Kultur Regional
Von Hildegard Jannsen-Müller
In seiner Vorpremiere „Das Würde des Menschen“ spielte er mit Wörtern, Begriffen und Gedanken. Das Zuhören war eine Lust. Auch wenn es um ernste Themen ging.
Ingo Börchers reißt das Publikum mit in einen wahren Strudel an Gedanken, die beinahe so schnell wie sie auftauchen auch schon weiterziehen. Da ist schnelles Mitspringen von einem Thema zum nächsten angesagt. Fassen lassen sich die Wörter und Sätze, die da aus dem Kabarettisten heraussprudeln, auf die Schnelle kaum.
„Der Mann spricht schnell“, murmeln sich die Besucher zu, als sie selbst einmal zu Atem kommen. „Super“, lautet das Urteil schon in der Halbzeit. Aber hat die Veranstaltung da nicht gerade erst begonnen? Es scheint, als müsse Ingo Börchers nach der Corona-Zwangspause eine Flut von aufgestauten Gedanken loswerden.
Börchers ist ein Fan von Konjunktiven. „Wenn es den Konjunktiv nicht gäbe, man müsste ihn erfinden“, denn „gäbe es keinen Konjunktiv, verlöre die Welt an Würde.“ „Das Würde des Menschen“ nämlich ist „befreundet mit der Utopie“. Die wiederum ist wichtig für die Frage „Wie wollen wir leben?“ Da heißt es auch einmal „das Undenkbare zu denken“. „Ich war als Kind schon ein Klugscheißer“, bekennt Ingo Börchers und hüpft weiter von Thema zu Thema auf der Suche nach den richtigen Fragen: Warum beispielsweise gibt es so wenige Frauen in Führungsetagen, wo die doch um vieles preiswerter sind? Er umreißt „die digitale Evolution“ am Beispiel von Elternabenden als Videokonferenz und digitaler Diagnosen von Medizinern und Psychotherapeuten.
Bedenklich sei es, das Gewohnte zur Normalität zur erheben. „Ist es normal, dass ein Flug auf die Malediven weniger kostet als die Parkgebühren am Flughafen?“ Dass die Wünsche der Wirtschaft unantastbar sind? Dass Menschen nur noch als Konsumenten gebraucht werden? „Konsumismus“ ist für ihn „die neue Staatsform“, Essen ist zur Religion geworden.
„Widersetzen Sie sich den Normen“, fordert Börchers, „machen Sie was Verrücktes“. Statt ständig nach dem Ich zu suchen, könne man besser die Selbstakzeptanz pflegen. Was im ersten Moment nur nach Spaß klingt, hat immer einen ernsten Hintergrund und auch die Botschaft, Dinge von zwei Seiten zu betrachten. Was bedeutet uns Heimat? Was bedeutet Heimat für Flüchtlinge, und wie verändern sich Menschen, „die nichts mehr haben als sich selbst“?
Da wandelt sich „das Würde“ der Utopie zum Nachdenken über „die Würde“ des Menschen. Zumal in unserer Gesellschaft alles auf Wachstum programmiert sei. „Es fällt schwer, mit dem Wenigerwerden auszukommen“, auch und vor allem mit dem Wenigerwerden des Menschen im Alter, wenn alte Menschen durch Demenz wieder zu Kindern werden, wenn junge Menschen die Kraft verlässt, sie zu pflegen.
Auch da sind neue Sichtweisen, Utopien und der Konjunktiv vonnöten statt nur die Normalität zu sehen. „Wir können die Sicht auf unser Leben ändern“, betont Börchers, und: „Seien Sie im Zweifel für den Zweifel“. Das Publikum dankt ihm mit viel Applaus.
Quelle
Ausgabe | Die Rheinpfalz Mittelhaardter Rundschau – Nr. 242 |
Datum | Montag, den 18. Oktober 2021 |
Seite | 15 |