Neustadt. Als es Nacht wurde im Festsaal vom Herrenhof, traten aus dem Dunkel der Kulisse Kleinkunstbühne „Kabarettissimo” die „Lichtgestalten” Alex Haas und Stefan Noelle am Samstagabend mit dem Programm ihrer nächtlichen Lieblingslieder „mit Eselshauteffekt”.
Die Leib- und Seele-Musiker gaben bekannten interpretierten Songs „aus dem Bett im Kornfeld” eine „wache” Nachtthematik, fern der schmachtenden Zauberkraft von Liebesliedern – getextet und komponiert im Design der „Liedermacher“ Haas und Noelle mit einem völlig anderen, charakteristischen Gesicht.
Mit Kontrabass, Trommel und Becken, ihrem kompletten Instrumentarium, kleideten sie die Stimmen der Nacht in unterschiedlichste Grooves und schmücken sie gekonnt mit den klangtypischen Accessoires der „untoten” Klassiker, wie „Strangers in The Night”.
Sie komponieren aber nicht nur Einflüsse von Jazz und Rock in ihre Arrangements, sondern vermittelten den Zuhörern im Plauderton Kenntnis über ihr augenblickliches Umfeld. Mehr noch: Der Zwischenstand beim Fußballspiel Dortmund gegen Bayern wird erfragt und von Noelle kommentiert mit: „Wir hatten so viele männliche Zuhörer nicht erwartet”. Die musikalische Nachtwanderung war gut besucht.
So war auch Willy Schneiders bekannter Schlager „Schütt die Sorgen in ein Gläschen Wein” für Noelle zwischen einem seiner virtuosen Besenspiele auf dem Schlagzeug Anlass, übers Weinbiet – gemeint ist nicht der Berg, sondern die Kellerei – und Weinköniginnen zu philosophieren: Und dabei Haas‘ alte Tonfilmschlager, wie „Heute Nacht oder nie” anzustimmen beim Noelle/Haas-Streifzug „from dusk till dawn”.
Die Nachtwanderung voller Irritationen, contra zärtlicher „Kleinen Nachtmusik” durch die vom Mondlicht transparent gemachten „beider Schatten”, ist neu geschriebene Musikgeschichte, die wie ein Verstärker der Gefühle wirkte.
Das Faszinierende war das Stimmenrepertoire ihres Instrumentariums. Noelle spielte mit seiner Stimme Trompete, Haas auf dem Kontrabass wie auf einer Gitarre, so verblüffend, dass nur der im Blickfeld sitzende nahe Zuschauer die Technik unterscheiden konnte.
Sie sind Meister der Reduktion, wenn sie „Ohrwürmern”, Popularmusik, brünstigem Glam-Rock, dem gespielten Horror des Popschauermärchens oder beim Herz-Schmerz-Volkslied alle Facetten der dunklen Seiten beleuchten, wie bei ihrer musikalischen Nachtwanderung mit Noelles versprochenem „Eselshauteffekt”, von der man träumen kann. (awk)