Gratwanderung am Rand des guten Geschmacks

Rheinpfalz, Kultur Regional

Kabarett-Trio „Die Buschtrommel“ nimmt im Mußbacher Herrenhof Spektrum von Gaffern bis Gesundheitsreform aufs Korn

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Da bleibt dem Zuhörer doch glatt das Käsewürfelchen oder Lachshäppchen im Halse stecken. Denn so manche oralen Ergüsse der drei „Buschtrommler“ aus dem Münsterland sind nach Ansicht des einen oder der anderen jenseits des bürgerlich geprägten Geschmacks angesiedelt. Zwei Stunden lang traktiert das Kabarett-Trio „Die Buschtrommel“ mit Text, Tanz und Gesang das saturierte Wohlempfinden im Mußbacher Herrenhof.

Es ist sicher aus falschem Leseverhalten heraus, dass die Kabarettisten aus der Lokalität ihres Auftritts ein „Muußbach“ machen. Aber irgendwie klingt es in ihrem Aufsager, der sich ganz um diesen Ort dreht, ¸¸wo ihre Karriere“ begann, als sei selbst dieses Phonem bewusst gesetzt. Denn kein Wort und kein Satz von Jörg Fabrizius, Ludger Wilhelm und Andreas Breiing füllt einfach nur die Zeit; nein, jede Aussage versetzt einen Stich, dessen in das Bewusstsein eindringender Schmerz aber nur selten in erlösendem Lachen kuriert wird. Schenkelklopfer gibt es nicht, nur wohldosierte Pointen, die bisweilen zur Katharsis führen.

Ein breites Spektrum an Themen nehmen die drei Herren im besten Alter aufs Korn, wobei sie ohne Scheu Tabus brechen. Kritisch be- und durchleuchten sie die Politik und ihre Macher, zielen auf die Raffkes ohne soziales Gewissen und sparen nicht die Voyeuristen aus. Dabei sind sie manchmal nur einfach sie selbst, schlüpfen aber auch – angedeutet durch Bekleidungsstücke oder Accessoires – blitzschnell in andere Rollen.

Besonders gelungen ihre Rentnerimitation, derer sie sich gleich zweimal bedienen. Thema zunächst, wie könnte es anders sein, die Auswüchse der Gesundheitsreform: Eintrittsgebühr beim Arzt – „zehn Euro, das sind ja fünf Mark“ -, gestrichenes Sterbegeld – „da tret“ ich einfach in den Sterbestreik“ – oder, der Gipfel, VHS-Kurse, die das Herstellen von selbst gemachtem Zahnersatz vermitteln.

Im zweiten Teil ist es die Bahn, genauer der „Metro-Express“, den die drei „Rentner“ symbolisch für die gesamte Körperschaft auseinander pflücken. Der Zug ist billig und so schnell, dass es „Kumpel Jupp nur teilweise gelungen ist auszusteigen“. Durchsetzt mit kontrapunktgleich eingesetzten, umgetexteten Versionen des Ikea-Werbespruchs, listen sie die Fehler des Mehdorn-Unternehmens auf.

Nur wenig Zeit bleibt dem Gehirn, um die niederprasselnden Äußerungen, die sich wegen des atemberaubenden Tempos erst mal am Gehörgang stauen, zu verarbeiten. Das unterbewusst gerufene „Halt ein“ verhallt. Denn der Untergang des Sozialstaats droht, und dieser Katastrophe kann sich nur die Kunst annehmen. Ein reales Happening mit zersägter, bluttriefender Frau und brennender Europafahne, in die sie sich hüllen wollen, entwerfen die Drei Gott sei Dank nur virtuell.

Nein, die „Buschtrommler“ ersparen dem Publikum nichts: Geifernde Gaffer, die Pseudo-Mitleid haben mit der Oma, die auf der Straße fällt und sich einen Oberschenkelhalsbruch zuzieht, jedoch warten muss, bis der Zivi in drei Stunden kommt, oder mit der vergewaltigten Studentin, die am Balkon baumelt, geistern über die Bühne. Getoppt wird diese geschmackliche Gratwanderung durch den Organhändler Willi aus Wanne. Begonnen hat der Prolo im seidenen Jogging-Anzug, als er dem kranken Nachbarn eine Niere der tiefgekühlten Oma – „wegen der Rente haben wir sie ein Jahr daheim behalten“ – verscherbelt.

Wohltuend komisch dagegen die Anti-Terroreinheit. Bin Laden könnte ja hier in „Mußbach“ getarnt als Familienvater mit Reihenhaus, Opel und Gummibaum leben. Und für den Fall, dass er den Herrenhof stürmt, erteilt der Bundeswehr-Major dem Publikum wichtige Verhaltensregeln. Da kann selbst der „Uffz“ mit seiner Plastik-MP oftmals nicht mehr an sich halten. In diese Kategorie fällt ebenfalls das Betriebsfest, das sich als Insolvenzparty entpuppt. Eingestreute „Hossas“ heben die Stimmung der von Arbeitslosigkeit bedrohten Belegschaft, die sich ja als Superstar bei einer Casting-Show bewerben könne, meint der Komiker vom Arbeitsamt. Aussehen ist heute alles, wirbt ein „Schönheitschirurg“ für sein Metier und berichtet von der Behandlung einiger Politiker – „Koch hat sich Goldbarren in die Lippen implantieren lassen“.

Von weit her kommen die „Marx Brothers“, die von den Wohltaten der Amerikaner berichten. Sie vergessen auch nicht, die Deutschen davor zu warnen, dass die Amis bald in Travemünde landen, und Stoiber dann Chef der Übergangsregierung wird.

Bier saufen für den Regenwald – Krombacher unterstützt das Projekt -, Kekse futtern für das Wattenmeer – De Beukelaer hat sich dieses Problems angenommen – und eine Küche „Malmö“ kaufen – Ikea stürzt dafür einen Diktator – ist ein weiteres Glanzlicht und gleichzeitig Schluss des zweistündigen „Buschtrommelhagels“.

Von unserer Mitarbeiterin Regina Wilhelm