Von Oliver Steinke
Neustadt-Mussbach. Wenn 200 Menschen zwei Stunden lang einem Kabarettisten an den Lippen hängen, um im immer wieder ausbrechenden Gelächter die nächste Pointe nicht zu verpassen, ist das nicht selbstverständlich. Dies gelang am Samstagabend dem 1966 geborenen Stefan Waghubinger durch seine schelmenhafte, charmante Art bei seinem „Kabarettissimo“-Gastspiel im Mußbacher Herrenhof.
Wie es in seiner Biographie heißt, ist er „Österreicher, lebt aber seit 30 Jahren in Deutschland. Deshalb betreibt er österreichisches Jammern und Nörgeln mit deutscher Gründlichkeit“, was ihm zahlreiche Auszeichnungen wie den „Stuttgarter Besen in Gold“ 2011 oder den „Freistädter Frischling“ 2014 einbrachte sowie regelmäßige Auftritte in TV- und Radio der öffentlich-rechtlichen Sender von SWR bis 3SAT. Angenehm ruhig, warmherzig, ohne Grimassen und Geschrei, lässt er das Publikum an seinem philosophischen, nie unterbrochenen Gedankenfluss teilhaben. Zumal er mit seiner sanften, wohltönenden Stimme scharfsinnige Beobachtungen auf den Punkt bringt: „Leitkultur ist ja nicht, was man selber tut, sondern was einen stört, wenn es der Nachbar nicht tut, wie die weihnachtliche Lichterkette auf dem Balkon.“Manchmal überrascht er mit Melancholie, manchmal mit schwarzem Humor: So bezieht sich „Jetzt hätten die guten Tage kommen können“ auf seine mögliche Grabinschrift, vielleicht auch auf die Ausgangssituation seiner Aufführung, denn da steht Stefan Waghubinger auf dem elterlichen Dachboden, nachdem seine Frau ihn zu Hause rausgeworfen hat. Nach 20 Jahren Ehe ist sie jetzt mit einem modernen Maler zusammen. Waghubinger wartet auf seinen Freund Wolfgang, der weitere Kartons bringen soll. Traurig ist er nicht über die Trennung, heutzutage sei ja überall eine Sollbruchstelle eingebaut, so wie bei einer elektrischen Zahnbürste. Zudem seien Trennungen gut für das Wirtschaftswachstum, was man schon einmal nicht gebraucht habe, kaufe man noch mal.Dann, mit der Pause der Aufführung zusammenfallend, verlässt Waghubinger den Dachboden, um nach seinem verspäteten Freund Wolfgang Ausschau zu halten und entdeckt, dass der Papst in der Straße gegenüber eine neue Bar eröffnet hat: Die Unfehl-Bar. Dort trifft er gleich auch noch, „den Dalai Lama, Margot Käßmann, einen Iman, einen Rabbiner, einen hinduistischen Geistlichen und einen Atheisten, die Scrabble spielen. Immer, wenn einer ein Wort gelegt hat, haben die anderen gesagt: Das gibt es gar nicht. Nach einer Stunde hatten sie gerade mal ein Wort gelegt: Wahrheit. Die hatten sie alle. Da haben sie mich entdeckt und fragten: Was schaust du so ungläubig?“
Der Kabarettist greift auch das Thema Flüchtlinge auf, wobei er einige falsche Fährten legt, um am Ende mehr Verständnis und Solidarität mit Menschen in Not anzumahnen. Es ist ein Chaplin mit Worten, der dort auftritt. Das Schelmische, Lausbubenhafte und gleichzeitig Zurückhaltende gibt Waghubinger einen ähnlichen Charme wie dem großen Stummfilmstar. Wie dieser taumelt er von einer Begebenheit in die nächste, einerseits mit Klamauk („Wie hieße der Neandertaler, wenn man ihm in Emmental gefunden hätte?“), dann aber immer auch wieder mit subtilem Tiefgang („Heute haben die Maschinen immer mehr Energie, die Menschen immer weniger.“) „Man kann so einiges bei sich wiederentdecken“, zieht eine Zuhörerin schmunzelnd Fazit.
Am Ende eines gelungenen Abends eine lange Schlange, nein nicht die, die, wie der Kabarettist meint, chinesische Adam und Eva anstatt des Apfels beim Sündenfall gegessen hätten, sondern Andrang am Ausgang, um seinen eigenen Comic „Vater sein ist auch nicht leicht: … gerade als Mann“ zu erwerben. Es bleibt zu hoffen, dass es der Wahl-Stuttgarter ernst meinte, als er Neustadt zum Abschied mit schmeichelhaften Worten bedachte, und in nicht allzu ferner Zukunft mal wieder vorbeischaut.