Sexismus und Altherrenwitze

Rheinpfalz, Kultur Regional

Kabarettist Detlev Schönauer alias Bistrowirt Jacques langt bei seinem Auftritt im Mußbacher Herrenhof kräftig daneben

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Von Hildegard Janssen-Müller

Neustadt-Mussbach. „Fröhlich altern in Jacques’ Bistro“ wollten am Samstagabend im Herrenhof so viele Besucher, dass der Festsaal beinahe bis auf den letzten Platz besetzt war. Doch die Fröhlichkeit blieb vielen Zuschauern in der zweiten Hälfte bei Detlev Schönauers „Programms Oma ist jetzt bei Facebook“ quasi im Halse stecken. Da ging es nämlich vor allem darum, unter der Gürtellinie Politik zu machen.

Detlev Schönauer, der „Jacques“ aus dem Saarland, versteht es, in seinem Bistro sein Publikum von Anfang an mitzunehmen auf seine kabarettistischen Ausflüge, in diesem Fall in die Welt des Alterns. Die Vorteile nennt er gleich vorweg: Man darf einen Seniorenteller bestellen, kann endlich essen, was man will, denn man ist „froh um jeden Konservierungsstoff“, das Darben hat ein Ende; der „Modefurz“ Veganer hoffentlich bald auch, ebenso der Vegetarier, in der Indianersprache „der, der zu blöd zum Jagen ist“. Das alles ist nicht neu.Doch positives Denken ist angesagt. Wen, fragt Jacques, haben die Senioren nicht schon alles überlebt? Mozart und Michael Jackson zum Beispiel, und warum den Rest des Lebens nicht auf Kreuzfahrtschiffen verbringen? Das kostet auch nicht mehr als das Seniorenheim, aber der Service ist besser. Auch die „Entsorgung“ per Seebestattung sei „doch auch sehr schön“, unkt der Saarländer, macht sich aber auch Gedanken über die Bestattung in einem Friedwald und die Möglichkeit der Witwe, die Asche des Dahingeschiedenen in der Schweiz zu einem Diamanten pressen zu lassen.Bis es so weit ist, sind Oma und Opa aber noch fit, reisen, haben ihre Smartphones, sind bei Facebook, und können sich von Detlev Schönauer mit in die Kindheits- und Jugenderinnerungen entführen lassen. „Wir waren viel draußen. Wir sind mit dem Bus oder dem Rad gefahren. Oder?“ „Ja“, sagt das Publikum oder „Genau“. Er erinnert an die alten Telefone mit Wählscheibe, die oft unter einem Brokatgehäuse versteckt im Flur standen („Genau“), „und die ganze Familie hörte zu („Ja“). Er erinnert an die alten Fernsehserien wie „Lassie“, „Fury“ und „Bonanza“, listet Klischees des Western auf, köstlich und treffend. Auch die alte Fernseh-Werbung ist dem Publikum noch geläufig: „Persil“, „der Gilb“ und „Clementine“, „Trill“ für den Sittich haben sich eingeprägt.

Von da kommt der Kabarettist auf den Nutzen der Beichte im Zeitalter von Computer und Smartphone, spinnt den Gedanken an die Online-Beichte aus, das Bonus-Punkte-Programm für Vielsünder und den Bußrechner für die Absolution.

Bis dahin war die Welt des Publikums noch in Ordnung. Auch wenn der Punkt „Oma ist jetzt bei Facebook“ doch arg im Hintergrund stand, auch wenn wir, so hieß es, „die erste Generation mit Handyhalterung am Rollator“ sind. Doch da vermittelt Schönauer seinen Gästen das, was im Grunde jeder schon weiß: Wie sich bei Facebook Freunde gewinnen – und wieder loswerden – lassen. Er schildert die Erlebnisse seines unattraktiven Freundes Kurti mit Cybersex, die Allgegenwärtigkeit des Smartphones („Wir haben vor dem Essen gebetet, heute wird es fotografiert.“), kommt von da auf das Thema Bildunterschriften und holt zu einem Rundumschlag gegen die Presse und ihre unzulängliche, falsche und unüberlegte Berichterstattung aus, spricht von Falschmeldungen, verfälschten und verfälschenden Bildunterschriften, von Verfälschungen durch die Bearbeitung mit Fotoshop in allen Bereichen, kommt von da über die Bundeskanzlerin zur Politik und vor allem zu seiner Weltsicht, nennt die Grünen „biologisch abbaubare Dummschwätzer“.

Es lacht kaum noch jemand, kaum jemand applaudiert. Ein paar Leute gehen. Schönauer spricht sich gegen die Burka aus, auch wenn Frauen sie als Schutz empfinden, ja, als Schutz „vor den geilen Blicken muslimischer Männer“, wie er draufsetzt, um kurz darauf festzustellen, dass ja auch hierzulande früher alte Frauen Kopftuch getragen haben. Doch da hätte keiner den Wunsch gehabt, drunter zu gucken. Und er geht noch einen Schritt weiter, denn so manchmal, ja, da würde er sich wünschen, dass (in diesem Falle deutsche!) Frauen Burka tragen. Dann nämlich, wenn sie im Sommer unter Miniröcke unschöne dicke Beine zeigen …

Das Armutszeugnis für solche Äußerungen hat sich Schönauer schon selbst ausgestellt: die Aufgabe des Mannes sei die Fortpflanzung. „Das muss er können. Sonst nichts.“ Und wenn „Opa“ einmal nicht mehr kann, dann hilft ihm eine Prothese aus edlem Schweizer Material. Glücklicherweise hat die Evolution vor „Oma“ nicht haltgemacht. Sie weiß zumindest, wie sie solche „Freunde“ bei Facebook loswerden kann.