Wenn eine Rose rigoros reagiert, ist Bodo schuld

Rheinpfalz, Kultur Regional

Preisträger des Deutschen Kleinkunstpreises gastiert im Herrenhof – Tiefsinniges und Komisches brillant vorgetragen

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Juroren können sich auch mal irren. Aber im Fall von Bodo Wartke haben sie ins Schwarze getroffen. Mit seinem Programm  „Ich denke, also sing“ ich“ war er am Samstagabend zu Gast im Mußbacher Herrenhof und bewies dem Publikum dort, dass er den „Deutschen Kleinkunstpreis 2004“ zurecht gewonnen hat.

Gut zwei Stunden unterhält Bodo Wartke mit bekannten, von ihm selbst umgeschriebenen Liedern, mit tiefsinnigen und unsinnigen Eigenkompositionen, mit „lyrischen Adaptionen“ oder mit improvisierten Dialogen. Mit frenetischer Applaus danken ihm die Zuschauer und motivieren den Musik-Kabarettisten zu einigen Zugaben.

Es sind vor allem die brillanten Wortspielereien, die unerwarteten Wendungen, die die Texte nehmen, die Mischung aus Dramatik und Komik, die bestechen. Ein hinreichendes Beispiel liefert bereits sein erster Beitrag „Das Heidenröslein“. Wartke hebt an, intoniert in braver bekannter Manier des Klavierschülers. Doch plötzlich was ist das? Die romantische Begleitung gleitet in schnöden Jazz über, denn das ganz und gar nicht zerbrechliche Röslein schlägt zurück und sticht, „die Rose reagiert rigoros“.

Aber es sind nicht nur die Höhenflüge der deutschen Lyrik, derer sich der junge Kabarettist bedient. In anderen, selbst geschriebenen Liedern widmet er sich den Sorgen und Nöten des nach Liebe Suchenden, des Verliebten oder des verachteten Gemahls. Auch der zögerliche Angsthase, das missachtete Denkmal oder der lechzende Gaffer outen sich in den Kompositionen, in denen sich nicht nur Antihelden wiederfinden. Gestik und Mimik, Stimme und Tonlage, aber vor allem das Klavierspiel unterstreichen wie in einem alten Stummfilm die Dramaturgie der Worte. Richtig garstig ist Wartke manchmal, schreckt nicht davor zurück, seine übelsten Mordgedanken en detail zu schildern. Das Publikum, das an seinen Lippen hängt, gewahrt den Tötungsakt. Es sieht die neu erworbene Axt in der Hand des Helden, schmeckt bereits das Blut, das aus dem Hals der abgestochenen Gattin quellen wird. Die Spannung steigt ins Unermessliche, giert nach dem finalen Akt. Stopp! Die Holde erwacht und die Katharsis ergießt sich in einem „Was soll“s, hack ich halt Holz“.

Obwohl Wartke in Berlin wohnt, hängt er noch immer an seiner kleinen Heimatstadt Bad Schwartau, die „keine Erfindung der Werbung ist“. Das Liebeslied auf den Ort, der um die Marmelade entstanden ist, ließe sich modifiziert auf andere Provinzstädte übertragen und ist dem Publikum so nicht ganz fremd …

Doch sind es nicht nur die Lieder, die in ihrem Tempo und ihren hintergründigen Texten Vortragenden wie Zuhörer fordern. Genial und erfrischend zugleich gestalten sich die Adaptionen aus der Bibel und der Weltliteratur. Dass ein schnöder Gabelbaum – „gib mir die Gabel Abel“ – das Drama um Kain und Abel auslöste, ist nicht nur neu, sondern in seiner Darlegung unübertroffen. Im gleichen Reimschema und Duktus gehalten, präsentiert der Akteur den Kampf des Schwarzen Ritters gegen Sir Lancelot aus der Sage um König Artus. Sind diese tragischen Schilderungen schon gelungen, läuft er bei „seiner“ Szene aus König Ödipus zu wahrer Hochform auf. Gleich drei Rollen besetzt er, kenntlich der Erzähler durch die Bodo-Mütze nach vorn gedreht, Ödipus durch die Mütze nach hinten gedreht, der blinde Seher durch eine dunkle Brille. In Windeseile wechselt der Künstler hin und her, sodass er sich in den mit modernen Elementen gespickten antiken Sprachsequenzen verheddert, was dem Tragikomödie aber nicht schadet, im Gegenteil. Er ist genial.

Mit seinem Liebeslied in verschiedenen Sprachen, darunter auch Russisch und Chinesisch, „Arabisch übe ich noch“, beginnt er seine Zugaben. Die berühmte Monika, die in der Ära Clinton für pikante Schlagzeilen sorgte, fordert er auf, sich doch auch an George „dabbelju“ Bush heranzumachen. Denn dann, meint Wartke, hätten wir doch noch eine Chance, dass der Wiedergewählte demissionieren müsse. Interaktiv gestaltet er sein Karten-Lied; und schließlich beklagt er seine frisch gezogenen Weisheitszähne mit denen nun auch die Weisheit verloren gegangen sei. Aber kein Problem: „Ich werde sie einfach mit den Löffeln fressen!“. Nach diesem Abgesang bleibt die Hoffnung, dass Bodo bald wieder nach Mußbach kommt und den Dialog mit dem Publikum fortsetzt.

Von unserer Mitarbeiterin Regina Wilhelm