Wo die Liebe nicht wohnt

Rheinpfalz, Kultur Regional

Christoph Dompke und Christian Willner präsentieren als „Emmi und Valentin“ im Herrenhof Szenen einer musikalischen Zweckehe

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Emmi singt! Ist sie ein deutsches Schiff? Nein, sondern eine alternde, erfolglose Diva mit NS-Vergangenheit, die aus romantischen, steuerlichen und ausländerpolizeilichen Gründen eine russische Tastenfachkraft
– sprich einen Pianisten – heiratet. Das ungleiche Paar Emmi und Valentin, alias Christoph Dompke und Christian Willner, erfreute, schockierte und unterhielte am Samstag das Publikum im Mußbacher Herrenhof.

Auf den voll besetzten Tischen im Festsaal schwimmen Kerzen in Wasser. Glockengeläut ertönt, und Emmi und Valentin kommen von ihrer Hochzeitsreise zurück auf die Bühne – es wirkt nur beinahe romantisch: „Binz auf Rügen. Das klingt wie Innereien auf altem Knäckebrot“, kommentiert die Braut die Flitterwochen. Die volltrunkene Emmi und ihren glatzköpfigen Russen verbindet allenfalls eine Hassliebe. „Emmi ist wie die Titanic, wenn sie singt, sterben Menschen“, kündigt Valentin den ersten Gesangsversuch seiner Gattin an. So begleitet er Emmi am Flügel und antwortet auf die musikalische Frage „Wo wohnt die Liebe?“, voller Abscheu: „hier nicht“.

Christoph Dompke und Christian Willner lernten sich während ihres Musikwissenschaftsstudiums kennen. Dompke, alias Emmi, lernte bei einem seiner Auftritte Thomas Herrmanns, den Moderator des „Quatsch-Comedy-Clubs“ auf Pro-Sieben kennen, der nun schon seit sechs Jahren für die beiden Texte schreibt und Regie bei ihren Stücken führt. „Ich wollte als Kind immer polnischer Musiker werden. So kamen wir auf den Russen Valentin“, erzählt Christian Willner.

Beim Anblick der Szenen einer musikalischen Zweckehe, mischen sich beim Zuschauer Mitleid, Freude und Faszination: Mitleid mit dem kleinen Russen, der wegen des Visums von seinem Archipel Emmi abhängig ist, was Solschenizyn bestimmt zu einer Fortsetzung angeregt hätte. Freude und Faszination über die Wortakrobatik der beiden und über die männliche Weiblichkeit Emmis. Zwischen den Liedern fauchen sich die beiden immer wieder Beleidigungen zu: Emmi beschimpft Valentins Familie, die am Stadtrand von Moskau in einer Wellblechhütte wohnt. Valentin vermutet, dass der Venushügel seiner Frau zum letzten Mal im zweiten Weltkrieg gestürmt wurde.

Nach jedem Lied braucht Emmi einen Schnaps, und Valentin Willnowsky darf einen Witz erzählen: Zum Beispiel den von der schwangeren Nonne, die sich empört, was die Leute so alles an die Kerzen schmieren. Im nächsten Lied besingen sich die Eheleute – auf die Melodie der Schokoladenwerbung: „Du bist der Spermafleck auf meinem Hochzeitskleid. Merci, dass es Dich gibt.“ Geschmacklosigkeit? Ja, aber Niveau Oberkante Unterlippe? Die beiden Comedians schaffen es tatsächlich immer wieder, sich aus der untersten Schublade zu bedienen, ohne völlig unter die Gürtellinie abzudriften. „Wir sind Comic-Figuren und dürfen uns alles erlauben“, sagt Willner. „Das funktioniert nur, weil die Figuren so stimmig sind und Emmi den Witzen von Valentin mit ihren Kommentaren immer wieder einen neuen Dreh gibt“, erklärt Dompke.

Emmi ist nach der Pause, in der Valentin die Aufenthaltsgenehmigung abarbeiten musste, voll wie eine Haubitze in Stalingrad. Sie singt Lieder vom Altenheim mit 13 Zivis, vom Suff in Moskau und Amsterdam, und die Kerzen auf den Tischen der begeisterten Zuhörer scheinen mittlerweile in Wodka zu schwimmen. Zwischendurch stichelt Valentin immer wieder: „Meine Frau ist wie ein Unfall: Schlimm, aber man muss immer wieder hinsehen“.

Mit „Die Zeit ist um, die uns verband“ verabschiedet sich die musikalische Zweckgemeinschaft vom Publikum, das jetzt weiß, wie sehr es sich lohnt, hinzuhören, wenn Emmi singt.

Von unserem Mitarbeiter: Michael Bopp