien wollten“. Wie schnell sich in Deutschland der soziale Abstieg vollziehen kann, zeigt er eindrücklich anhand eines Schlossers auf: wegen Kreuzproblemen kann er seine Arbeit nicht mehr erledigen. Der Roboter, der nun seinen Job macht, braucht keine Aufsicht. Der Mann wird entlassen. Er soll zur Bank gehen, erhält er als Rat, zu der im Park. So viel zur „asozialen Marktwirtschaft“. 

Um die Stimmung im Lande gut zu halten, konstatiert Rating, brauche es „einen äußeren Feind“. Das sei Psychologie: also, wenn jemand eine Schraube locker hat, ist die Mutter schuld. Expertengleich legt er dar, wie Propaganda funktioniert. Man müsse den Menschen lediglich ein paar positiv besetzte Stichwörter liefern – Sicherheit, Demokratie und Friede – für die sich der Einsatz lohne. Und schon folgten sie. Heute werde dafür „Nudging“ gebraucht, das heißt, jemanden anstoßen, in die vermeintlich richtige Richtung zu gehen. Angela Merkel habe das System perfekt verstanden. 

Am Ende hält Arnulf Rating fest, dass „wir einen Weg finden müssen aus der Kriegstauglichkeit“. Denn gerade schwöre sich Europa unter von der Leyen auf einen möglichen Großkrieg ein. Doch es gelte zu rufen: „Nie wieder Krieg statt nie wieder Frieden“. Kräftiger Applaus allein für diesen Schlusssatz hallt dem Kabarettisten nach.

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 98
DatumMontag, den 28. April 2025
Seite19