Neustadt-Mussbach. Wortlose Stille und schallendes Gelächter. Helmut Schleich versteht beides in Sekundenschnelle beim Publikum zu evozieren. Am Samstagabend war der bekannte bayerische Künstler zu Gast in der Reihe „Kabarettissimo“ im Herrenhof in Mußbach. Dort entzündete er ein verbales Feuerwerk, das seinesgleichen sucht.
Das Intro, das Schleich wählt, ist ungewöhnlich. An einem Tisch im Halbdunkel sitzt plötzlich ein fränkisch schwadronierender Mann. Erst allmählich wird aus seinem Geschwafel klar, dass hier ein Massenmörder seine Geschichte erzählt. Wer ihm nicht gepasst hat, den hat er einfach umgelegt. Ob die Jungs, die die Straße aufgegraben haben oder der nervende Bierausfahrer – weg mit ihnen. Kollateralschäden – „warum ist der Postbote an diesem Tag auch so spät gekommen“ – sind „leider unvermeidlich gewesen“. Immerhin: die Blattschüsse saßen. Das habe die Pathologin bestätigt. Die „Bestie von Doddelbach“ werde er im Dorf genannt. Wer das sage, der könne sich nach seiner Entlassung auf etwas gefasst machen.Wie von seinen Fernsehauftritten oder seinen früheren Gastspielen in Mußbach bekannt, schlüpft Schleich immer wieder in andere Rollen, nur selten ist er das eigene Selbst. Ja, sagt er, „der Einstieg war doch ehrlich“ – dabei sei Ehrlichkeit momentan ein heikles Thema. Wie ehrlich seien die Bekundungen „Je suis Charlie“?. Selbst der Bayerische Rundfunk habe an seinem Gebäude ein Transparent mit dieser Aufschrift befestigt. Ja, klärt der Kabarettist auf, „wir lügen uns durchs Leben“.
Natürlich kreuzten wir im Internet an, dass wir die Geschäftsbedingungen gelesen und akzeptiert hätten, sonst kriegten wir ja das Handy oder die Schuhe nicht. Überall „lassen wir uns bluffen“: Finden ein Auto gut, das an der Ampel ausgeht, oder wählen Politiker, die nicht ehrlich sind. Und die GroKo bezeichnet er als einzige „Verarsche“: welcher Merkel-Wähler habe den „gewamperten Barockengel Gabriel“ an der Regierung gewollt und welcher SPD-Wähler „Merkel, die uns vier Jahre Koma beschert“?
Als Heinrich von Horchen, dem alten, leicht sabbernden Gesangslehrer von Marika Rökk und Willy Fritsch, geht Schleich – in Zylinder und weißen Schal gekleidet – harsch ins Gericht mit den auch die Deutschen ausspionierenden US-Amerikanern. Die sähen uns doch noch immer in „Seppelhut, Lederhosen und Nazistiefeln, in denen wir Sauerkraut stampfen“. Dank Mikrochips sei Abhören heute halt leider wesentlich leichter als im alten Ägypten, als der Sklave den Pharao zum lauter und langsamer Sprechen auffordern musste, damit er alles Gesagte mitmeißeln konnte.
Später wird der Charmeur akribisch die Demokratiedefizite der EU auflisten. Von wegen Mitbestimmung der Bürger – keine Spur. Und weder am Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, noch an dem der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, lässt er ein gutes Haar. Kein Wunder, dass eine Führungskraft einer (fiktiven) russischen Teilrepublik sein Land als „fit für die EU“ erachtet. Ein kleines Problem räumt er dann doch ein. Wegen des blei- und schwermetallhaltigen Regens gehe der Salat immer ein – „deshalb sind wir keine Veganer“. Mit einem stets blauen Präsidenten, der natürlich gelbe Sterne sehe, sei der Weg in die EU wohl vorgezeichnet.
In der Figur des bildungsfernen Ferdi macht sich der Kabarettist dann nicht zuletzt über das Bildungsbürgertum lustig. In jeder Hinsicht der Höhepunkt des Abends aber ist Schleich in seiner Paraderolle als Franz-Josef Strauß. Nicht nur über seine Nachfolger und die heutigen bayerischen Politiker zieht „Strauß“ mit wunderbaren Spitzen her. Er nennt außerdem die Defizite und Makel seines Heimatbundeslandes und steht offen und ehrlich zu seinen eigenen Handlungen, die er selbstverständlich nur positiv wertet.
Spritzig, witzig, messerscharf, brillant. Helmut Schleich zählt, der Abend beweist es wieder einmal, nicht zu Unrecht zu den Großen der deutschen Kabarettszene. Und der Schlussapplaus zeigt, dass die Besucher auf ein baldiges Wiedersehen mit dem genialen Bayern hoffen.
Von Regina Wilhelm