„(K)älter werden wir später! Fit for Fun!“

Rheinpfalz, Kultur Regional

Martina Göhring und Klaus Bäuerle brillieren mit ihrem neuen Kabarett-Programm im Mußbacher Herrenhof

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Da bleibt dem Publikum doch manches Mal der Lacher im Halse stecken. Denn der Humor, den Martina Göhring und Klaus Bäuerle servieren, ist zum Teil rabenschwarz. Am Samstagabend gastierten die beiden mit ihrem neuen Kabarett-Programm „(K)älter werden wir später! Fit for Fun!“

Einer vom Jugendlichkeitswahn geprägten Gesellschaft, die das Älterwerden negiert und den Tod am liebsten komplett aus dem Leben verbannen möchte, halten die Akteure auf oftmals krass ausgedrückte Weise den Spiegel vor. Da ist Lukas, der sich einfach nicht damit abfinden kann, dass auch seine Lebensuhr immer weiter tickt. „Wenn“s am Schlimmsten ist, soll man aufhören“, sagt er auf einem Stuhl stehend und einen Strick in der Hand haltend. Doch dem scheinbaren „Loser“ will nicht einmal dieser Plan gelingen. Ganz zufällig tritt da Lola in sein Leben und bewahrt ihn vor dem finalen Akt.

Zwischen beiden entwickelt sich eine enge rein platonische Freundschaft, denn „du bist viel zu alt“, sagt Lukas zu der ungefähr Gleichaltrigen. Er sucht – gleich vielen anderen Männern, die die Midlife-Krise beutelt – junge Mädchen, die ihm das Gefühl geben, selbst noch jung zu sein. Lola – wie könnte es bei der berühmten Film- und Romanvorlage anders sein – ist dagegen auf ältere Herren fixiert. Per Kontaktanzeige geht sie auf Männerfang. Ihre Erlebnisse tauschen die beiden regelmäßig aus. Immer wieder trifft sich Lola mit den verschiedensten Typen, in die – und da zeigt sich die Brillanz des Darstellers – Klaus Bäuerle schlüpft. Der Schönheitschirurg, der Lola unbedingt unters Messer bringen will, der Schwabe mit dem schrecklichem Dialekt, der Genforscher mit Pullunder und Slippers, die sie nicht ausstehen kann, oder der Esoteriker, der wirres Zeug redet.

Derweil besucht Lukas, dessen Lebensinhalt sich nur noch auf Sex, Liebe und panische Angst vor Älterwerden und Tod fokussiert, eine Therapeutin. Diese verkörpert treffend – Fingerspitzen aneinander pressend – Martina Göhring im hellen Kostüm.

In fliegender Reihenfolge wechseln die Szenen. Bis auf einige unterschiedliche Kleidungsstücke, Perücken oder wenige Accessoires, darunter ganz moderne wie Handys und unsichtbare Anrufbeantworter, bedürfen die beiden Darsteller keinerlei zusätzlicher Kulisse. Und dennoch fühlt sich der Zuschauer inmitten der Szenerie gefangen, empfindet den Figuren nach: Lukas“ unsicheres Händekneten in der Praxis der Therapeutin, seine Ausreden und sein Ausweichen, als sie ihn nach seinem Verhältnis zum Tod befragt; Lolas nervöses Drehen am Strohhalm, als sie neue Bekanntschaften trifft und ihr fluchtartiges Verlassen der Lokalität.

Immer wieder sind Traum-Episoden des Helden eingeschoben. Natürlich dreht sich alles um die zentralen Themen des Theaterspektakels: Sex, ewige Jugend und Tod. Die Albträume enden zu Lukas“ Horror grundsätzlich mit einem Lied, das beide gemeinsam oder solo singen. Und auch hier dokumentiert sich das Allround-Talent beider Akteure: geradezu perfekt Martina Göhring als Marilyn Monroe mit „I wanna be loved by you“ oder ihre Interpretation von „Barcelona“.

Doch Kabarett lebt auch von urkomischen Szenen, die ebenfalls nicht fehlen. Dazu zählt Lukas“ Besuch bei einer Prostituierten (Martina Göhring zumindest am Anfang ganz lasziv). Sein Helm, den er aus Angst vor Stürzen trägt, verheddert sich in dem Ring, den die Frau in den Bauchnabel gepierct trägt. Unter französischen und polnischen Flüchen versucht sie mit Schraubenzieher, Zange und Hammer den Schmuck wieder herauszukriegen

Ob die Therapie wirkt, ob“s die Selbsterkenntnis ist, keiner vermag es zu sagen. Zum Ende jedenfalls genest Lukas allmählich. Und als er Lola zum Geburtstag Blumen schenkt, ruft die Stimme Rosamunde Pilchers aus dem Hintergrund: „Küsst euch endlich!“ Soweit sind sie, so scheint“s zumindest, noch lange nicht.

Mit tausend Ausreden verweigern sie sich dem Happy End à la Pilcher. Aber ganz langsam schwinden die Widerstände schließlich, bröckelt die Mauer der Ratio. Schließlich fallen sie sich – wie in allen traurig-schönen Kitschromanen – in die Arme: Wieder einmal hat die Magie der Liebe obsiegt. (giw)