RHEINPFALZ, KULTUR REGIONAL
Von Regina Wilhelm
Neustadt-Mussbach.
Mit einem Gruß an die „lieben Pfälzer“ eröffnet Reis freundlich den Abend. Doch der Schein trügt. Wie sein mit allen Wassern gewaschener Rundumschlag schnell zeigt, ist er grimmig gestimmt, denn ein Gespenst geht um in Europa – und es ist nicht nur das Corona-Virus. Ein zweites kommt als Populismus daher, besonders in Thüringen. Reis spricht von der „kürzesten Machtergreifung“ aller Zeiten durch die FDP, die „Freunde des Populismus“, und schüttelt den Kopf: „Wer lässt sich als Demokrat von Nazis wählen?“. Allerdings habe die FDP mit fünf Prozent ja einen klaren Regierungsauftrag …
Die AfD dagegen spiele gern „Pogrompoly“, versucht Reis die Denke dieser Partei zu entlarven: Für drei Baracken gibt es ein Krematorium. Noch öfter wird den Zuschauern der Atem stocken. Der „Liberazi“ Gauland leugne nicht den Holocaust, bezeichne ihn jedoch als „Vogelschiss“. Ergo: „Deutschland ist die größte Guano-Insel“. In das Lied von den „zehn kleinen Populisten“, die sich zusehends reduzieren, fällt das Publikum gern ein. Den Originaltitel, erklärt Reis in einem Zwiegespräch mit einem imaginären Thüringer, dürfe man ja nicht mehr nennen. „Wie soll ich denn zu einem Bimbo sagen?“, fragt der zurück. Farbiger? Nein. Denn dank seiner Tätowierungen ist der Thüringer doch selbst ganz dunkel.
Die Ausländerfeindlichkeit führt den Kabarettisten zu einer charakteristischen Eigenschaft des Deutschen: Platzangst: Im Zug wird auf den reservierten Sitz gepocht, selbst wenn das Abteil leer ist. Am Handtuchimperialismus ist der Deutsche im Urlaub erkennbar. „Wieso liegen eigentlich auf deutschen Friedhöfen keine Handtücher?“ Wieder eine Prise rabenschwarzer Humor.
Frauen sind halt irrational –
warum sonst wählen sie Trump?Weiter geht’s zur EU und zum Brexit, „ein Witz“. Wozu habe er jetzt Englisch gelernt? Auch die neue Kommissionspräsidentin und ehemalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kriegt ihr Fett weg. Als „Eurofighterin war Flugfähigkeit nicht ihre Kernkompetenz.“ Schusselig sei sie obendrein, habe sie doch aus Versehen ihre Handy-Daten gelöscht. Auch Katalanen und Flamen, die dem Separatismus huldigen, Österreicher, die einen wie Kurz zum zweiten Mal wählen, Polen, die auf die Pis-Partei stehen, und Amerikaner, die einen Donald Trump zum Präsidenten machen, kommen nicht ungeschoren davon. Herrlich münzt der Künstler Frank Zappas „Bobby Brown“ auf Trump um. Diesen „Grapschfinger“ hätten 56 Prozent der Frauen gewählt. Da stelle sich schon die Frage, ob das Frauenwahlrecht berechtigt sei. Gut, Frauen seien eben irrational.
Über Putin und Erdogan eilt Reis dann wieder zur deutschen Politik. Für AKK sei es ungesund gewesen, dass die AfD ihr Verfallsdatum um 75 Jahre überschritten habe. Die „Putzfrau Gretel“ – so ihr Deckname – habe resigniert: „Sie kehrt nie wieder.“ Aber die CDU habe ja noch genügend Potenzial: Andi Scheuer – „war ein Scherz“. Laschet zu nett, Spahn zu adrett, Merz zu April, Röttgen zu schlau – und keine Frau. Reis selbst nennt noch Julia Klöckner, „die ist süß“, oder Anja Karliczek, „die hat immerhin einen messbaren IQ“. Als Kanzlerkandidat käme auch der Gotteskrieger Markus Söder in Frage. Nein, dann doch lieber Angela Merkel. „Die macht nichts, aber es hilft.“
Unzählige Gedanken purzeln so im Lauf des Abends im Schweinsgalopp aus des Künstlers „überquellendem Gehirn“. Von den „Fridays-for-Future“ springt er über Allergien und Intoleranzen zur Angst vor Krankheit, Alter und Tod, zu Feminismus und Sprachpurismus, um schließlich – nach einem Exkurs zu den verschiedenen Religionen – beim Thermomix zu landen. Kurz: Thomas Reis brilliert gleichermaßen mit feinstem Humor, bissigen Sprüchen und derben Schenkelklopfern. Ein toller Abend.