Nein, nach Aschersleben wird es wohl keinen der Besucher ziehen, die am Samstagabend im Herrenhof in Mußbach waren. Denn der Ort scheint absolut nicht das zu halten, was sein Name verspricht: Er ist nämlich einfach nur tot. So jedenfalls beschreibt Simone Solga, Kabarettistin aus den neuen Bundesländern, die Stadt in Sachsen-Anhalt. Viel Bekanntes, aber auch einiges Neues hörte der aufmerksame Zuhörer vom „Nicht-Leben“ in dieser Region.
Ob bewusst oder unbewusst oder durch die westdeutsche Brille gesehen – Simone Solga, die gut zwei Stunden mit Rede, Gesang und Tanz unterhält, verkörpert in vielem, was sie sagt und tut, die typische ostdeutsche Künstlerin. Sie selbst steht permanent im Mittelpunkt, erzählt ihre Geschichte, die noch in der DDR beginnt. Bekannt und dennoch fremd muten die Verweise auf die „jungen Pioniere“ oder ein Lied der FDJ an. Weiter spinnt sie ihren Faden, schildert ihre Schwierigkeiten, ein Lokal in Aschersleben zu eröffnen. Statt zu helfen, legen ihr Bank und Verwaltung nur Steine in den Weg. Wie in alten Zeiten regiert die Bürokratie, bestimmen die Mitglieder gewisser Seilschaften, wer einen Kredit bekommt, und schauen akribisch, ob auch alle Auflagen eingehalten werden. Und als Koch heuert ein Aserbeidschaner an. Ihre neureiche Schwägerin, die nicht nur Leipziger Dialekt spricht, sondern auch einen Hund namens Rommel ausführt und vor allem Gerichte von „Bofrost“ liebt, empfiehlt einen Inder und einen Taiwanesen einzustellen, „die gut griechisch kochen könnten“.
In diese vor sich hinplätschernde Erzählung flicht sie immer wieder Exkurse über Männer im Allgemeinen und die ihres Umfeldes im Besonderen ein. Detailliert erläutert sie das Schnarchverhalten des starken Geschlechts, das am Anfang der Beziehung noch versucht, die Partnerin zum Lachen zu bringen und sich im Laufe der Zeit mit einem „Wir telefonieren“ verabschiedet. Sie schwadroniert über die große und die kleine Politik und bindet auch kleinere, einfach absurde Episoden ein, die irgendwie nicht so recht zu passen scheinen. So sind die ständig wiederkehrenden Verweise auf ein schwules Pony im Tierpark von Aschersleben nicht einzuordnen. Die teils langatmigen Schilderungen der dort zu besichtigenden Exemplare, darunter ein Weißrusse, machen weder Sinn noch sind sie witzig. Auch der Friedhof, die zweite Attraktion der Stadt, hat es der Kabarettistin angetan und muss für manch makaberen Scherz herhalten. Schwarzen Humor mag sie einfach und setzt ihn gezielt noch häufiger ein: Da sie kein Geld besitzt, verkauft sie eben ihre Netzhaut oder ein Auge, und die Eierstöcke sind sowieso nutzlos, weil sie ja keinen Mann hat.
Doch was der erste Teil des Abends vermissen lässt, macht Simone Solag im zweiten wett. Ja, sie kann“s doch, möchte man ausrufen. Jetzt jongliert sie mit Wörtern, nutzt Mehrdeutigkeiten, lässt Anspielungen offen ausklingen, wird richtig politisch und traut sich sogar, die eine oder andere Grenze zu überschreiten. Ausgezeichnet gespielt und gesungen der „Rap“ über Politiker, witzig die kleine Spielszene mit Kanzler Schröder und dessen Frau, die sie beide glänzend zu parodieren versteht. Voll tieferem Sinn ihre Schilderung, wie es Jesus heute auf der Welt erginge: Das „wohl einzige Mitglied der CSU ohne Skandal“ könnte ja Papst werden, meint sie; erstens bliebe das Amt in der Familie und zweitens würde so eine Stelle gespart.
Doch noch einmal richtig zur Hochform läuft die Künstlerin in ihrer Zugabe auf. In einer in Windeseile auf ein Transparent gemalten Integralrechnung lässt sie ihre russische Bekannte erklären, was in Deutschland unter Integration zu verstehen ist. (giw)
Von unserer Mitarbeiterin
Regina Wilhelm