„Hat sich nicht bewährt“

Kultur Regional

„Alles wird gut“ versprach am Samstagabend im Mußbacher Herrenhof das Duo Simon & Jan. Das betraf auf alle Fälle das Programm, mit dem die beiden Liedermacher als Gäste der „Kabarettisssimo“-Kleinkunstreihe ihr Publikum begeisterten. Und das war zahlreich erschienen, um schönen Melodien, spannenden Soundeffekten und vor allem bitterbösen Texten zu lauschen.

Von Hildegard Janssen-Müller
 

Wie sich schnell herausstellte, kannten viele der Besucherinnen und Besucher das Duo bereits. Denn auf Nachfrage der Künstler, wer sie schon live auf der Bühne erlebt habe, gingen im Publikum zahlreiche Hände in die Höhe. Andere dürften sie aus den Medien kennen. Im Fernsehen sind Simon Eickhoff und Jan Traphan unter anderem in der „Anstalt“ und bei „Pufpaffs Happy Hour“ aufgetreten. Zahlreiche Auszeichnungen haben sie auch erhalten – darunter den Deutschen Kleinkunstpreis.

So ist die Erwartungshaltung groß. Und sie wird nicht enttäuscht werden. Das Publikum unterhält sich bestens, die Bereitschaft, sich auf die sanfte, gefällige Musik, überwiegend dargeboten auf Akustikgitarren, einzulassen, ist groß. Sanftmütig und harmlos erscheinen auch die Musiker auf der Bühne. Ein Eindruck, den sie – komme an Texten, was da wolle – auch konsequent beibehalten. Und sie eröffnen den Abend sogar „mit einer Mitmachnummer“. Im Publikum seufzt jemand laut „O je“. Doch das Publikum soll nur an den richtigen Stellen ein- und ausatmen. Alles wird vorgegeben, im Raum sind tiefe Atemzüge zu hören. Doch unter der ruhigen Oberfläche des Atmens lauert auch Unschönes. So wie zum Beispiel die Rache des Chemielehrers an seinen pubertär nach Buttersäure duftenden Schülern: Er öffnet das Fläschchen mit dem Ammoniak. Man hört förmlich, wie dem Publikum da der Atem stockt.

Eben das ist eine Besonderheit der beiden Musiker aus Oldenburg. Zartfühlend wirken sie, manchmal auch so schüchtern in ihrer Gestik, als wollten sie in ihren Akustikgitarren Schutz suchen wie in einem Schneckenhaus. Doch das täuscht. Unter dieser liebenswürdigen Oberfläche, hinter der Musik, die an manchen Stellen so lieblich klingt wie bayerische Stubenmusik, lauern oft unbequeme Wahrheiten und das Grauen.

Manche Texte sind nette Träume und einfach amüsant. So wie „Sex mit Sarah Wagenknecht“. Keine Sorge, viel konkreter wird es nicht, außer dass dabei eine weiße Taube leise eine Wolf-Biermann-Melodie gurrt. Und weiterführende Fantasien des Publikums dürften mit der letzten Strophe zerplatzen: „Ich hatte Sex mit Gregor Gysi.“ „Nich grade ne Partynummer“, wie Simon & Jan sagen, ist dagegen zum Beispiel ein Lied über die deutsche Asylpolitik. Oder der Song „Hat sich nicht bewährt“, der zu leichter, lockerer Musik davor warnt, Verhaltensmuster aus der Zeit des Nationalsozialismus zu wiederholen.
Und selbst wenn Tausende vernünftig sind nach dem Motto, „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“, mag das zutreffen, „bis auf irgendeinen Arsch, der dann doch wieder alles kaputt macht“. 

Ja, die Ausdrucksweise muss manchmal drastisch sein, um Tatsachen zu untermauern, beispielsweise wenn es um Massentierhaltung, vergiftete Flüsse und abgeholzte Wälder geht. Rezepte für das „Alles wird gut“ bieten Simon & Jan nicht an, dafür aber das Lied mit dem entsprechenden Refrain, den das Publikum schließlich wie ein Mantra fast in Endlosschleife wiederholt. Statt Tipps zu geben, führen die beiden Tatsachen ins Feld, zu denen jeder sich seine eigene Meinung bilden und dementsprechend auch handeln kann. Und sei es nur, dass er seine eigene Position und das Privileg, in einem Land wie unserem geboren zu sein, einmal überdenkt und sich nicht auf den Standpunkt stellt: „Ich lass die ganze Scheiße einfach gar nicht an mich ran. Weil ich kann.“ 

Es gibt aber auch die richtig netten Lieder. Lieder, die in Reimen auf deutsche Städte deren Urlaubswert hinterfragen beispielsweise, oder das zärtliche Trinklied „Sauf mit mir die ganze Nacht.“ Da ist nach vier Bier übrigens Schluss. So mancher Pfälzer, kam es aus dem Publikum, ist da anderes gewohnt. 

Quelle

AusgabeDie Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 259
DatumDienstag, den 8. November 2022
Seite15